Der
Wortlaut der bulgarischen Kriegserklärung an Rumänien
Sofia,
1. September. (Meldung der Bulgarischen Telegraphen-Agentur.)
Ministerpräsident und Minister des Äußeren Radoslawow
hat an den rumänischen Gesandten folgende Note gerichtet:
Exzellenz!
Ich habe die Ehre gehabt, in den letzten Monaten der Königlich rumänischen
Gesandtschaft, sei es durch Verbalnoten, sei es durch an Eure Exzellenz
oder in Ihrer Abwesenheit an den Geschäftsträger gerichtete
Schreiben, die allzu zahlreichen Zwischenfälle zu melden, welche
unsere mit der Überwachung der rumänisch-bulgarischen Grenze
beauftragten Truppen ununterbrochen in Atem gehalten haben. Diese sich
mehr und mehr häufenden Zwischenfälle, die trotz der mehr als
korrekten Haltung der bulgarischen Behörden und trotz der von der
rumänischen Gesandtschaft verschwendeten Versicherungen und Freundschaftsbeteuerungen
immer von seiten Rumäniens hervorgerufen wurden, haben schließlich
dazu geführt, Absichten ins rechte Licht zu setzen, welche die bulgarische
Regierung ihrem Nachbarn zuzumuten Bedenken trug, da die noch ganz frische
Vergangenheit sie nicht ganz und gar die Gefühle lebhafter Sympathie
des bulgarischen Volkes gegenüber Rumänien vergessen machen
konnte. Diese Gefühle datieren aus ferner Zeit, und die ganz frische
Vergangenheit, von der ich spreche, ist - Eure Exzellenz weiß es
sehr wohl - der Balkankrieg vom Jahre 1912/13, wo Rumänien die blutigen
Prüfungen, die das bulgarische Volk durchmachte, für sich ausnutzte,
um Bulgarien zu einer Zeit, zu der es im Kampf um seine Existenz lag,
ein Stück seines Gebietes zu rauben, wobei es einen hartnäckigen
Haß, der durch nichts gerechtfertigt war, bekundete.
Es folgte der Bukarester Friede, der Bulgarien die schwersten Opfer auferlegte,
nichtsdestoweniger ergab sich Bulgarien in sein Schicksal und wollte sogar
noch seinem Nachbarn Endlich die Hand reichen; es wurde in seinen Hoffnungen
getäuscht.
Und seither folgten die Beweise von Feindseligkeit auseinander ohne Unterlaß.
Zunächst die Haltung der rumänischen Presse, welche Bulgarien
und seinen Souverän mit Beschimpfungen überhäuft, die Schwierigkeiten
ohne Ende betreffend die Durchfuhr von für Bulgarien bestimmten Waren,
die Weigerung, Bulgarien trotz der ordnungsmäßigen Verträge,
die in Rumänien gekauften Waren für den dringendsten Bedarf,
wie Salz, Petroleum usw., zu liefern, die Plackereien, welchen die Bulgaren,
die in Rumänien wohnen oder die nur Rumänien passieren, ausgesetzt
sind, die am 3. Juli erfolgte Schließung der rumänischen Grenze
für Waren und Reisende aus und nach Bulgarien, weiter die Proteste,
welche die Königlich rumänische Gesandtschaft in Sofia mit äußerster
Energie gegen angeblich von bulgarischen Grenzwachen herbeigeführte
Zwischenfälle erhebt, die niemals stattgefunden haben, so der Zwischenfall
von Rahovo, bezüglich dessen ich die Ehre hatte, Eurer Exzellenz
am 15. August zu schreiben, und von Rascano am 21. desselben Monats, den
unaufhörlich aber mehr oder weniger gutartige Grenzzwischenfälle
folgten, wirkliche kriegsmäßige Angriffe, die von rumänischen
Abteilungen gegen bulgarische Grenzposten unternommen wurden. So wurde
der Posten Nummer 9 östlich Konanlar in der Nacht vom 25. auf den
26. August angegriffen, ebenso die Posten 10 und 13.
Weiter kurz nachher wirkliche Kriegsoperationen, welche rumänische
Gruppen an der Grenze unternehmen: das Bombardement von Kladowo am 28.
August und die Beschießung von Russo (Rustschuk) am selben Tage.
Am 29. August eröffnet die rumänische Wachabteilung Nummer 1
ein lebhaftes Gewehrfeuer gegen die ihr gegenüberliegenden bulgarischen
Posten, bald darauf dehnt sich das Feuer an der Grenzlinie bis zum bulgarischen
Posten Nummer 17 aus, ebenso greifen zwischen der Küste des Schwarzen
Meeres und der Tschausch-Köj rumänische Grenzwachen heftig bulgarische
Posten an und werden zurückgeschlagen.
Schließlich - der bulgarische Gesandte in Bukarest, Radew, wird
seit Sonnabend, dem 26. August, gehindert, mit seiner Regierung zu verkehren.
Es werden ihm seine Pässe zugestellt, ohne daß die Königlich
bulgarische Regierung ihm auch nur einen Augenblick Instruktionen gegeben
hätte, die sich irgendwie auf einen eventuellen Abbruch der Beziehungen
bezogen hätten. Und am 30. August waren es sie, Eure Exzellenz, der
seine Pässe verlangt und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen
notifiziert, eine sehr natürliche Folge von alldem, was vorhergegangen
war. Inzwischen, in der Nacht vom 30. auf den 31. August, versuchten die
rumänischen Armeen, ohne daß eine ausdrückliche Kriegserklärung
erfolgt wäre, eine Brücke über die Donau bei Kladovo zu
schlagen und den Fluß an derselben Stelle zu übersetzen.
Euer Exzellenz begreift selbft, welches seither die Lösung ist -
gewollt von der rumänischen Regierung und aufgezwungen durch die
Gewalt der Tatsachen, da ja die Lage so ist, wie sie eben diese Regierung
geschaffen hat: Bulgarien ist genötigt, die vollendete Tatsache hinzunehmen,
und ich habe die Ehre, Herr Gesandter, Eurer Exzellenz zur Kenntnis zu
bringen, daß sich Bulgarien von heute früh an als mit Rumänien
im Kriegszustand befindlich betrachtet.
Genehmigen Sie, Herr Gesandter, die Versicherung meiner Hochachtung.
gez. Radoslawow. 1) |