Der Weltkrieg am 2. November 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der erfolgreiche Widerstand an der Aisne

Großes Hauptquartier, 2. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
An der Lysfront ist die Lage unverändert. Bei den letzten Kämpfen zeichneten sich hier das bayerische Infanterie-Regiment Nr. 11 und das Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 13 besonders aus. Südlich vor Deinze haben wir uns weiterer feindlicher Angriffe durch Ausweichen hinter die Schelde entzogen. Die Bewegungen wurden während der Nacht vom Gegner unbemerkt durchgeführt. Nach starkem Feuer gegen die geräumten Linien folgte der Feind und stand am Abend östlich von Deinze und westlich der Schelde in Gefechtsfühlung mit unseren Vorposten. Starke Angriffe der Engländer südlich von Valenciennes. Bei Aulnoy drang der Feind in unsere Linien ein und stieß bis an den Südrand von Valenciennes, auf Saultain und über Preseau hinaus, vor. Der von eigenen Panzerwagen und von Batterien des Feldartillerie-Regiments Nr. 71 besonders wirksam unterstützte Gegenangriff badischer Regimenter im Verein mit örtlichen Kampftruppen brachte uns wieder in den Besitz der Höhen südwestlich von Saultain und des Ortes Preseau. Versuche des Feindes, am Nachmittage in umfassendem Ansturm von Westen über die Schelde und von Süden her Valenciennes zu nehmen, scheiterten. In der Nacht haben wir die Stadt ungestört vom Gegner geräumt.
Heeresgruppen deutscher Kronprinz und Gallwitz:
Gewaltige Artillerieschlacht leitete Angriffe ein, die der Franzose und Amerikaner zur Öffnung der Aisnefront und zwischen den Argonnen und der Maas führte. Auf den Höhen westlich der Aisne zwischen La Selve und Herpy sind die Angriffe des Feindes gescheitert. Unsere Truppen haben hier wiederum in schwerem Kampf einen vollen Erfolg über die Franzosen errungen. Östlich von La Selve konnte der Gegner in dem wirksamen Feuer bayerischer Truppen nirgends unsere Linien erreichen. Auch brandenburgische Regimenter bei und westlich von Klein-Quentin schlugen den Feind vor ihren Linien ab. Bei Banogne trug das Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 93 die Hauptlast des Kampfes. In hartem Nahkampf warf es auch gestern wieder den Feind zurück. Östlich von Reconvrance schlugen pommersche, posensche und schlesische Regimenter den Feind vor ihren Linien ab. Auf den Höhen nordwestlich von Château Porcien haben die bewährten Regimenter der 17. Infanterie- und 50. Reserve-Division auch gestern ihre Stellungen gegen schwere Angriffe behauptet. Tatkräftiges Handeln des Oberleutnants v. Below vom Grenadier-Regiment Nr. 89 war für den Ausgang der Kämpfe von entscheidendem Einfluß. Die Höhe südwestlich von Fergeux wechselte mehrfach den Besitzer. Nach erfolgreichem Gegenangriff blieb sie in unserer Hand. Beiderseits von Rethel stieß der Feind bei Nanteuil und Ambly vorübergehend auf das Nordufer der Aisne vor. Gegenstöße warfen ihn auf das südliche Flußufer zurück.
Mit starken Kräften griff der Franzose in breiter Front beiderseits von Vouziers, sowie zwischen der Aisne und nördlich von Grandpré an. Bei Rilly nahmen wir unsere Vorposten auf das Nordufer der Aisne zurück. Bei Vonoq stieß der Feind über die Aisne auf die Höhen auf östlichem Flußufer vor. Versuche des Gegners. den Durchbruch auf Le Chesne zu erzwingen, scheiterten. Wir brachten ihn bei Neuville et Day und bei Terron an der Aisne zum Stehen. Die beiderseits von Vouziers teilweise sechsmal wiederholten Anstürme des Gegners scheiterten meist schon vor unseren Linien. Östlich von Vandy wurde der Feind im Gegenstoß wieder zurückgeworfen. In Falaise an der Aisne faßte er Fuß. Zwischen der Aisne und Grandpre wiesen wir die feindlichen Angriffe vor unseren Linien ab. Der Franzose hat somit auch auf dieser Angriffsfront trotz starken Kräfteeinsatzes nur bei Vonoq und Falaise unbedeutenden Geländegewinn erzielen können. Auf der 10 Kilometer breiten Angriffsfront zwischen Terron und Falaise waren am Abend unsere Linien wieder voll in unserer Hand. An der erfolgreichen Abwehr des Feindes haben Württemberger und Bayern, Regimenter der Garde, aus Hannover und Westfalen, thüringische und lothringische Regimenter, sowie Maschinengewehrscharfschützen-Abteilungen gleichen Anteil. Das Infanterie-Regiment Nr. 127 unter Oberstleutnant Schwab zeichnete sich besonders aus. Auch die seit Wochen angespannt tätigen Kraftfahrtruppen trugen durch rechtzeitiges Heranführen der Reserven zu dem erfolgreichen Ausgang der gestrigen Schlacht bei.
Zwischen der Aire und der Maas gelang es den in schmalen Angriffsstreifen angesetzten amerikanischen Divisionen in unsere Stellungen zwischen Thampigneulle und Aincreville einzudringen und beiderseits vor Bayonville über unsere Artillerielinien hinaus Boden zu gewinnen. Versuche des Gegners, von Bayonville aus unsere Front in Richtung auf Therorgues und auf Stenay aufzurollen, wurden vereitelt. Mit Einbruch der Dunkelheit kam der Kampf in der Linie Champigneulle - Sivry - östlich von Buzancy - südwestlich von Viller devant Dun - nordöstlich von Aincreville zum Stehen.

