Der
Verlauf der Waffenstillstandsverhandlungen mit Russland
Berlin,
10. Dezember.
Über den Verlauf der Verhandlungen über die Waffenruhe an der
Ostfront erfahren wir folgendes:
Zu Beginn der Verhandlungen mit der im Standort des Hauptquartiers
des Oberbefehlshabers Ost erschienenen russischen Delegation stellte
sich beim Austausch der Vollmachten heraus, daß diese auf beiden
Seiten lediglich dazu ermächtigten, über einen Waffenstillstand zu
verhandeln, nicht aber über den Frieden. Die russische Delegation
schlug vor, einen allgemeinen Waffenstillstand für alle Heere und
auf allen Fronten zu vereinbaren. Hierauf konnte unserseits nicht
eingegangen werden, da die Bundesgenossen Rußlands weder vertreten
waren noch den russischen Delegierten Vollmachten erteilt hatten, in
ihrem Namen zu sprechen.
Wir kamen daher überein, die Verhandlungen auf den Abschluß eines
Waffenstillstandes zwischen den Armeen der Verbündeten und dem
russischen Heere zu beschränken. Von russischer Seite ist hierbei
ausdrücklich hervorgehoben worden, daß der abschließende
Waffenstillstand den unmittelbaren Eintritt in Friedensverhandlungen
zum Zwecke haben solle, und zwar über einen allgemeinen Frieden,
zwischen allen Kriegführenden. Hiervon haben die Bevollmächtigten
der Verbündeten mit Befriedigung Kenntnis genommen. Sogleich in die
Erörterung von Friedensfragen einzutreten, war schon deswegen nicht
möglich, da die beiderseitigen Vollmachten hierzu nicht
ausreichten.
Am 2. Sitzungstage teilten die russischen Delegierten uns ihre
Vorschläge für den Waffenstillstand mit. Diese Bedingungen gingen
für ihre militärische Lage zum Teil ganz erstaunlich weit.
Die Russen verlangten beispielsweise die Räumung der Inseln im
Rigaischen Meerbusen, ohne ihrerseits die Zurückziehung ihrer
Truppen an irgendeiner Stelle der Front anzubieten. Ferner wollten
sie uns vorschreiben, für die ganze Dauer eines ihrerseits auf 6
Monate vorgesehenen Waffenstillstandes unsere Truppen in den
Schützengräben der Ostfront zu belassen.
Nicht einmal deren Zurückverlegung in Ruhequartiere sollte
gestattet sein. Auf solche Bedingungen konnten wir uns natürlich
nicht einlassen. Bei der Besprechung der einzelnen Punkte stellte
sich dann aber heraus, daß in allen außer in einer Frage eine
Einigung leicht zu erzielen war. Der einzige Punkt, für den wir
keine Lösung fanden, war die Frage der Inseln im Rigaischen
Meerbusen, deren Räumung natürlich außerhalb jeder Diskussion
steht.
Wie leicht an sich eine Einigung zu erzielen war, zeigte sich in dem
Augenblicke, als die russischen Delegierten erklärten, weitere
Instruktionen aus Petersburg einholen zu müssen; denn wir haben
daraufhin in kürzester Zeit und ohne auf ernstliche Schwierigkeiten
zu stoßen, eine Einigung über die Bedingungen der jetzt
eingetretenen zehntägigen Waffenruhe erzielt. In dieser
kurzfristigen Abmachung dürfen wir ein gutes Vorzeichen für die
Zukunft erblicken. 1) |