Der Weltkrieg am 13. August 1914

 

Freiwillige vor für die Fliegertruppe! 

Das Kriegsministerium erläßt folgenden Aufruf:

"Die glänzende Entwicklung unseres nationalen Flugwesens darf durch den Krieg nicht zum Stillstand kommen, sie muß im Gegenteil mit allen Mitteln weiter gefördert werden, damit die jüngste Waffe mit vollem Erfolge für die Verteidigung des Vaterlandes miteingesetzt werden kann. Der Nachschub von Flugzeugen an die Armee und die Marine ist durch besondere Maßnahmen gesichert worden. Die Verwendung der Zivilpiloten im Heeres- und Marinedienst ist eingeleitet. Die Fliegerschulen setzen ihren Ausbildungsbetrieb fort. Aber die Möglichkeit großer Abgänge, mit denen im Kriege naturgemäß noch mehr als im Frieden zu rechnen ist, zwingt zu rechtzeitiger Vorsorge für die Ausbildung weiterer Flugzeugführer für den Kriege. Die Meldungen von Kriegsfreiwilligen überschreiten zwar, wie bei allen Waffen, so auch bei der Fliegertruppe, den augenblicklichen Bedarf weitaus. Indessen muß hier eine besonders sorgfältige Auswahl getroffen werden und auch von den Ausgewählten werden im Laufe der Ausbildung noch viele zurücktreten müssen. Es kommt deshalb darauf an von vornherein die Geeigneten als Kriegsfreiwillige einzustellen, d. h. Solche, die neben der erforderlichen Intelligenz und tüchtigen Charaktereigenschaften im besonderen auch schon Vorkenntnisse in der Bedienung und Pflege von Flugmotoren besitzen. Solche Persönlichkeiten werden sich namentlich unter den Studierenden der Techn. Hochschulen und anderer technischer Lehranstalten finden, die sich diesem Sonderfach zugewendet haben. Außerdem werden geübte Mechaniker und Monteure gebraucht. Kriegsfreiwillige melden sich zur Ausbildung als Flugzeugführer oder
zur Einstellung als Hilfsmonteure bei der Königlichen Inspektion der Fliegertruppen in Berlin-Schöneberg, Alte Kaserne (Fiskalische Straße),
Auswärtige schriftlich.

 

Hofrat Kattner ermordet

Berlin, 13. August. (Priv.-Tel.)
Hofrat Alfred Kattner, der seit mehr als 30 Jahren im deutschen konsularischen und diplomatischen Dienst in Rußland tätig war und der bei der kürzlichen Abreise der deutschen Botschaft zurückgelassen worden war, ist, wie der "Lokal-Anzeiger" mitteilt, vom Petersburger Pöbel ermordet worden. Die Volksmassen konnten ungehindert in das Botschafterpalais eindringen, haben den Beamten niedergemacht, die Räume geplündert und dann das Gebäude in Brand gesteckt. Dann erst kam Polizei und Feuerwehr.

Dazu die "Frankfurter Zeitung":
Dem Petersburger Pöbel, der in den Tagen vor der Kriegserklärung johlend und singend die ganzen Nächte hindurch die Straßen durchzog, was dann der Welt als begeisterte Kundgebungen des Volkes verkündet wurde, war jede Schandtat zuzutrauen. Der Russe ist gutmütig wie ein Wilder, aber auch tückisch und grausam wie dieser. Daß aber die Polizei, die in Petersburg alles beherrscht, ein Haus, das auch nach der Kriegserklärung unter dem Schutz uralter Rechte internationaler Gastlichkeit stand, das unmittelbar der Obhut der Vereinigten Staaten von Amerika anvertraut war, diesen Banden von Verbrechern, von denen freilich ein Teil wohlgekleidet schienen, ungehindert preisgab, das übersteigt doch alles, was man selbst von dieser elendesten Hüterin einer Ordnung befürchten mußte. Das Haus der deutschen Botschaft liegt mitten in dem Viertel Petersburgs, wo um den kaiserlichen Winterpalast die Gebäude der Ministerien vereinigt sind, hat die Isaakskathedrale, die vornehmste Kirche der Stadt, und den Palast des Reichsrats zu Nachbarn. Starke Polizeiaufgebote sind immer um all diese Anstalten versammelt. Von einer Überraschung der Polizei kann daher keine Rede sein, sie hat den Überfall auf das Botschaftsgebäude zum mindesten geduldet. Wenn sie aber zuließ, daß ein Haus, in dem bei der natürlich eiligen Abreise gewiß Wertsachen zurückgeblieben waren, wo eine prunkvolle Ausstattung der Räume gar nicht entfernt werden konnte, vom Pöbel geplündert wurde, so darf man schon fast mit Bestimmtheit sagen, daß sie dies nicht nur geduldet, sondern daß sie selber damit einverstanden war. Die materiellen Schäden wird die russische Regierung später vergüten müssen, und den Bruch des Völkerrechts wird man ihr dabei auch anzurechnen wissen. Den Meuchelmord an Hofrat Kattner aber kann sie nicht wieder gut machen. Der Beamte, der zur Bewachung des Hauses zurückgeblieben war, stand unter völkerrechtlichem Schutz. Noch niemals ist eine ähnliche Schandtat in Europa geschehen. Auch in Paris blieb 1870 ein deutscher Beamter in der Botschaft, wo er trotz aller Greuel der Belagerung respektiert wurde. Die russische Regierung erst hat den Schandfleck einer solchen Tat auf sich geworfen. Vor der ganzen Welt hat sie damit kundgetan, daß sie eine Macht der Barbarei und Finsternis vertritt.
Wer den freundlichen alten Herrn gekannt hat, der von einer feigen Mordbande hingemeuchelt wurde, kann ein persönliches Gefühl schmerzlicher Teilnahme nicht unterdrücken. Hofrat Kattner war einer der aufrichtigsten Freunde Rußlands. Er hatte eine große und wertvolle Bibliothek über Rußland gesammelt, er hatte sich Freunde nicht nur in deutsch-russischen Kreisen erworben. Der Ausbruch des Krieges traf ihn persönlich aufs schwerste, da er bis zum letzten Augenblick hoffte, die Verblendung der Kriegspartei werde von Erwägungen der Vernunft überwunden, die Rußland ein freundschaftliches Verhältnis zu Deutschland zur Lebensnotwendigkeit machten.

