Der Weltkrieg am 12. August 1914

 

Eine völkerrechtswidrige Beschlagnahme

Berlin, 12. Aug. (W. B.)
Der Dampfer "Prinz Eitel Friedrich" der neuen Dampferkompagnie Stettin, der am  30. Juli St. Petersburg verlassen mit Ladung für Stettin und gegen 40 Passagieren, ist am 31. Juli früh, also vor Kriegsausbruch, von russischer Seite beschlagnahmt und nach Reval gebracht worden. Die Passagiere wurden zwangsweise über Helsingfors-Torme abgeschoben.
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Die Blockade der montenegrinischen Küste 

Wien, 12. Aug. (W. B.) 
Gestern Mittag wurde über die montenegrinische Küste die effektive Blockade verhängt. Den Schiffen der befreundeten und neutralen Mächte wurde eine vierundzwanzigstündige Auslauffrist gewährt. Den ausländischen diplomatischen Vertretungen in Wien wurde die
Blockade notifiziert.

Rom, 12. Aug. (Priv.-Tel.) 
Österreich teilte der italienischen Regierung freundschaftlich mit, daß es die montenegrinische Küste blockieren werde. Italien erhebt keinen Einspruch. 
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Gefangene Franzosen in Frankfurt 

Frankfurt, 12. Aug. 
Nachdem in den letzten Tagen wiederholt Gefangenentransporte die Linie Frankfurt passiert haben, sind gestern die ersten gefangenen Franzosen, etwa 200 Mann Artilleristen und Infanteristen, in Frankfurt eingeliefert worden. Vom Südbahnhof wurden sie unter Begleitung von beritten Schutzleuten nach der Bethmannschule in der Seilerstraße gebrach, was in den Straßen, die der Zug passierte natürlich nicht geringes Aufsehen erregte. Unter den Gefangenen waren zwei Offiziere, die im Polizeigefängnis Unterkunft fanden. Seit heute früh ist die Bethmannschule von einem Heer von Neugierigen umlagert, das die enge Straße und die Promenadenwege sperrt, die an den Schulhof grenzen. Von einem Seitengang an der Promenade kann man durch das Hofgitter das Treiben im Innern beobachten. Ein Wachtkommando ist aufgeboten. Im Innern stehen die gefangenen Franzosen in ihrer malerischen Uniform, roten Käppis, blauen, frackartigen Röcken und und roten Hosen, zum Teil Pumphosen mit blauen Wickelgamaschen umher. Sie rauchen Zigaretten und führen lebhafte Unterhaltungen. Während beim Transport gestern Abend die Gefangenen von einigen übereifrigen Patrioten mit höhnischen Zurufen belästigt wurden, benahmen sich die vielen Hunderte in der  Seilerstraße und längs der Promenade auf den Augenblick warteten, in dem die einen Franzosen zu sehen bekommen, durchaus taktvoll. In den Gesprächen kommt zum Ausdruck, daß wir als Kulturvolk unsere Gefangenen menschlich zu behandeln haben, selbst dann, wenn das von dem Gegner nicht immer geschieht. Vermutlich bleiben die Gefangenen nicht in Franfurt, weil hier für solche Zwecke keine Lokalitäten vorhanden sind. Man wartet weitere Transporte ab und bringt alle zusammen nach einer östlichen Festung. 
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Von unserer kühnen Flotte 

Berlin, 12. Aug. (W. B.) 
Der Panzerkreuzer "Goeben" und der kleine Kreuzer "Breslau" sind am 5. August nach ihrer Unternehmung an der algerischen Küste in den neutralen italienischen Hafen von Messina eingelaufen und haben dort aus deutschen Dampfern ihre Kohlenvorräte ergänzt. Der Hafen wurde von englischen Streitkräften, die mit unseren Schiffen Fühlung bekommen hatten, bewacht, trotzdem gelang es den Schiffen, am Abend des 6. August aus dem Hafen von Messina die hohe See zu gewinnen. Weiteres läßt sich aus naheliegenden Gründen noch nicht mitteilen.
Deutsche Unterseeboote sind im Laufe der letzten Tage die Ostküste Englands und Schottlands entlang gefahren und bis zu den Shetlands-Inseln gelangt. Über das Ergebnis dieser Fahrt kann aus naheliegenden Gründen bis jetzt nichts mitgeteilt werden. 
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Ägypten erklärt den Krieg 

Rom, 12. Aug. (Priv.-Tel.) 
Aus Kairo wird gemeldet, der Ministerrat erklärte Ägypten mit Deutschland im Kriegszustand und vertraute das Land dem englischen Schutz an. Die englischen Streitkräfte können daher im ganzen Lande und allen Häfen Kriegsrechte ausüben. 
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Eine Proklamation des Sultans

Konstantinopel 12. Aug. (W. B.) 
Der Sultan hat folgende Proklamation an die Armee erlassen:
Während wir im Frieden für den Fortschritt unseres Vaterlandes arbeiteten, ist in Europa ein großer Krieg ausgebrochen. Um mit Gottes Hilfe unser Recht zu wahren, habe ich alle meine Kinder zu den Fahnen berufen. Noch vor Ablauf der ersten Mobilmachungswoche ist eine Anzahl junger Männer eingerückt. Die ersten Bedürfnisse der Armee sind gedeckt. Ich bin außerordentlich gerührt durch den Patriotismus, den mein Volk an den Tag gelegt hat. Ich ordnete an, daß die älteren unter den nichtausgebildeten Eingezogenen zur Zeit beurlaubt werden, bis sie neuerdings zu den Waffen gerufen werden, werden sie die Feldarbeiten der bei den Fahnen verbleibenden Kameraden mitversehen müssen. Meine Regierung will die Fortdauer des Friedens. Dank der Hilfe Gottes und seines Propheten bin ich sicher daß wir das Land und seine Rechte unter allen Umständen werden verteidigen und schützen können. Ich entbiete allen meinen Kindern meinen Gruß.
Die Proklamation schließt mit dem Ausdruck des Wunsches, daß die Soldaten ihren Vorgesetzten gehorchen und im Notfalle wie ein Mann in den Tod gehen. Der Sultan hoffe, daß die Armee ihre Pflicht tun werde.
Das Kriegsministerium begleitet die Proklamation des Sultans mit einem Tagesbefehl, in dem es heißt: 
Die unentwegte Ausdauer und Vaterlandsliebe, welche die Nation während der ersten Mobilmachungswoche an den Tag gelegt hat, ist ein gutes Vorzeichen für die ottomanische Armee. Diese ist verpflichtet, im gegebenen Augenblick große Opfer auf sich zu nehmen, um den Makel des Balkankrieges zu tilgen. Die Erhaltung des Kalifats und des Osmanentums hängt von den Verdiensten und der Selbstverleugnung der Armee ab. Der Tagesbefehl schließt mit Ratschlägen hinsichtlich der Pflichten der Offiziere und Soldaten.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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