Der Weltkrieg am 21. Oktober 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Scheitern der englischen Angriffe bei Le Cateau

Großes Hauptquartier, 21. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
In Flandern wurde vor und um den Lys-Abschnitt zwischen Ursel und Kortryk heftig gekämpft. In Zomergen vorübergehend eingedrungenen Feind warfen wir im Gegenstoß wieder zurück. Beiderseits von Deynze setzte sich der Gegner auf dem Westufer der Lys fest. Teile, die südlich der Stadt über den Fluß vordrangen, wurden zum größten Teil gefangengenommen. Ein Franzosennest blieb auf östlichem Ufer zurück. Östlich von Kortryk stieß der Feind über Deerlijk und Zwevegem vor. Auf den Höhen westlich und südwestlich von Viehte brachten wir seine Angriffe zum Stehen; nördlich der Schelde wiesen wir den Feind vor unseren Linien ab. Nördlich von Tournai hat der Gegner die Schelde erreicht. Südlich von Tournai standen wir mit ihm in der Linie St.Amand - östlich von Denain und auf den Höhen östlich und nordöstlich von Haspres in Gefechtsfühlung.
Beiderseits von Solesmes und Le Cateau griff der Engländer gestern in Ausdehnung seiner am 17. und 18. Oktober zwischen Le Cateau und der Oise geführten Angriffe mit starken Kräften an. Zwischen Sommaing und Vertain blieben seine Angriffe auf den Höhen westlich der Harpies-Niederung in unserer Abwehrwirkung liegen; beiderseits von Solesmes brachten wir den über unsere vorderen Linien hinaus vordringenden Feind auf den Höhen östlich und südöstlich der Stadt zum Stehen. Romeries und Amerval gingen verloren und wurden im Gegenstoß wiedergenommen. Beiderseits von Le Cateau haben wir unsere Stellungen nach hartem, wechselvollem Kampfe im allgemeinen behauptet. Die brandenburgische 44.Reserve-Division unter Führung des Generalmajors Haas hat sich hier besonders bewährt. Der mit großen Mitteln unternommene Angriff des Feindes ist somit auf der ganzen 20 Kilometer breiten Front bis auf örtlich beschränkten Bodengewinn des Gegners an der Zähigkeit unserer durch Artillerie wirksam unterstützten Infanterie gescheitert.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz:
Nördlich der Serre wurden erneute Angriffe des Feindes abgewiesen. Beiderseits der Straße Laon-Marle säuberten wir im Gegenangriff Teile unserer noch in Feindeshand gebliebenen Linien und wiesen starke Gegenangriffe ab. Auch westlich der Aisne nahmen ostpreußische Bataillone und das in den letzten Kämpfen besonders bewährte Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 231 im Gegenangriff ihre Stellung wieder und schlugen feindliche Angriffe ab. Östlich von Vouziers suchte der Feind seine am 19. Oktober errungenen örtlichen Erfolge durch Fortsetzung seiner Angriffe zu erweitern. Vornehmlich sind sie am Gegenangriff des Infanterie-Regiments Nr. 411 und an der zähen Abwehr der 7. Kompagnie des bayerischen Infanterie-Regiments Nr. 24 gescheitert.
Heeresgruppe Gallwitz:
Östlich von Banthéville wurden Teilangriffe der Amerikaner abgewiesen. Im übrigen blieb die Gefechtstätigkeit beiderseits der Maas in mäßigen Grenzen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
An der Morawa schlugen wir erneute Teilangriffe der Serben ab.

Der Erste Generalquartiermeister
    Ludendorff.
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Deutscher Gegenangriff bei Vouziers

Berlin, 21. Oktober, abends. (Amtlich.) 
Der Feind beschränkte sich an den Kampffronten auf Teilangriffe, die von uns abgewiesen wurden. Unser Gegenangriff gegen die vom Feinde besetzten Höhen auf östlichem Aisne-Ufer beiderseits Vouziers ist in gutem Fortschreiten.
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Die zweite deutsche Antwortnote an Wilson

Militärische Regelung der Räumungsfrage - Einstellung der Versenkung von Passagierschiffen

Berlin, 21. Oktober.
Die deutsche Antwort auf die amerikanische Note vom 14. d. M. lautet wie folgt:

Die Deutsche Regierung ist bei der Annahme des Vorschlages zur Räumung der besetzten Gebiete davon ausgegangen, daß das Verfahren bei dieser Räumung und die Bedingungen des Waffenstillstandes der Beurteilung militärischer Ratgeber zu überlassen seien, und daß das gegenwärtige Kräfteverhältnis an den Fronten den Abmachungen zugrunde zu legen ist, die es sichern und verbürgen. Die Deutsche Regierung gibt dem Präsidenten anheim, zur Regelung der Einzelheiten eine Gelegenheit zu schaffen. Sie vertraut darauf, daß der Präsident der Vereinigten Staaten keine Forderung gutheißen wird, die mit der Ehre des deutschen Volkes und mit der Anbahnung eines Friedens der Gerechtigkeit unvereinbar sein würde.
Die Deutsche Regierung legt Verwahrung ein gegen den Vorwurf ungesetzlicher und unmenschlicher Handlungen, der gegen die deutschen Land- und Seestreitkräfte und damit gegen das deutsche Volk erhoben wird.
Zerstörungen werden zur Deckung eines Rückzuges immer notwendig sein und sind insoweit völkerrechtlich gestattet. Die deutschen Truppen haben die strengste Weisung, das Privateigentum zu schonen und für die Bevölkerung nach Kräften zu sorgen. Wo trotzdem Ausschreitungen vorkommen, werden die Schuldigen bestraft.
Die Deutsche Regierung bestreitet auch, daß die deutsche Marine bei Versenkung von Schiffen Rettungsboote nebst ihren Insassen absichtlich vernichtet hat.
Die Deutsche Regierung schlägt vor, in allen diesen Punkten den Sachverhalt durch neutrale Kommissionen aufklären zu lassen.
Um alles zu verhüten, was das Friedenswerk erschweren könnte, sind auf Veranlassung der Deutschen Regierung an sämtliche Unterseeboot-Kommandanten Befehle ergangen, die eine Torpedierung von Passagierschiffen ausschließen, wobei jedoch aus technischen Gründen eine Gewähr dafür nicht übernommen werden kann, daß dieser Befehl jedes in See befindliche Unterseeboot vor seiner Rückkehr erreicht.
Als grundlegende Bedingung für den Frieden bezeichnet der Präsident die Beseitigung jeder auf Willkür beruhenden Macht, die für sich, unkontrolliert und aus eigenem Belieben den Frieden der Welt stören kann. Darauf antwortet die Deutsche Regierung: Im Deutschen Reich stand der Volksvertretung ein Einfluß auf die Bildung der Regierung bisher nicht zu. Die Verfassung sah bei der Entscheidung über Krieg und Frieden eine Mitwirkung der Volksvertretung nicht vor. In diesen Verhältnissen ist ein grundlegender Wandel eingetreten. Die neue Regierung ist in völliger Übereinstimmung mit den Wünschen der aus dem gleichen, allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrecht hervorgegangenen Volksvertretung gebildet. Die Führer der großen Parteien des Reichstages gehören zu ihren Mitgliedern. Auch künftig kann keine Regierung ihr Amt antreten oder weiterführen, ohne das Vertrauen der Mehrheit des Reichstages zu besitzen. Die Verantwortung des Reichskanzlers gegenüber der Volksvertretung wird gesetzlich ausgebaut und sichergestellt. Die erste Tat der neuen Regierung ist gewesen, dem Reichstag ein Gesetz vorzulegen, durch das die Verfassung des Reichs dahin geändert wird, daß zur Entscheidung über Krieg und Frieden die Zustimmung der Volksvertretung erforderlich ist.
Die Gewähr für die Dauer des neuen Systems ruht aber nicht nur in den gesetzlichen Bürgschaften, sondern auch in dem unerschütterlichen Willen des deutschen Volkes, das in seiner großen Mehrheit hinter diesen Reformen steht und deren energische Fortführung fordert.
Die Frage des Präsidenten, mit wem er und die gegen Deutschland verbündeten Regierungen es zu tun haben, wird somit klar und unzweideutig dahin beantwortet, daß das Friedens- und Waffenstillstandsangebot ausgeht von einer Regierung, die, frei von jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluß, getragen wird von der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes.

Berlin, den 20. Oktober 1918.

gez. Solf, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 21. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Auf dem italienischen Kriegsschauplatz keine größeren Kampfhandlungen.
Beiderseits der südwestlichen Morawa wurden serbische Teilangriffe abgewiesen.
Im Gebirge westlich von Zajecar macht sich serbischer Druck stärker fühlbar.

  Der Chef des Generalstabes.

 

Bildung des Staates Deutsch-Österreich

Wien, 21. Oktober. 
Am späten Nachmittag trat im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtags die deutsche Nationalversammlung zusammen. Sie nahm unter stürmischem Beifall einen einstimmig beschlossenen Antrag an. Dieser spricht u. a. die Entschlossenheit des deutschen Volkes aus, in Österreich seine zukünftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen selbstständigen deutsch-österreichischen Staat zu bilden und seine Beziehungen zu den anderen Nationen durch freie Vereinbarungen mit ihnen zu regeln. Der deutsch-österreichische Staat beansprucht Gebietsgewalt über das ganze deutsche Siedlungsgebiet, insbesondere auch in den Sudetenländern. Bis zu der konstituierenden Nationalversammlung wird das deutsche Volk in Österreich von der Gesamtheit der deutschen Reichsratsabgeordneten als provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich vertreten. Diese beansprucht das Recht, bis zum Zusammentritt der konstituierenden Nationalversammlung das deutsche Volk in Österreich bei den Friedensverhandlungen zu vertreten. Nach Annahme des Beschlußantrages erklärte Präsident Seitz, daß hiermit die provisorische Nationalversammlung der Deutschen Österreichs gebildet sei.
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Der 1. Weltkrieg im Oktober 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 8
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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