Die
zweite Kriegstagung des Reichstages
Ein
Dank des Kaisers
Zu
Beginn der Sitzung teilte der Präsident Dr. Kämpf mit, daß er aus Anlaß
des Falles von Tsingtau an den Kaiser ein Telegramm gerichtet habe, in dem
er die Gefühle des Reichstags aus diesem Anlaß ausdrückte, und daß er
darauf vom Kaiser folgendes Telegramm erhalten habe:
"Ich
danke Ihnen für den Ausdruck der Gefühle des Schmerzes und des
Vertrauens auf die Zukunft, von welchem der Reichstag und alle deutschen
Herzen angesichts des Falles von Tsingtau erfüllt sind. Die heldenmütige
Verteidigung der in langjähriger Arbeit geschaffenen Musterstätte
deutscher Kultur bildet ein neues Ruhmesblatt für den Geist der Treue
bis zum Tode, den das deutsche Volk mit seinem Heere und seiner Flotte
in dem gegenwärtigen Verteidigungskampf gegen eine Welt von Haß, Neid
und Begehrlichkeit schon so mannigfach, will Gott nicht vergeblich, betätigt
hat.
Wilhelm
I. R."
Die
Rede des Reichskanzlers
Meine
Herren, Seine Majestät der Kaiser, der draußen bei der Armee ist, hat
mich beauftragt, der deutschen Volksvertretung, mit der er sich in Sturm
und Gefahr und der gemeinsamen Sorge für das Wohl des Vaterlandes bis zum
Tode eins weiß, seine besten Wünsche und seine herzlichsten Grüße zu
überbringen (lebhafter Beifall) und zugleich in seinem Namen von
dieser Stelle aus der ganzen Nation Dank zu sagen für die beispiellose
Aufopferung und Hingabe, für die gewaltige Arbeit, die draußen und
daheim von allen Schichten des Volkes ohne Unterschied geleistet worden
ist und weiter geleistet wird. (Erneuter lebhafter Beifall.)
Auch unsere Gedanken gelten zuerst dem Kaiser, der Armee, der Marine,
unseren Soldaten, die draußen auf dem Felde und auf hoher See für die
Ehre und die Größe des Reiches kämpfen. (Bravo !) Voller Stolz
und mit felsenfestem Vertrauen blicken wir auf sie (stürmischer
Beifall), blicken wir zugleich auf unsere österreichisch-ungarischen
Waffenbrüder, die treu mit uns vereint in glänzend bewährter Tapferkeit
den großen Kampf kämpfen...
Den
gesamten Text der Rede
Die
Erklärung der Sozialdemokraten
Hugo
Haase
Abg.
Haase:
Im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Reichskanzlers über
Belgien, will ich namens meiner Fraktion feststellen, daß die nachträglich
bekannt gewordenen Tatsachen nach unserer Überzeugung nicht ausreichen,
um von unserem Standpunkt vom 4. August abzugehen. Die sozialdemokratische
Fraktion steht auch heute noch auf dem Standpunkt ihrer Erklärung
vom 4. August über den Krieg, dessen tiefere Ursachen ökonomische
Gegensätze bilden. Noch sind die Grenzen unseres Landes von feindlichen
Truppen bedroht; daher muß das deutsche Volk auch heute noch seine ganze
Kraft für den Schutz des Landes einsetzen. Die Sozial-Demokratie billigt
deshalb die geforderten neuen Kredite. In dankbarer Erinnerung gedenken
wir aller derer, die Leben und Gesundheit für das Wohl des Vaterlandes
hingegeben haben. Wie am 4. August stehen wir auch heute noch in Übereinstimmung
mit der Internationale auf dem Standpunkt, daß ein jedes Volk ein unvergängliches
Recht auf Integrität und Unabhängigkeit hat. Diese bei fremden Nationen
antasten, hieße den Keim zu neuen Kriegen legen.
Wir bleiben deshalb bei dem, was wir am 4. August gesagt haben. Wir
fordern, daß dem Kriege, sobald das Ziel erreicht und der Gegner zum
Frieden geneigt ist, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der
geeignet ist, zur Freundschaft mit den anderen Völkern zu führen. Wir
verlangen, daß für alle Angehörigen und Hinterbliebenen der
Kriegsteilnehmer in ausreichendster Weise gesorgt wird und daß den
Arbeitslosen und den wirtschaftlich in Bedrängnis Geratenen
Arbeitsgelegenheit und Hilfe zuteil wird. Ferner muß dafür Sorge
getroffen werden, daß das Volk hinreichend mit Nahrung und
Gebrauchsgegenständen versorgt wird. Die Anregungen der Gewerkschaften über
soziale Maßnahmen sind ja bei der Reichsregierung zum Teil auf guten
Boden gefallen, aber es muß noch mehr geschehen. Wir bedauern bei dem
einmütigen Zusammengehen aller Volksgenossen die Beschränkung der
verfassungsmäßigen Rechte. Ganz besonders die Beschränkung der
Pressefreiheit ist durch nichts gerechtfertigt. (Sehr richtig, bei den
Sozialdemokraten.)
Sie ist geeignet, Zweifel in die Reife und Entschlossenheit des deutschen
Volkes zu setzen. Die Zensur führt zu Mißgriffen und wirtschaftlichen
Schädigungen. Wir fordern schleunigste Abhilfe im Interesse der
geschlossenen Verteidigung, des Ansehens und der Wohlfahrt des deutschen
Vaterlandes! (Beifall.)
Die
Erklärung der übrigen Parteien
Dr.
Peter Spahn
Abg.
Spahn (Zentrum):
Namens sämtlicher übrigen Parteien des Hohen Hauses (lebhafter
Beifall) habe ich folgende Erklärung abzugeben: Auch wir haben
zahlreiche Wünsche der Gesetzgebung zu unterbreiten. Wir sind fest
entschlossen, die soziale Fürsorge für alle Kriegsteilnehmer und für
die durch den Krieg Geschädigten sorgsam auszubauen. (Beifall.)
Dankbar gedenken wir auch derer, die durch den Feind schwere Wunden
erlitten haben (Beifall). Aber heute kommt es nicht darauf an;
heute gilt es der Rücksicht auf das Wohl des deutschen Vaterlandes alles
andere hintanzustellen. (Beifall.) In dem uns freventlich
aufgedrungenen Kriege wollen wir durchhalten, bis ein Sieg errungen ist,
der den ungeheuren Opfern entspricht (lebhafter Beifall) und der
uns dauernden Schutz für alle Zeiten gewährleistet! Zu unseren braven
Soldaten in Heer und Flotte, die Schulter an Schulter mit den verbündeten
Truppen kämpfen, haben wir dankerfülltes Vertrauen, daß der Kampf bis
zu diesem Ziele geführt wird. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)
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