Der Weltkrieg am 22. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Neue heftige Kampfe in Polen -
Abgeschlagene französisch-englische Angriffe

Großes Hauptquartier, 22. Dezember.
Bei Nieuport und in Gegend Ypern herrschte im allgemeinen Ruhe.
Zur Wiedererlangung der am 20. Dezember verlorenen Stellungen bei Festubert und Givenchy machten die durch französische Territorials verstärkten Engländer gestern und heute nacht verzweifelte Vorstöße, die zurückgewiesen wurden. In Gegend Richebourg gelang es ihnen, in ihren alten Stellungen wieder Fuß zu fassen.
Die gestrigen Angriffe der Franzosen in Gegend Albert, nordöstlich Compiègne, bei Souain und Perthes wurden unter schweren Verlusten für sie abgeschlagen.
Im westlichen Teil der Argonnen nahmen wir einige Schützengräben; östlich der Argonnen, nordwestlich und nördlich Verdun wurden die französischen Angriffe zum Teil unter schwersten Verlusten für die Franzosen leicht zurückgewiesen.
Aus dem östlichen Kriegsschauplatz ist die Lage in Ost- und Westpreußen unverändert.
In Polen stehen unsere Truppen in heftigen Kämpfen um den Bzura- und Rawkaabschnitt. An vielen Stellen ist der Übergang über diese Abschnitte schon erzwungen.
Aus dem rechten Ufer der Pilica steht der Kampf der verbündeten Truppen noch.
Wir haben leider erst nach der Veröffentlichung festgestellt, daß der gestern bekanntgegebene Befehl des französischen Generals Joffre vom 17. Dezember 1914 folgenden Nachsatz hatte:
"Der Befehl ist heute abend allen Truppen bekanntzugeben und zu verhindern, daß er in die Presse gelangt."

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Ein feindlicher Flieger über Straßburg

Straßburg, 22. Dezember. (W. B.)
Heute Nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr erschien ein feindlicher Flieger über unserer Stadt und ließ in der Nähe der Illkircher Mühlenwerke eine Bombe fallen, die einen leeren Schuppen und Fenster eines Getreidespeichers beschädigte. Einige Sprengstücke fielen in den Handelshafen. Verletzt wurde niemand. Der Flieger, der sich in 1500 bis 1700 Meter Höhe bewegte, wurde beschossen.
2)

 

Ein deutscher Flieger über Dover

Köln, 22. Dezember. (Priv.-Tel.)
Der Berichterstatter der "Kölnischen Zeitung" meldet: Der Marineflieger Oberleutnant v. Prondzynski ist heute Vormittag von einem Ort an der belgischen Seeküste zu einem Flug nach Dover aufgestiegen. Er erreichte Dover, warf dort mehrere Bomben ab, deren eine den Hafenbahnhof getroffen haben dürfte, und kehrte nach einstündigem Fluge zurück.
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Vergebliche russische Angriffe in Galizien

Wien, 22. Dezember, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
In den Karpathen wird nahe südlich des Gebirgskammes im Gebiete der Flüsse Nagy-Ag, Latorcza und Ung gekämpft.
In Galizien gingen die Russen gestern wieder zum Angriff über, ohne jedoch durchdringen zu können; namentlich am unteren Dunajec hatten sie schwere Verluste. An der Nida und im Raume südlich Tomaszow entwickelten sich kleinere Gefechte. Die Kämpfe im Vorfelde von Przemysl dauern fort.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
1)

 

 Der türkische Heeresbericht:

Der Krieg im Orient

Konstantinopel, 22. Dezember. (W. B.)
Das Hauptquartier teilt mit:
An der kaukasischen Front überraschten unsere Treppen die Russen durch einen Nachtangriff in ihren Stellungen bei El Agös und Arhi, 30 Kilometer östlich von Kapriköi. Der Feind erlitt schwere Verluste an Toten und Verwundeten und ergriff die Flucht.
Die indischen Besatzungstruppen von Ägypten desertieren massenweise und laufen mit den Waffen zu uns über.
2)

 

Ägypten

London, 22. Dezember. (Priv.-Tel.)
Die Engländer haben das neue Ministerium Ägyptens zusammengestellt. Es ist eine Rekonstruktion des alten Ministeriums und enthält keine neuen Namen. Hussein Ruchdi-Pascha wird erster Minister und behält das Portefeuille des Innern. Die Minister für Erziehung, öffentliche Arbeiten, Finanzen und Justiz bleiben dieselben. Adli Yeghen-Pascha, der zuvor Minister des Äußern war, wurde Ackerbauminister, und Ismael Sidki-Pascha, der das Ackerbauministerium innehatte, wird Minister der frommen Stiftungen. Der frühere Minister der frommen Stiftungen, Muhammed Mohel-Pascha, der sich gegenwärtig in Italien befindet, ist der einzige Minister, der nicht wieder auf der Liste fungiert. Dies hat seine Ursache darin, daß das Ministerium des Äußern abgeschafft worden ist, für das, wie die "Times" sagt, keine raison d´être mehr vorhanden ist.

London, 22. Dezember. (W. B.)
Die "Times" meldet aus Kairo:
Der Sultan hat an den Premierminister Ruchdi Pascha ein Schreiben gerichtet, in dem er ihm mitteilt, daß die britische Regierung ihn zum Khediviat mit dem Titel "Sultan" berufen und er die Berufung angenommen habe. Der Thron werde sich in der Familie Mechemed Alis vererben. Der Sultan erklärt ferner, er wünsche das Programm wirtschaftlicher und anderer Reformen, das bereits begonnen sei, fortzusetzen, und beabsichtige, die Bevölkerung in wachsendem Maße zur Anteilnahme an der Regierungsarbeit heranzuziehen. Am 19. Dezember mittags wurden in Kairo und Alexandrien 101 Salutschüsse gelöst und die neue ägyptische Flagge auf den Regierungsgebäuden gehißt. Die Flagge führt drei weiße Halbmonde im roten Felde, in deren Rundung sich je ein weißer, fünfzackiger Stern befindet. Die Halbmonde stehen mit dem Rücken gegen den Flaggenmast.

London, 22. Dezember. (W. B.)
Der König hat an den Sultan von Ägypten ein Begrüßungstelegramm gerichtet, in dem er ihn seiner Freundschaft und Unterstützung in seiner Regierungstätigkeit versichert. Der Sultan dankte telegraphisch.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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