 

Englands Kriegserklärung an Österreich-Ungarn

Wien, 13. Aug. (W. B.)
Heute Mittag 1½ Uhr ist der englische Botschafter im Ministerium des Auswärtigen erschienen und hat erklärt, daß sich England von gestern (Mittwoch Mitternacht) an als mit Österreich-Ungarn im Kriegszustand befindlich betrachte. Gleichzeitig hat der Botschafter seine Pässe gefordert.

Wien, 13. Aug. (W. B.)
Das Wiener Corr.-Bureau teilt mit, daß die englische Kriegserklärung in folgender Form erfolgt ist. Der Botschafter Großbritanniens erschien im Ministerium des Äußern, um zu erklären, daß Frankreich sich als im Kriegszustand mit Österreich-Ungarn befindlich betrachte,  da dieses den Bundesgenossen Frankreichs, Rußland bekämpfe und Frankreichs Feind, das Deutsche Reich, unterstütze. Zugleich erklärte der Botschafter, daß mit Rücksicht auf das Verhalten Frankreichs auch Großbritannien sich als im Kriegszustande mit der Monarchie befindlich betrachte.

 

Die "Breslau"
"Breslau"

Ausfahrt von "Goeben" und "Breslau" aus Messina

München, 13. Aug. (Priv.-Tel.)
Über die Ausfahrt "Goeben" und der "Breslau" aus Messina erzählt ein Augenzeuge den "Münchner Neuesten Nachrichten" folgendes: Die "Goeben" und die "Breslau" lagen im Hafen, die "Goeben" als Prachtschiff neuester Konstruktion. Die Neutralität Italiens sicherte völkerrechtlich nur einen vierundzwanzigstündigen Aufenthalt. In aller Ruhe nahmen sie Kohlen ein und rüsteten sich zur Abfahrt aus dem Hafen. Der Hafendamm war weithin schwarz voll Menschen. Man wußte, daß die feindlichen Schiffe die deutschen Kreuzer erwarten würden. Die deutsche Flagge sinkt mit dem Schiff, aber sie wird nicht heruntergeholt. Der Kommandant ließ die Flagge oben am Mast Festnageln. Die Nationalhymne tönte von den Schiffen herüber, ein dreifaches Hurra der Mannschaft und langsam fuhren die Schiffe zum Hafen hinaus dem Feinde entgegen. Die Bevölkerung war aufs tiefste von diesem Heldenmut ergriffen.

 

Die Minen in der Nordsee

Berlin, 13. Aug.
Gegenüber anderslautenden englischen Nachrichten des Foreign Office ist das Wolffsche Telegraphenbureau von maßgebender Stelle ermächtigt, zu erklären, daß keineswegs in der Nordsee deutsche Kontaktminen gelegt sind, welche die neutrale Schiffahrt gefährden, sondern einzig und allein in unmittelbarer Nähe der englischen Küste.

 

Der Verkehr mit Konstantinopel

Wien, 13. Aug. (Agence Bulgare.)
Der Eisenbahnverkehr mit Konstantinopel ist wieder aufgenommen worden.

Der 1. Weltkrieg im August 1914

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

© 2005 stahlgewitter.com