Der Weltkrieg am 21. Dezember 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Angriffe russischer Erkundungstruppen abgewiesen

Großes Hauptquartier, 21. Dezember.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Westlich von Hulloch nahm eine deutsche Abteilung eine englische Sappe und wehrte einen nächtlichen Gegenangriff ab.
Auf vielen Stellen der Front lebhafte Artilleriekämpfe. Keine Ereignisse von Bedeutung.
Östlicher Kriegsschauplatz:
In der Nacht vom 19. zum 20. Dezember hatte eine vor-geschobene russische Abteilung das nahe vor unserer Front liegende Gehöft Dekschi (dicht südöstlich von Widsy) besetzt; sie wurde gestern wieder vertrieben.
Südlich des Wygonowskojesees und bei Kosciuchnowka (nordwestlich von Czartorysk) wurden feindliche Erkundungsabteilungen abgewiesen.
Balkankriegsschauplatz:
Die Lage ist im allgemeinen unverändert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Annahme des neuen Zehnmilliardenkredits im Reichstage

Berlin, 21. Dezember.
Der Reichstag hat heute den neuen Zehnmilliardenkredit gegen 20 Stimmen der Minderheit der sozialdemokratischen Fraktion angenommen. Vorher erklärte Abg. Ebert im Namen der sozialdemokratischen Fraktion, daß sie es für unerläßliche Pflicht des gesamten deutschen Volkes halte, seine Abwehr fest und geschlossen zu erhalten; die dazu erforderlichen Mittel müssen bereitgestellt werden. (Lebhafter Beifall.) Die Fraktion erhebe aber Einspruch gegen Eroberungspläne. Den Standpunkt der Minderheit der Sozialisten begründete Abg. Geyer mit dem Friedenswillen; wir können nicht die Politik des Reichskanzlers unterstützen, die es abgelehnt habe ein Friedensangebot zu machen.

 

Eine Fälschung der Bothaschen Regierung


Staatssekretär Solf

Berlin, 21. Dezember.
Im Reichstage erklärte Staatssekretär des Reichskolonialamts Solf auf eine Anfrage des Abg. Bassermann: Wie der Reichskanzler am 9. Dezember bereits mitgeteilt hat, hat Deutschland niemals die Absicht gehabt, Britisch-Südafrika anzugreifen; im Gegenteil, Deutschland war stets der Auffassung, daß im Interesse des Ansehens der weißen Rasse der europäische Krieg nicht nach Afrika übertragen werden dürfe. (Beifall.) Daß die deutsche Regierung keine Angriffsabsicht auf Britisch-Südafrika hatte und haben konnte, ergibt sich schon daraus, daß die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, die während des Eingeborenenaufstandes von 1904/5 auf über 10000 Mann gestiegen war, auf weniger als 2000 Mann vermindert wurde. (Hört, hört!) Daß man in Britisch-Südafrika davon genau unterrichtet war, ergibt sich daraus, daß in dem weit verbreiteten englischen Nachschlagebuch (The Stateman´s Yarbook) in der Ausgabe für 1914 auf Seite 925 die richtige Stärke der in Deutsch-Südwestafrika vorhandenen Truppen angegeben ist. (Hört, hört!) Bei meiner Begegnung mit dem Premierminister von Britisch-Südafrika, Botha, im Jahre 1912 fand ich ihn über die Stärke unserer Schutztruppe genau unterrichtet.
Die Behauptung, der Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika habe mit Manitz vor Beginn des Krieges Verabredungen getroffen, ist durchaus unrichtig. Unsere Gegner haben einen Beweis hierfür nicht einmal versucht.
Es ist unrichtig, daß deutsche Truppen alsbald nach Ausbruch des Krieges in Europa bei Skuitdrift und Nakab-Süd englisches Gebiet angegriffen haben. Richtig ist vielmehr, daß englischerseits von einer bei Skuitdrift im Orangeriver liegenden Insel auf deutsches Gebiet herübergeschossen wurde. (Lebhaftes Hört, hört!) Deutscheres wurde lediglich dieses Feuer erwidert. Der Angriff erfolgte also von englischer Seite. Nakab-Süd liegt aber nicht auf englischem, sondern auf deutschem Gebiet. (Stürmisches Hört, hört!) Zum Beweise dafür, daß Nakab-Süd auf englischem Gebiete liege und seine Besetzung eine Verletzung englischen Gebietes gewesen sei, hat die südafrikanische Regierung dem Parlament in Kapstadt eine englische Karte vorgelegt, die hier auf dem Tisch des Hauses liegt und auf welcher der Platz Nakab-Süd auf englischem Gebiet eingetragen war. Eine Betrachtung dieser Karte, von der ein Originalstück in meinem Besitz ist, zeigt aber, daß Nakab-Süd ursprünglich auf deutschem Gebiet eingetragen war, daß diese Eintragung durch Rasur entfernt war (Stürmisches Hört, hört! und anhaltende Bewegung), nachher mit brauner Farbe überdruckt und der Ort auf englisches Gebiet verlegt wurde. Diese Fälschung, die auch sofort im Unionparlament festgestellt wurde, gibt den vollen Beweis dafür, daß von einer Verletzung englischen Gebiets durch die Besetzung von Nakab-Süd keine Rede sein kann. (Lebhafte Zustimmung.) Um die Abneigung der burischen Kreise gegen den geplanten Angriff auf Deutsch-Südwestafrika zu überwinden, hat die Regierung Bothas die Bevölkerung durch die wahrheitswidrige Behauptung eines deutschen Angriffs zum Aufnehmen der Waffen zu bestimmen gesucht. (Hört, hört!) Der wahre Sachverhalt ist aber in weiten Kreisen Südafrikas bekannt. (Lebhafter anhaltender Beifall.)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Montenegrinische Stellungen bei Berane erstürmt

