Die
Rede des Reichskanzlers über das Friedensangebot
Berlin,
12. Dezember.
In seiner heutigen Rede im Reichstage sagte Reichskanzler v.
Bethmann Hollweg unter anderem:
Rumäniens Eintritt in den Krieg sollte unsere und unserer Verbündeten
Stellung im Osten aufrollen, gleichzeitig sollte die große Offensive
an der Somme unsere westliche Front durchbrechen, sollten erneute italienische
Anstürme Österreich-Ungarn lahmlegen. Die Lage war ernst. Mit
Gottes Hilfe haben unsere herrlichen Truppen einen Zustand geschaffen,
der uns volle und größere Sicherheit bietet als je zuvor. (Lebhaftes
Bravo!) Die Westfront steht. Sie steht nicht nur, sie ist trotz des rumänischen
Feldzuges mit größeren Reserven an Menschen und Material ausgestattet,
als sie es früher war. (Bravo!) Gegen alle italienischen Diversionen
ist sehr nachdrücklich vorgesorgt. Und während an der Somme
und auf dem Karst Trommelfeuer erdröhnte, während die Russen
gegen die Ostgrenze Siebenbürgens anstürmten, hat Feldmarschall
v. Hindenburg in genialer Führung ohnegleichen und mit Truppen, die
im Wetteifer aller Verbündeten in Kampf- und Marschleistungen das
Unmögliche möglich gemacht haben (Lebhaftes Bravo!), die ganze
Westwalachei und die feindliche Hauptstadt genommen. (Lebhaftes Bravo!)
Den großen Geschehnissen zu Lande reihen sich die Heldentaten unserer
Unterseeboote würdig an. Geniale Führung und unerhört heldenhafte
Leistungen haben eherne Tatsachen geschaffen. Auch die innere Ermüdung,
mit der der Feind rechnete, war ein Trugschluß. Unseren bisherigen
Erklärungen der Friedensbereitschaft sind unsere Gegner abgewichen.
Jetzt sind wir einen Schritt weitergegangen.
In tiefstem sittlichen und religiösen Pflichtgefühl gegen sein
Volk und darüber hinaus gegen die Menschheit hält der Kaiser
den Zeitpunkt für eine offizielle Friedensaktion für gekommen.
Seine Majestät hat deshalb in vollem Einvernehmen und in Gemeinschaft
mit seinen hohen Verbündeten den Entschluß gefaßt, den
feindlichen Mächten den Eintritt in Friedensverhandlungen vorzuschlagen.
(Lebhaftes Bravo! - Bewegung.) Heute morgen habe ich den Vertretern derjenigen
Mächte, die unsere Rechte in den feindlichen Staaten wahrnehmen,
also den Vertretern von Spanien, den Vereinigten Staaten von Amerika und
der Schweiz eine entsprechende, an alle feindlichen Mächte gerichtete
Note mit der Bitte um Übermittlung übergeben. Das gleiche geschieht
heute in Wien, in Konstantinopel und Sofia. Auch die übrigen neutralen
Staaten und Seine Heiligkeit der Papst werden von unserem Schritt benachrichtigt.
Die Note hat folgenden Wortlaut:
"Der furchtbarste Krieg, den die Geschichte je gesehen hat, wütet
seit bald zwei und einem halben Jahr in einem großen Teil der Welt.
Diese Katastrophe, die das Band einer gemeinsamen tausendjährigen
Zivilisation nicht hat aufhalten können, trifft die Menschheit in
ihren wertvollsten Errungenschaften. Sie droht, den geistigen und materiellen
Fortschritt, der den Stolz Europas zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts
bildete, in Trümmer zu legen.
Deutschland und seine Verbündeten, Österreich-Ungarn, Bulgarien
und die Türkei, haben in diesem Kampfe ihre unüberwindliche
Kraft erwiesen. Sie haben über ihre an Zahl und Kriegsmaterial überlegenen
Gegner gewaltige Erfolge errungen. Unerschütterlich halten ihre Linien
den immer wiederholten Angriffen der Heere ihrer Feinde stand. Der jüngste
Ansturm im Balkan ist schnell und siegreich niedergeworfen worden. Die
letzten Ereignisse beweisen, daß auch eine weitere Fortdauer des
Krieges ihre Widerstandskraft nicht zu brechen vermag, daß vielmehr
die gesamte Lage zu der Erwartung weiterer Erfolge berechtigt.
Zur Verteidigung ihres Daseins und ihrer nationalen Entwicklungsfreiheit
wurden die vier verbündeten Mächte gezwungen, zu den Waffen
zu greifen. Auch die Ruhmestaten ihrer Heere haben daran nichts geändert.
Stets haben sie an der Überzeugung festgehalten, daß ihre eignen
Rechte und begründeten Ansprüche in keinem Widerspruch zu den
Rechten der anderen Nationen stehen. Sie gehen nicht darauf aus, ihre
Gegner zu zerschmettern oder zu vernichten.
Getragen von dem Bewußtsein ihrer militärischen und wirtschaftlichen
Kraft, und bereit, den ihnen ausgezwungenen Kampf nötigenfalls bis
zum äußersten fortzusetzen, zugleich aber von dem Wunsch beseelt,
weiteres Blutvergießen zu verhüten und den Greueln des Krieges
ein Ende zu machen, schlagen die vier verbündeten Mächte vor,
alsbald in Friedensverhandlungen einzutreten. Die Vorschläge, die
sie zu diesen Verhandlungen mitbringen werden, und die darauf gerichtet
sind, Dasein, Ehre und Entwicklungsfreiheit ihrer Völker zu sichern,
bilden nach ihrer Überzeugung eine geeignete Grundlage für die
Herstellung eines dauerhaften Friedens.
Wenn trotz dieses Anerbietens zu Frieden und Verföhnung der Kampf
fortdauern sollte, so sind die vier verbündeten Mächte entschlossen,
ihn bis zum siegreichen Ende zu führen. Sie lehnen aber feierlich
jede Verantwortung dafür vor der Menschheit und der Geschichte ab.
Die Kaiserliche Regierung beehrt sich die Regierung der ... durch die
geneigte
Vermittlung Eurer Exzellenz zu bitten, diese Mitteilung zur Kenntnis der
Regierung . . ..
bringen zu wollen."
(Bravo und Händeklatschen.)
Meine Herren! Im August 1914 rollten unsere Feinde die Machtfrage des
Weltkrieges auf. Heute stellen wir die Menschheitsfrage des Friedens.
Gott wird richten. Wir wollen furchtlos und aufrecht unsere Straße
ziehen: zum Kampfe entschlossen, zum Frieden bereit. (Lebhafter Beifall
und Händeklatschen.) 1) |