Der
Zustand Belgiens
Berlin
9. September. (W. B. Nichtamtlich.)
Die "Nordd. Allgem. Ztg" bringt eine weitere ausführliche
Schilderung des Direktors der Deutschen Bank Dr. Helfferich über
den Zustand Belgiens. Dr. Helfferich sagt u. a.: Einige Ortschaften sind
völlig zerstört; teils ist in diesen Ortschaften heftig gefochten
worden, zum anderen Teile erfolgte die Zerstörung wegen heimtückischer
Überfälle nach friedlicher Kapitulation. So wurde die kleine
Stadt Battice niedergebrannt, weil der Bürgermeister des Ortes nach
einer Bewillkommungsansprache den Führer der deutschen Abteilung
niederschoß. Gleichzeitig wurde aus allen Fenstern ein wütendes
Feuer auf die in den Straßen haltenden deutschen Kolonnen eröffnet.
Dagegen ist der große Industrieort Verviers völlig unversehrt.
Die Stadt Lüttich selbst zeigt nur an wenigen Stellen Spuren des
Krieges. Gegenüber der Universität sind allerdings eine Anzahl
Häuser zusammengeschossen, weil nach der Besetzung der Stadt auf
unsere Soldaten von hier geschossen wurde, wie behauptet wurde, von russischen
Studenten. Die schönste Brücke Lüttichs und die meisten
Brücken im Maastal sind von den Belgiern ganz zweckloser Weise selbst
gesprengt worden. Unsere Truppen errichteten in kürzester Zeit Notbrücken.
Zwischen Lüttich und Tirlemont, wo unsere Truppen in breiter Front
sich vorwärts bewegten, sieht es bis auf wenige Stellen friedlich
aus, als ob nie der Fuß eines feindlichen Soldaten die Gegend betreten
hätte. Nirgends hat man den Eindruck, als ob unsere Truppen ohne
Not zerstört und verbrannt hätten. Tirlemont selbst ist gänzlich
unversehrt. Von Löwen ist lediglich derjenige Stadtteil niedergebrannt,
in dem die heimtückischen Überfälle und die anhaltenden
Straßenkämpfe stattgefunden haben. Unsere Truppen selbst versuchten
zu retten, was zu retten war. In der Stadt Brüssel ist keinem menschlichen
Wesen auch nur ein Haar gekrümmt worden. Das Eigentum der Bürger
wird auf das peinlichste respektiert; Requisitionen der Truppen wie alle
Einkäufe der einzelnen Soldaten erfolgen gegen bare Bezahlung. Das
große Industriebecken von Charleroi ist so gut wie vollständig
verschont geblieben. Alle Fabriken und Werke sind intakt. In der weiteren
Umgegend von Maubeuge sind die großem Ortschaften im wesentlichen
unberührt, dagegen sind die Zerstörungen in der näheren
Umgebung, soweit sie im Bereich der Geschütze der Festung liegt,
erheblich.
An dieser Stelle schaltet Dr. Helfferich ein, daß die bei den Ausfällen
aus Maubeuge gefangenen englischen Soldaten übereinstimmend aussagten,
daß sie ihre scharfe Munition aus einem in Maubeuge eingerichteten
Depot erhielten, wobei zu beachten ist, daß das englische Gewehrkaliber
nicht mit dem französischen identisch ist, daß also speziell
die Munition für die englischen Truppen bereitgehalten worden war.
Bei den englischen Soldaten wurden große Mengen von Dum-Dum- Geschossen
vorgefunden. In der Gegend zwischen Sambre und Maas kehrten die Einwohner
zurück. Nachdem dort erbitterte Kämpfe stattgefunden hatten,
haben sich die Einwohner überzeugt, daß der deutsche Soldat,
solange man ihm nichts ans Leben geht, der friedlichste Mensch der ganzen
Welt ist. Im Tal der Maas wurde Dinant total zerstört, weil unsere
Truppen nach friedlicher Kapitulation der Stadt und mehrtägigem Aufenthalt
plötzlich von allen Seiten her von den Einwohnern beschossen wurden.
Aus dem gleichen Grunde mußte die Zerstörung eines großem
Teils der Stadt Ardenne erfolgen. Den meisten übrigen Orten des Maastales
ist von den Schrecken des Krieges nichts anzumerken. Der Gesamteindruck
ist, daß unsere Truppen nur dort zerstört haben, wo die bittere
Notwendigkeit des Gefechtes es verlangte oder wo das Verhalten der Einwohnerschaft
die schwersten Repressalien nötig machte. An zahlreichen Stellen
ist es klar ersichtlich, daß unsere Truppen geradezu bemüht
waren, die Zerstörungen auf den notwendigen Umfang zu beschränken
und alles, zu schonen, was geschont werden durfte. Eine der wichtigsten
Aufgaben des deutschen Generalgouvernements wird sein, den wirtschaftlichen
Betrieb, die Landwirtschaft, die Industrie und das kaufmännische
Gewerbe, wieder in Gang zu bringen.
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