Der 1. Weltkrieg am 4. Januar 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

- Dienstag -

 Der deutsche Heeresbericht:

Ein Tag ohne Ereignisse 

Großes Hauptquartier, 4. Januar.
Auf allen Kriegsschauplatzen keine Ereignisse von Bedeutung.  

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Jaunde von den Engländern besetzt - Die Schutztruppe kämpft weiter

Berlin, 4. Januar.
Nach einer Reuter-Meldung ist Jaunde, das Zentrum der Verteidigung Kameruns, am 1. Januar in die Hände des Feindes gefallen. Mit diesem Fall mußte schon seit längerer Zeit in Anbetracht der ungeheuren englisch-französisch-belgischen Übermacht, die, mit allem modernen Rüstzeug der Kriegführung versehen, von allen Seiten die kleine Schar der tapferen Verteidiger des großen Schutzgebietes bedrängte, gerechnet werden. Doch auch jetzt hat die Schutztruppe die Waffen noch nicht gestreckt, sondern sie zieht sich kämpfend zurück. Daß sie mit unvergleichlichem Opfermut und unerschütterlichem Vertrauen auf den schließlichen Sieg der deutschen Sache in Europa nun schon fast anderthalb Jahre lang das Schutzgebiet gehalten hat trotz ihrer Abgeschlossenheit von aller Zufuhr aus der Heimat, trotz der großen Überlegenheit des Feindes an Zahl und Kriegsmitteln, dafür gebührt der tapferen Truppe und ihrem umsichtigen Führer, Oberstleutnant Zimmermann, der heiße Dank des Vaterlandes. Und wenn auch die Schutztruppe trotz heldenmütigster Gegenwehr schließlich völlig unterließen sollte, so ist Kamerun für uns noch nicht verloren. Über das endgültige Schicksal auch dieser Kolonie wird auf anderen Kriegsschauplätzen entschieden werden.

London, 3. Januar. (Amtlich.)
Eine britische Abteilung besetzte am 1. Januar Jaunde in Kamerun. Der Feind zog sich nach Südosten zurück. Unsere Truppen haben Fühlung mit der Nachhut des Feindes. Die Behörden in Jaunde flüchteten.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Erneute Mißerfolge der Russen in Ostgalizien

Wien, 4. Januar.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Schlacht in Ostgalizien dauert an. Der Feind setzte gestern seine Durchbruchsversuche bei Toporoutz an der beßarabischen Grenze mit großem Kräfteaufgebot fort. Sein Mißerfolg war der gleiche wie in den vergangenen Tagen. Die russischen Angriffe wurden überall abgeschlagen, zum Teil in lang andauerndem, blutigem Handgemenge. Besonders erbittert waren die Kämpfe Mann gegen Mann in den zerschossenen Gräben beim Hegehaus, östlich von Rarancze, wo sich insbesondere das Warasdiner Infanterieregiment Nr. 16 neuerlich mit Ruhm bedeckte.
Ebenso wie an der beßarabischen Front scheiterten die Angriffe, die der Feind nordöstlich von Okna und gegen die Brückenschanze bei Uscieczko führte, und alle mit großer Zähigkeit erneuerten Versuche der Russen, im Raume nordöstlich von Buczacz in unsere Gräben einzudringen.
Die Verluste des Feindes sind nach wie vor überaus groß. In einem 10 Kilometer breiten Abschnitt zählten wir 2300 russische Leichen vor unserer Front. Einzelne russische Bataillone, die mit 1000 Mann ins Gefecht gingen, sind laut ihren eigenen Meldungen mit 130 zurückgekehrt. Die Zahl der nordöstlich von Buczacz in den letzten Tagen eingebrachten Gefangenen übersteigt 800. An der oberen Ikwa schossen die Truppen der Heeresgruppe Böhm-Ermolli ein russisches Flugzeug ab. Die Bemannung, aus zwei Offizieren bestehend, wurde gefangen.
Italienischer Kriegsschauplatz:
In Südtirol und an der Dolomitenfront fanden wieder Artilleriekämpfe statt. Unsere Flieger belegten ein Magazin des Feindes in Ala mit Bomben. Der Ort Malborghet wurde abermals aus schweren Geschützen beschossen. Auch im Flitscher Becken und Krngebiet rührte sich die italienische Artillerie. Nördlich Dolje nahmen unsere Truppen gestern früh einen feindlichen Graben, um den seither hartnäckig gekämpft wird. Drei italienische Gegenangriffe wurden abgewiesen. Auf der Hochfläche von Doberdo kommt es täglich an einzelnen Frontteilen zu Handgranaten- und Minenwerferkämpfen.
 

