Die
Sonderfriedensverhandlungen mit Russland
v.
Kühlmann
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Graf Czernin
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Brest-Litowsk,
9. Januar.
Heute vormittag um 11 Uhr fand eine Vollsitzung statt, an der
sämtliche Delegationen und die ukrainischen Vertreter teilnahmen.
Der Großwesir Talaat Pascha eröffnete die Sitzung und übergab den
Vorsitz an den Staatssekretär v. Kühlmann. Dieser warf einen
Rückblick auf die Vorgeschichte und den bisherigen Gang der
Verhandlungen und schloß:
Soweit sich aus den vor der Arbeitspause geführten Verhandlungen
ein Urteil bilden läßt, halte ich die Schwierigkeiten materieller
Natur nicht für groß genug, um ein Scheitern des Friedenswerkes
und damit voraussichtlich die Wiederaufnahme des Krieges im Osten
mit seinen unabsehbaren Folgen für gerechtfertigt zu halten.
Hierauf führte der österreichisch-ungarische Minister des
Äußern, Graf Czernin u. a., zu den russischen Delegierten
gewendet, aus: "Sie, meine Herren, haben seinerzeit an uns die
Einladung für allgemeine Friedensverhandlungen ergehen lassen. Wir
haben dieselbe angenommen, und wir haben uns auf eine Basis für den
allgemeinen Frieden geeinigt. Auf dieser Basis haben Sie Ihren
Verbündeten ein zehntägiges Ultimatum gestellt. Ihre Verbündeten
haben Ihnen nicht geantwortet, und heute handelt es sich nicht mehr
um Verhandlungen zwecks eines allgemeinen Friedens, sondern eines
Separatfriedens zwischen Rußland und dem Vierbunde. Wenn die Herren
der russischen Delegation von den gleichen Intentionen beseelt sind,
so werden wir zu einem alle befriedigenden Ergebnisse gelangen; wenn
nicht, dann werden die Dinge ihren notwendigen Lauf nehmen, aber die
Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges fällt dann
ausschließlich auf die Herren der russischen Delegation."
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