Der Weltkrieg am 20. April 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Eine französische Hauptstellung am Croix des Carmes genommen

Großes Hauptquartier, 20. April.
Westlicher Kriegsschauplatz:
In der Champagne machte unser Sappenangriff Fortschritte.
In den Argonnen mißglückte ein französischer Angriff nördlich Le Four de Paris.
Zwischen Maas und Mosel waren die Artilleriekämpfe nur an einzelnen Stellen lebhaft. Ein französischer Angriff bei Flirey brach in unserem Feuer zusammen. Am Croix des Carmes drangen unsere Truppen nach Sprengung einiger Blockhäuser in die feindliche Hauptstellung ein und fügten dem Gegner starke Verluste zu.
In einem Vorpostengefecht westlich von Avricourt nahmen wir das Dorf Embermenil nach vorübergehender Räumung im Sturm zurück.
In den Vogesen auf den Sillackerhöhen nordwestlich von Metzeral scheiterte ein feindlicher Angriff unter schweren Verlusten für die französischen Alpenjäger.
Bei einem Vorstoß auf die Spitze des Hartmannsweilerkopfes gewannen wir am Nordostabhang einige hundert Meter Boden.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage ist unverändert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Kämpfe zwischen Maas und Mosel

Berlin, 20. April.
Aus dem Großen Hauptquartier wird geschrieben:
Der Stillstand in den Operationen der Franzosen zwischen Maas und Mosel, der sich nach den vorangegangenen und für sie verlustreichen Angriffen bereits gegen Ende der zweiten Aprilwoche fühlbar gemacht hatte, dauert ohne Unterbrechung seit dem 14. April, dem Tage unseres letzten Berichts, bis heute, den 19., an. Auf der Front der Armee herrscht Ruhe, wobei unter Ruhe die Ruhe der vielen größeren zusammenhängenden Angriffe zu verstehen ist, nicht aber die Beendigung jeder Kampftätigkeit. Weder Tag noch Nacht verstummt der Geschützdonner vollständig; stellenweise steigert sich das Feuer der schweren Artillerie zu größter Heftigkeit. Die Nahkampfmittel: Minenwerfer, Handgranaten und Sprengminen betätigen sich und das Feuer der Infanterie und der Maschinengewehre verlöscht nie ganz. Beide Gegner suchen die Straßen und Unterkunftsräume hinter den Fronten durch Artilleriefeuer und Fliegerbomben zu beunruhigen. Lebhafte Bewegungen marschierender Truppen, reger Bahn- und Kraftwagenverkehr im Rücken der französischen Linien, besonders am 15. und 16. April, weisen darauf hin, daß der gegenwärtige Zustand verhältnismäßiger Ruhe kaum ein dauernder bleiben dürfte.
In den Tagen vom 14. bis 19. April wirkte hauptsächlich die beiderseitige Artillerie, während die französische Infanterie, wohl unter dem Eindruck der in den vorhergegangenen Kämpfen erlittenen außerordentlichen Verluste, sich auf vereinzelte, stets mißglückte Teilangriffe beschränkte, die im Raume der Gesamtlage ohne Bedeutung waren. Diese Unternehmungen wiederholten sich fast ausschließlich in den Abschnitten unserer Front, gegen die sich seit Beginn der Kämpfe die französische Offensive mit besonderem Nachdruck richtet.
Am Nordflügel gegen unsere Stellungen bei Marchéville-Maizerery und Combres, am Südflügel gegen unsere Linie im Walde von Ailly, im Walde Mort Mare, nördlich Regniéville-Fey en Haye und im westlichen Priesterwalde. In der Nacht zum 15. April zeichneten sich die feindlichen Überfälle auf die Combreshöhe durch besondere Heftigkeit aus. Hier wandte der Gegner auch Nebel- und Stinkbomben an, die den Zweck haben, einen Schleier von Rauch und unerträglichen Gasen vor und in unsere Stellungen zu legen, um den Blick gegen den Feind zu verhindern und unseren Truppen den Aufenthalt in den Gräben zu erschweren. Ein Vorstoß im Priesterwalde setzte in derselben Nacht unsere Truppen in Besitz eines Teiles der französischen Hauptstellung, die hier mit einem stark ausgebauten Stützpunkt gegen unsere vordersten Gräben vorspringt. Der jetzt mit diesem Erfolg eingeleitete Nahkampf im westlichen Priesterwalde dauerte die folgenden Tage und Nächte ohne Unterbrechung an. Er schreitet langsam, aber für uns günstig fort. In den Vormittagsstunden des 19. gelang es hier unseren Truppen, zwei Blockhäuser und die anschließenden Grabenstücke in die Luft zu sprengen, wodurch unsere Stellung weiter vorgeschoben werden konnte. Hierbei erlitten die Franzosen nicht unbeträchtliche Verluste, während uns der gewonnene Erfolg keinen einzigen Mann kostete. Der 15. April brachte zwei abends unternommene französische Angriffe im Ailly-Walde, die beide - der zweite bereits bei der Entwicklung - in unserem Feuer zusammenbrachen. Ebenso wurden zwei Vorstöße des Gegners nördlich Flirey in der Nacht zum 17. April abgewiesen. Wiederholt wurde in diesen Tagen an verschiedenen Stellen, so an der Combreshöhe bei Flirey und gegenüber dem Walde Mort-Mare beobachtet, daß die Franzosen Gruppen in den vordersten Gräben bereitstellen. Zu Angriffen kam es nicht. Der Artillerie fiel auf beiden Seiten in den Tagen vom 14. bis zum 19. April die Haupttätigkeit zu.

