Der 1. Weltkrieg am 26. Oktober 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

- Mittwoch -

 Der deutsche Heeresbericht:

Russische Stellungen bei Czartorysk erstürmt

Großes Hauptquartier, 26. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nordöstlich von Souchez wurden feindliche Handgranatenangriffe abgewiesen. In den Kämpfen vom 24. Oktober sind an der vorspringenden Ecke nördlich von Le Mesnil in der Champagne etwa 250 Meter unserer Stellung vorübergehend in Feindeshand gekommen. Gestern wurden die Franzosen wieder daraus vertrieben. 5 Offiziere und über 140 Mann blieben gefangen in unserer Hand. Nordöstlich von Le Mesnil hält der Feind noch einen kleinen deutschen Graben besetzt. Auf der Combreshöhe hatten unsere Sprengungen guten Erfolg. Französische Sprengungen im Priesterwalde blieben ergebnislos.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Der Illuxtabschnitt nördlich von Illuxt ist wieder überschritten. Das bereits vorgestern vorübergehend genommene Gehöft Kasimirschki ist fest in unserer Hand.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Russische Angriffe östlich Baranowitschi und gegen unsere Kanalstellung südlich des Wygonowskojesees sind abgeschlagen.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Östlich von Kukli (westlich von Czartorysk) wurden in der Nacht zum 25. Oktober die feindlichen Stellungen gestürmt; ein allgemeiner russischer Gegenangriff blieb erfolglos. Gestern wurden weitere Fortschritte gemacht. Der Feind ließ 4 Offiziere, 1450 Mann und
10 Maschinengewehre in unserer Hand.
Balkankriegsschauplatz:
Östlich von Visegrad ist die Höhenlinie Suha Gora - Panos erreicht. Der Angriff der Armeen der Generale v. Koeveß und v. Gallwitz schreitet gut fort. Südlich von Palanka sind die Nordhänge des Racatales in unserem Besitz. Weiter östlich sind Markovac, Vk. Laole, Kucevo genommen. In den letzten drei Tagen sind 960 Serben gefangengenommen. Von der Armee des Generals Bojadjieff liegen keine neuen Meldungen vor.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Serbien 1. Weltkrieg: Blick auf die Stadt Orsova an der Donau
Blick auf die Stadt Orsova an der Donau

Der Donau-Übergang bei Orsova

Orsova, 26. Oktober. (Priv.-Tel.)
Während sich der Angriff der Armee Gallwitz mit täglichen Riesenschritten Kragujevac nähert, hat sich die neue bei Orsova auftretende Gruppe der Verbündeten in den letzten Tagen im Negotinzipfel eine feste Basis zu Operationen geschaffen, die bei günstigem Ausgang zu dem ersten wichtigen Resultat dieses ganzen Balkanfeldzuges führen müssen. Trotz der Schwierigkeiten des Terrains, die den Übergang eines Heeres hier in der Donauschlucht des Eisernen Tores mit ihrem reißenden Wasser und steilen Bergufern fast unmöglich erscheinen lassen, sind unsere Truppen unter spärlichen Verlusten auch hier tief ins Land gedrungen.
Ich hatte Gelegenheit, heute Orsova, die alte Türkeninsel Ada-Kale und die niedergekämpften Serbenstellungen von Tekija bis Sip zu besichtigen. Die Stadt Orsova, deren Einwohner bisher, sobald sie sich mit Wagen oder Gepäck auf der Donauchaussee sehen ließen, einzeln niedergeknallt wurden, atmet erlöst auf. Die 700 Türken, die auf ihrer Insel zwischen unserem und dem serbischen Feuer ein Jahr lang in den halb überschwemmten Kasematten der alten Festung gehaust haben, feiern seit Samstag Freudenfeste. Tekija ist durch unser Feuer hart mitgenommen. In der Mitte des am Samstag noch stark besetzten Ortes sah ich nebeneinander liegend die Trichter von drei deutschen Mörserschüssen, die ganze Häuserreihen und Gärten umgelegt haben.
Im Gegensatz zum Übergang bei Belgrad war der Widerstand der serbischen Artillerie bei Orsova schon am Tage vorher gebrochen, als Samstag 9 Uhr früh der Angriff im Schutze einer Feuerwelle aller Kaliber erfolgte. Schon nach kurzem Kampfe waren die Uferhöhen in unserer Hand, wobei auf Fort Elisabeth und den Höhen von Sip eine Reihe von russischen und schweren englischen Schiffsgeschützen erbeutet wurde Die ungefähr zwei Bataillone starke serbische Verteidigungslinie hatte sich zurückgezogen oder war gefangen genommen.
Unsere Truppen haben eine schwierige, fast undurchdringliche Bergstrecke von 12 Kilometer vor sich. Dann folgt ein mäßig hohes, aber ebenfalls noch gut zu verteidigendes Hügelterrain Nur nach dem Donauufer zu, gegenüber der rumänischen Grenze, fällt der bergige Negotinzipfel sanft und gangbar ab. 