Der Erste Generalquartiermeister
    Gröner.
1)

 

Abbau der Kronrechte

Berlin, 2. November.
Der Kaiser hat bei dem Inkrafttreten der Verfassungsänderungen folgenden Erlaß an den Reichskanzler gerichtet:

Euerer Großherzoglichen Hoheit lasse ich in der Anlage den mir zur Ausfertigung vorgelegten Gesetzentwurf zur Abänderung der Reichsverfassung und der Gesetze, betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers, vom 17. März 1878, zur alsbaldigen Veröffentlichung wieder zugehen. Ich habe den Wunsch, bei diesem für die weitere Geschichte des deutschen Volkes so bedeutungsvollen Schritt zum Ausdruck zu bringen, was mich bewegt. Vorbereitet durch eine Reihe von Regierungsakten, tritt jetzt eine neue Ordnung in Kraft , welche grundlegende Rechte von der Person des Kaisers auf das Volk überträgt. Damit wird eine Periode abgeschlossen, die vor den Augen der künftigen Geschlechter in Ehren bestehen wird. Trotz aller Kämpfe zwischen überkommenen Gewalten und emporstrebenden Kräften hat sie unserem Volke jene gewaltige Entwicklung ermöglicht. die sich in den wunderbaren Leistungen dieses Krieges unvergänglich offenbart. In den furchtbaren Stürmen der vier Kriegsjahre aber sind alte Formen zerbrochen, nicht um Trümmer zu hinterlassen, sondern um neuen Lebensgestaltungen Platz zu machen. Nach dem Vollbringen dieser Zeit hat das deutsche Volk den Anspruch, daß ihm kein Recht vorenthalten wird, das eine freie und glückliche Zukunft verbürgt. Dieser Überzeugung verdanken die jetzt vom Reichstag angenommenen und erweiterten Vorlagen der verbündeten Regierungen ihre Entstehung. Ich aber trete diesen Beschlüssen der Volksvertretung mit meinen hohen Verbündeten bei, in dem festen Willen, was an mir liegt, an ihrer vollen Auswirkung mitzuarbeiten, überzeugt, daß ich damit dem Wohle des deutschen Volkes diene. Das Kaiseramt ist Dienst am Volke. So möge die neue Ordnung alle guten Kräfte freimachen, deren unser Volk bedarf, um die schweren Prüfungen zu bestehen, die über das Reich verhängt sind, und um aus dem Dunkel der Gegenwart mit festem Schritt eine helle Zukunft zu gewinnen.

gez.:
Wilhelm I. R.
gegengez.:
Max Prinz von Baden.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Räumung Italiens und Serbiens

Wien, 2. November.
An der italienischen Gebirgsfront werden unsere Truppen in planmäßiger Durchführung der Räumungsmaßnahmen die Stellungen wie zu Beginn des italienischen Krieges beziehen. In der venezianischen Ebene ist die Rückbewegung über den Tagliamento im Gange.
Die Räumung des gesamten serbischen Gebiets steht unmittelbar bevor.

  Der Chef des Generalstabes. 1)

 

Ungarn stellt den Kampf ein - Eine Proklamation des ungarischen Kriegsministers

Budapest, 2. November. 
Der Kriegsminister erließ folgende Proklamation: 
Soldaten! Nach mehr als vierjährigem ruhmreichen Kampf hat sich die verantwortliche ungarische Regierung infolge der kritischen Lage Ungarns und auf der Grundlage der neuen Weltanschauung, die die Herrschaft der Willkür stürzt und einen friedlichen Bund der Völker anstrebt, veranlaßt gesehen, den weiteren Kampf auf sämtlichen Kriegsschauplätzen einzustellen. Im Anschluß an den Beschluß der ungarischen Regierung habe ich gleichzeitig die hierauf bezüglichen Verfügungen getroffen. Ihr seid keine Besiegten. Ihr habt den schönsten Traum der lechzenden Menschheit verwirklicht. Der Weltfrieden, Euer wohlverdienter Preis, wird die Dankbarkeit des heutigen und der kommenden Geschlechter sein.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 8
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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