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Graf Tisza und die mitteleuropäische Annäherung


Graf Tisza

Budapest, 4. Jan. (Priv.-Tel.)
In der heutigen Sitzung des Magnatenhauses interpellierte Graf Hadik, ein Mitglied der Verfassungspartei, den Ministerpräsidenten in der Angelegenheit der wirtschaftlichen Annäherung an Deutschland. Graf Tisza führte in Beantwortung der Interpellation aus, es wäre ein ebensolcher Fehler, anzunehmen, daß die Regierung nicht größtes Gewicht auf ein möglichst inniges  Verhältnis   mit  Deutschland  legen   würde,  wie  es verfehlt wäre, bezüglich der Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Annäherung solche Hoffnungen zu erwecken, welche sich entweder hier oder dort als nicht zu verwirklichen erweisen und nicht eine Annäherung, sondern eine Entfremdung bewirken würden. Seit er sich mit öffentlichen Angelegenheiten befasse, sei er immer ein unerschütterlicher Anhänger der Auffassung, daß Deutschland und die Monarchie sich auf jedem Gebiet ergänzen und ihre Kräfte gegenseitig vermehren. Eben deshalb glaube er erklären zu dürfen, daß es keinen größeren Feind dieser schönen Sache gebe, als denjenigen, der diese wirtschaftliche Annäherung weiter treiben wollte als dies ohne Schädigung sei es der deutschen, österreichischen oder ungarischen wirtschaftlichen Interessen möglich sei. Dadurch würde man nur erreichen, daß das Gefühl der Enttäuschung erwache. Es würde nicht eine Annäherung, nicht eine innigere Gestaltung des Verhältnisses, sondern das Gegenteil eintreten. Eben deshalb dürfe diese Frage nicht von Doktrinären, die die Schwierigkeiten außer acht lassen, auch nicht von Politikern, die Schlagworten nachgehen, verhandelt werben, sondern von praktischen Volkswirten und dazu kompetenten Faktoren, die sehr wichtige und wesentliche Punkte finden würden, wo wir uns gegenseitig nützliche Dienste leisten können.
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Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 4. Januar.
An der Irakfront wurden alle Versuche der bei Ali Gharbi aufgestellten feindlichen Abteilungen, den Truppen bei Kut el Amara zu Hilfe zu kommen, zurückgewiesen.
An der Kaukasusfront am linken Flügel aussetzendes Infanterie- und Artilleriefeuer.
An der Dardanellenfront schleuderte in der Nacht vom 2. zum 3. Januar ein Torpedoboot einige Geschosse in der Richtung von Ari Burun und zog sich dann zurück. Bei Sed ül Bahr beschoß unsere Artillerie bis zum Morgen die Stellungen des Feindes und seine Lager zwischen Sed ul Bahr und Tekke Burun. In dieser Nacht beschoß ein Kreuzer und am 3. Januar zwei Kreuzer wirkungslos eine Zeitlang unsere Stellungen. Unsere Artillerie traf zweimal einen dieser Kreuzer. Nachmittags eröffnete die feindliche Artillerie ein plötzliches Feuer gegen unser Zentrum und den linken Flügel. Unsere Artillerie erwiderte kräftig, brachte die feindliche Artillerie zum Schweigen, zerstörte einen bedeutenden Teil der feindlichen Schützengräben und verhinderte einen Transport. Vormittags beschossen unsere Küstenbatterien zeitweilig die Landungsstellen von Sed ül Bahr und Tekke Burun, zwangen zwei Transportschiffe, von den Landungsstellen zu entfliehen, und verursachten in der Nähe der Landungsstellen einen Brand, der den ganzen Tag andauerte.

 

Der gregorianische Kalender in der Türkei

Konstantinopel, 4. Jan. (W. B.)
Die Regierung bereitet einen Gesetzentwurf vor, durch den das gegenwärtig geltende Zeitrechnungssystem, das zu Verwirrungen Anlaß gibt, abgeändert wird. Der Gesetzentwurf nimmt für bürgerliche Jahr den gregorianischen Kalender, mit dem 1. Januar als Jahresbeginn, an. Das Finanzjahr wird indessen immer am 14. März beginnen. Die arabische Zeitrechnung mit dem Mondjahr wird als geistliche Zeitrechnung beibehalten.
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Der 1. Weltkrieg im Januar 1916

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung"

 

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