Dr. Adolf Köster,
 Kriegsberichterstatter.
2)

 

Der Fall Cavell

Brüssel, 26. Oktober. (W. B.)
Der amerikanische Botschafter in London hat der englischen Regierung die Aktenstücke über den Fall Cavell in Brüssel zur Verfügung gestellt. Die Aktenstücke enthalten Angaben über den Schriftwechsel, der zwischen der amerikanischen Gesandtschaft in Brüssel und den dortigen deutschen Behörden über diesen Prozeß geführt worden ist. Die englische Regierung hat die Aktenstücke ohne weiteres der Presse übergeben und sie durch Reuter verbreiten lassen. In den Aktenstücken sind die wichtigsten Vorgänge unzutreffend wiedergegeben. Insbesondere wird der Anschein erweckt, als ob die deutschen Behörden den amerikanischen Gesandten durch leere Versprechungen hingehalten hätten, um ihm das ergangene Todesurteil zu verheimlichen und ihm durch eine rasche Vollstreckung die Möglichkeit eines Eintretens für die Verurteilte zu nehmen. In einer ebenfalls veröffentlichten Erläuterung stellt Sir Edward Grey es als die schlimmste Tat der deutschen Behörden hin, daß sie das dem amerikanischen Gesandten gegebene Versprechen, ihn über den Verlauf des Prozesses ständig zu unterrichten, nicht gehalten hätten. Ein derartiges Versprechen ist aber von den deutschen Behörden nie gegeben worden, konnte also auch nicht gebrochen werden. Dies hat der amerikanische Gesandte in Brüssel bei einer Aussprache mit den deutschen Behörden selbst zugegeben. Die falsche Information des amerikanischen Botschafters in London erklärt sich daraus, daß ein belgischer Advokat, der als Justitiar bei der amerikanischen Gesandtschaft in Brüssel in dieser Angelegenheit eine Rolle spielte, durch seine Berichte irreführende Auffassungen verursachte. Jedenfalls hat der amerikanische Gesandte erklärt, er sei von der Veröffentlichung peinlich berührt und er würde seinen Londoner Kollegen und seine Regierung sofort über die zwischen dem schriftlichen Bericht des belgischen Justitiars der Gesandtschaft und den Tatsachen bestehenden Verschiedenheiten aufklären.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Fliegerangriff auf Venedig - Neue Erfolge in Serbien