Wien, 21. Dezember.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Gegenüber Rafalowka am Styr wurde eine russische Aufklärungabteilung zersprengt. Sonst stellenweise Geschützkampf.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die Artilleriekämpfe an der Tiroler Südfront dauern fort.
Zwei italienische Kompagnien, die nachts gegen den Monte San Michele vorzudringen versuchten, wurden aufgerieben.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die Verfolgungskämpfe gegen die Montenegriner führten gestern neuerlich zur Erstürmung einer feindlichen Stellung nördlich von Berane.
Unsere Truppen haben in den letzten zwei Tagen etwa 600 Gefangene eingebracht.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Türkische Siegesbeute auf Gallipoli

Konstantinopel, 21. Dezember.
An der Dardanellenfront ist die Zählung des bei Ari Burun und Anaforta vom Feinde zurück-gelassenen Kriegsmaterials und der Militärausrüstungsgegenstände allerart noch nicht abgeschlossen. Unter der bei Ari Burun gemachten Beute befinden sich 2 schwere Geschütze und 1 Schneider-Feldgeschütz, große Mengen von Munition, namentlich Gewehr- und Maschinengewehrmunition, eine große Zahl Maultiere sowie Munitionswagen, Zelte voll Lebensmittel, Telephon- und Pioniermaterial. Die feindlichen Schiffe beschossen gestern bis zum Abend mit Heftigkeit ihre verschiedenen Lagerstellungen, um die von ihnen preisgegebene Beute zu vernichten, was ihnen aber nicht gelang. Bei Sed ül Bahr auf dem linken und auf dem rechten Flügel nichts von Bedeutung. Das feindliche Zentrum unternimmt hin und wieder Angriffe, die jedesmal zurückgeschlagen werden.
An der Irakfront bei Kut el Amara dauern die örtlichen Kämpfe mit Unterbrechungen fort.
An der Kaukasusfront wurde an unserem Zentrum, im Abschnitte von Id ein mit ungefähr einem Regiment unternommener feindlicher Angriff gegen unsere durch eine Kompagnie verteidigten Vorpostenstellungen leicht angehalten.

 

Absetzung des Generals Russkij


General Russkij

Petersburg, 21. Dezember.
Ein kaiserlicher Ukas enthebt den General Russkij seiner Tätigkeit als Oberbefehlshaber der Nordarmeen unter Belassung seiner Stellungen im Reichsrat und im obersten Kriegsrat.
Der Kaiser hat an ihn ein Handschreiben gerichtet, in dem gesagt wird, daß die große militärische Arbeit, die der General geleistet habe, um die schwere Aufgabe der Verteidigung der Landeshauptstadt zu erfüllen, seine Gesundheit ernstlich angegriffen und Erholung und Pflege dringend notwendig gemacht habe. Der Kaiser dankt dem General für die erzielten glänzenden Ergebnisse und spricht die Hoffnung aus, ihn bald wieder an der Spitze der Truppen zu sehen.

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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