 

Eine sozialdemokratische Kriegstagung

Berlin, 20. April. (Priv.-Tel. )
Im "Vorwärts" teilt der sozialdemokratische Parteivorstand folgendes Ergebnis einer Konferenz der Sozialdemokratie Deutschlands und Österreich-Ungarns mit, die in Wien stattgefunden hat:
"Die Vertreter der Sozialdemokratie Deutschlands, Österreichs und Ungarns haben am 12. und 13 April eine Aussprache gehabt, bei der sich volle Übereinstimmung in ihrer Auffassung ergab. Trotz der langen Dauer des Krieges sind die Völker in allen Ländern unbeugsam entschlossen, mit aller Kraft ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu verteidigen. Aber der Krieg - unerhört in Ausdehnung, Heftigkeit und Dauer - hat über die Menschheit überall entsetzliches Elend gebracht, Millionen von Leben vernichtet, unermeßliche durch die Arbeit von Generationen aufgehäufte Kulturgüter zerstört. In verhängnisvoller Weise hat sich die Voraussage unserer bewährtesten Kenner der Wirtschaft und Geschichte auf allen internationalen sozialistischen Kongressen nunmehr bewahrheitet, daß das fortgesetzte Wettrüsten zu einer Weltkatastrophe führen werde. Am meisten leidet überall naturgemäß das Proletariat, insbesondre auch unter den wirtschaftlichen Folgen des Krieges. So muß in gleicher Weise in allen Ländern, nicht nur in den kriegführenden, sondern auch in den neutralen, die Sehnsucht nach Beendigung des Krieges und nach dem Frieden anwachsen. Insbesondere wird beim Herannahen des Maitages der Gedanke an die Solidarität aller Völker lebendiger als je die Herzen der klassenbewußten Arbeiter aller Länder erfüllen. Die sozialdemokratischen Parteien, die von jeher und ihrem Wesen nach für die Verbrüderung der Völker wirken, sind die berufenen Verkünder der Friedensehnsucht. Diese entspricht dem Willen und der Kraft der Selbstbehauptung, nicht etwa dem Gefühl der Schwäche. Daraus aber folgt die Notwendigkeit, daß nur ein Friede nötig ist, der kein Volk demütigt, daß nur ein solcher Friede das dauernde Zusammenarbeiten aller Kulturvölker gewährleisten wird.
Die bei der Zusammenkunft vertretenen Parteien stehen auf dem Boden der Beschlüsse der internationalen Sozialistenkongresse, insbesondere des Kopenhagener Kongresses von 1910 und halten in diesem Sinne beim Friedensschluß folgende Sicherungen für notwendig:
Den Aufbau der internationalen Schiedsgerichte zu obligatorischen Einrichtungen zum Zwecke der Schlichtung aller Streitigkeiten zwischen den einzelnen Staaten. Die Unterwerfung aller Staatsverträge und Vereinbarungen unter die demokratische Kontrolle der Volksvertretungen. Die internationale vertragsmäßige Einschränkung der Rüstungen mit dem Ziel der allgemeinen Abrüstung. Die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes aller Völker.
Weiter erklären die Vertreter der sozialdemokratischen Parteien Deutschlands, Österreichs und Ungarns: Die Tatsache, daß die sozialdemokratischen Parteien der kriegführenden Länder ihr Land und Volk verteidigen, darf kein Hindernis dafür sein, die internationalen Beziehungen aller sozialdemokratischen Parteien zueinander aufrecht zu erhalten sowie die Tätigkeit ihrer internationalen Einrichtungen fortführen."
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der Stillstand der Karpathenschlacht

Wien, 20. April.
Amtlich wird verlautbart:
Die allgemeine Situation ist vollkommen unverändert.
Entlang der ganzen Front vereinzelte Artilleriekämpfe.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 20. April. (W. B.)
Das Große Hauptquartier gibt bekannt:
Die Kämpfe an der kaukasischen Front dauern seit drei bis vier Tagen an. In der Nähe der Grenze endeten sie in der Umgebung von Milos zu unseren Gunsten. Der Feind wurde nach der Grenze hin zurückgeworfen. - Gestern versuchte eine Flottille von feindlichen Torpedobooten sich den Dardanellen zu nähern. Durch unser Feuer sind sicher zwei feindliche Torpedoboote getroffen worden. Daraufhin zog sich die Flottille zurück. Ein türkischer Flieger warf bei einem Erkundungsfluge über Tenedos mit Erfolg Bomben auf die feindlichen Schiffe und kehrte trotz des auf ihn eröffneten Feuers heil zurück. - Das türkische Torpedoboot "Timur Hissar" griff am 17. April mit vollem Erfolg das englische Transportschiff "Manitou" im Ägäischen Meere an; die englische Admiralität gibt zu, daß 100 englische Soldaten des Transporters ertranken. Darauf wurde unser Torpedoboot bei Chios von englischen Kreuzern und Torpedobootszerstörern verfolgt. Die Besatzung des "Timur Hissar" sprengte das Schiff, um es nicht in die Hand des Feindes fallen zu lassen, in die Luft. Die Besatzung ist von den griechischen Behörden sehr freundschaftlich aufgenommen worden. - Auf den übrigen Fronten ereignete sich nichts Wichtiges.

Konstantinopel, 20. April. (W. B.)
Das Hauptquartier teilt mit:
Nachträglich haben wir Sicherheit darüber, daß sich unter den sechs feindlichen Torpedobooten, welche vorgestern Nacht in die Straße der Dardanellen einzudringen versuchten, vier Minensuchboote befanden, und daß zwei von den feindlichen Booten durch unsere Granaten getroffen wurden und in der Meerenge sanken.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im April 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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