Wien, 26. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die südwestlich von Czartorysk kämpfenden k. u. k. Truppen wehrten mehrere Angriffe russischer Schützendivisionen ab, wobei sie 2 Offiziere und 500 Mann gefangen nahmen und 1 Maschinengewehr erbeuteten. Deutsche Regimenter warfen den Feind beiderseits der von Nordwest nach Czartorysk führenden Straße. Insgesamt ließen die Russen in diesem Raume gestern 4 Offiziere, 1450 Mann und 10 Maschinengewehre in der Hand der Verbündeten. Sonst blieb im Nordosten die Lage unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Der gestrige Schlachttag verlief im Verhältnis zu den vorangegangenen an der Front der Hochfläche von Doberdo ruhiger; dagegen wurde um unsere Brückenkopfstellungen von Görz und Tolmein sowie im Abschnitte nördlich Tolmein bis zum Krn wieder äußerst heftig gerungen. Alle diese Kämpfe endigten mit dem vollen Mißerfolge des angreifenden Feindes.
Am Krn brachen drei Vorstöße der Italiener in unserem Feuer zusammen. Vor dem Mrzli Vrh scheiterte ein feindlicher Nachtangriff. Gegen den Tolmeiner Brückenkopf bereitete nachmittags ein besonders lebhaftes Artilleriefeuer neue Angriffe starker Kräfte vor. Spät abends schlugen unsere Truppen einen solchen Angriff auf die Höhen westlich von St. Lucia, heute zeitlich früh einen zweiten gegen die Stellung nördlich von Kocarce, der bis zum Handgemenge führte, unter schwersten Verlusten für den Feind zurück. Der Raum von Descla stand zeitweise unter Trommelfeuer. Ein schwächlicher italienischer Angriff gegen Zagora wurde leicht abgewiesen.
Der Monte Sabotino, vor dem der Gegner in den letzten Tagen mindestens 2500 Mann verlor, wurde gestern nicht mehr angegriffen, wohl aber von der italienischen Artillerie heftig beschossen. Zahlreiche Granaten fielen auch in den Südteil von Görz. Abends griffen sehr starke feindliche Truppen die Podgorahöhe an. Es half ihnen nichts, daß sie Bomben mit giftigen Gasen verwendeten, sie wurden blutig zurückgeschlagen.
Gestern ließen sich die Verluste der Italiener bei ihren Angriffen gegen die Hochfläche von Doberdo stellenweise übersehen. So liegen vor der Front eines unserer Infanterieregimenter 3000 Feindesleichen.
An der Tiroler Front wiesen die Verteidiger der Lafraunstellung einen Angriff des italienischen 116. Infanterieregiments ab.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die östlich von Visegrad vorgehenden österreichisch-ungarischen Streitkräfte warfen den Feind an die Grenze zurück. Unter den Gegnern befanden sich neben serbischen Bataillonen auch montenegrinische.
Die im Nordwestwinkel Serbiens operierenden k. und k. Truppen der Armee des Generals v. Koeveß nähern sich der oberen Kolubara und der von den Serben vor unserer Reiterei geräumten Stadt Valjevo. Die von Brenovac südwärts entsandten österreichisch-ungarischen Divisionen entrissen dem Gegner nach erbitterten Kämpfen die starken Höhenstellungen südlich und südöstlich von Lazarevac.
Deutsche Truppen trieben den Feind über Aranjelovac zurück. In Topola und auf den Höhen östlich davon stehen österreichisch-ungarische Kräfte im Gefecht. Die beiderseits der Morawa vordringende deutsche Armee bemächtigte sich der Höhen nördlich von Raca, des Ortes Markovac und weiterer serbischer Stellungen südöstlich Petrovac.
Das Gebirgsland in der Donauschleife östlich der Klissuraenge ist zum größten Teil vom Feinde gesäubert. Es wurden hier drei von den Serben verlassene Geschütze eingebracht, darunter ein schweres.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.


Ereignisse zur See:
Am 24. Oktober nachmittags suchte ein italienischer Flieger die Stadt Triest mit Bomben heim, wobei er, ohne einen Materialschaden anzurichten, drei Einwohner tötete und mehrere verwundete. Der Besuch wurde wenige Stunden später durch unsere Marineflieger in Venedig erwidert, wo sie von ½ 11 Uhr nachts bis 1 Uhr früh in rascher Folge Arsenal, elektrische Zentrale, den Bahnhof, einige Festungswerke und andere militärische Baulichkeiten ausgiebig und erfolgreich mit Bomben mittleren und schweren Kalibers belegten und zahlreiche Brände verursachten. Am nächsten Morgen um 8 Uhr griff ein Seeflugzeuggeschwader neuerdings Venedig an, wo noch ein vom nächtlichen Bombardement herrührender Brand emporloderte. Außer den früher aufgezählten Gebäuden wurden diesmal auch Flugzeughalle und Kriegsfahrzeuge erfolgreich bombardiert. Schwächliche Versuche zweier feindlicher Flieger, unsere Aktion zu stören, waren durch unser Gewehrfeuer in kürzester Zeit vereitelt. Bei beiden Unternehmungen wurden unsere Flieger von starker Artillerie heftig, aber ganz erfolglos beschossen. Alle kehrten unversehrt zurück.

Flottenkommando. 1)

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1916)

 

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