Das
Wesen der deutschen Sperrgebietserklärung
Berlin,
6. Februar.
In der neutralen Presse wird vielfach die Auffassung vertreten,
die deutsche Sperrgebietserklärung vom 1. Februar 1917 sei eine Blockadeerklärung,
der gegenüber man zunächst abwarten müsse, ob die Blockade
effektiv sei, um danach sein weiteres Handeln einzurichten. Diese Auffassung
verkennt das Wesen der deutschen Sperrgebietserklärung vollständig,
und es muß deshalb mit aller Deutlichkeit vor ihr gewarnt werden.
Sperrgebietserklärung und Blockade haben nur eins gemeinsam, nämlich
das Ziel, den Feind vom Seeverkehr abzusperren. Genau so, wie England
dieses Ziel gegenüber Deutschland nicht im Wege einer Blockade, sondern
durch Schaffung von Gefahrzonen für die Schiffahrt zu erreichen suchte,
genau ebenso will Deutschland jetzt durch seine Sperrgebietserklärung
dieselbe Waffe gegen England anwenden, um England vom Seeverkehr seinerseits
abzusperren. England hat bereits am 3. November 1914 die Nordsee "zum
Kriegsgebiet" erklärt. Mit dieser Erklärung hat es angedroht,
daß die gesamte Nordsee für jeglichen friedlichen Handelsverkehr
gesperrt sei, daß dort die friedliche Schiffahrt den ernstesten
Gefahren durch Minen und Kriegsschiffe ausgesetzt sei, und daß Handelsschiffe,
die trotzdem dieses Gebiet zu durchfahren suchten, dies auf eigene Gefahr
tun würden. England sah aber schon bald ein, daß es trotz dieses
von ihm damals willkürlich und entgegen allem Völkerrecht erklärten
Kriegsgebiets sein Ziel, Deutschlands Frauen und Kinder dem Hungertode
zu überliefern, nicht erreichen würde. Deshalb erließ
es am 11. März 1915 jene berüchtigte Order in Council
bei deren Ausführung es schließlich so weit ging, die Neutralen
auf Rationen zu setzen, sie zu blockieren. Als auch diese Maßnahme
trotz zweijähriger brutalster Durchführung das Verhungern Deutschlands
immer noch nicht zur Folge hatte, erklärte England am 20. Januar
1917 nochmals einen Teil der Nordsee zum Kriegsgebiet. Zweimal also hat
England einen Teil der hohen See gesperrt. Zweimal hat es erklärt,
daß derjenige, der sich in dieses gesperrte Gebiet begebe, Gefahr
laufe, und zwar nicht nur Gefahr laufe für sein Schiff, sondern auch
für das Leben aller an Bord befindlichen Menschen. Ohne Rücksicht
auf die Rechte der Neutralen und die Rechte des friedlichen Handelsverkehrs
hat England somit den Begriff eines Kriegsgebiets geschaffen, dessen Wesen
ist: Ankündigung einer genau begrenzten Gefahrzone unter Androhung
ungenannter Gefahren für Schiff und Leben seiner Besatzung, ungehemmte
Kriegführung gegen jeden Schiffsverkehr innerhalb dieses Gebietes.
Deutschland ist nunmehr diesem englischen Beispiel gefolgt. Seine Sperrgebietserklärung
unterscheidet sich nur darin von den englischen Kriegsgebietserklärungen,
daß es neutrale Küsten nicht mit einbegriffen hat. Genau wie
die englischen Kriegsgebietserklärungen keine Blockadeerklärungen
sind oder sein wollen, genau ebensowenig hat die deutsche Erklärung
mit einer Blockadeerklärung gemein. Das deutsche Sperrgebiet ist
ein Gebiet, das nicht passiert werden kann, ohne daß Schiff und
Besatzung sich der Gefahr der Vernichtung aussetzen. In diesem Gebiet
wird uneingeschränkt gegen den gesamten Seeverkehr nach und von den
feindlichen Ländern Krieg geführt, und es gilt für dieses
Gebiet das Wort: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. 1) |