Der Weltkrieg am 12. September 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Vormarsch auf Pinsk - Die russischen Stellungen an der Zelwianka durchbrochen

Großes Hauptquartier, 12. September.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Auf einem großen Teile der Front rege Artillerietätigkeit. Erfolgreiche Sprengungen in der Champagne und in den Argonnen verursachten starke Beschädigungen der französischen Gräben.
Feindliche Flieger warfen gestern früh Bomben auf Ostende. Schaden ist nicht entstanden, Personen sind nicht verletzt.
Während der Nacht wurden die Docks von London und deren Umgebung mit sichtbarem Erfolge beworfen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Auf der Front zwischen Düna und Merecz (am Njemen) haben die Kämpfe an einzelnen Stellen einen größeren Umfang angenommen. Es sind erneut 1800 Gefangene gemacht und 5 Maschinengewehre erbeutet worden. Zwischen Jeziory und dem Njemen dauerten die hartnäckigen Kämpfe den ganzen Tag über an; erst heute früh gab der Feind weiteren Widerstand auf; er wird verfolgt.
An der Zelwianka sind die feindlichen Linien an mehreren Stellen durchbrochen; der Gegner verlor 17 Offiziere und 1946 Mann an Gefangenen und 7 Maschinengewehre.
Der russische Bericht vom 10. September spricht von Gefechten der russischen Garde im Norden von Abeli (42 Kilometer westlich von Dünaburg); deutsche Truppen waren hieran nicht beteiligt; hingegen wurde die russische Garde gestern nordwestlich von Wilna festgestellt, angegriffen und geworfen. Über den in demselben russischen Bericht erwähnten Sieg von zwei russischen Soldaten über sechs deutsche an der Zelwiankamündung ist der deutschen Heeresleitung kein Bericht zugegangen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Im engen Zusammenwirken mit dem rechten Flügel der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg wurden die feindlichen Stellungen östlich von Zelwa genommen, auch bei Koszele ist die Zelwianka überschritten. Beiderseits der Straße Bereza-Kartuska - Kossow Slonim ist der Feind geworfen; die Heeresgruppe machte 2759 Gefangene und nahm 11 Maschinengewehre.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Unsere Truppen sind im Angriff beiderseits der Bahn nach Pinsk. Einige Vorstellungen wurden heute nacht durch Überfall genommen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Deutsche Verbände wiesen weitere Angriffe unter schweren Verlusten des Feindes ab.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Vergeblicher russischer Luftangriff auf einen deutschen Kreuzer

Berlin, 12. September.
Am 12. September vormittags haben mehrere russische Wasserflugzeuge einen deutschen kleinen Kreuzer vor Windau mit acht Bomben angegriffen, die sämtlich ihr Ziel verfehlten. Ein feindliches Flugzeug wurde heruntergeschossen, nach Windau eingebracht und seine Besatzung. zwei russische Offiziere, gefangengenommen.

Der Chef des Admiralstabes der Marine. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russische Angriffe bei Tarnopol gescheitert - Neue Mißerfolge der Italiener

Wien, 12. September.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Unsere in Wolhynien kämpfenden Streitkräfte haben gestern bei Derazno den Goryn und bei Dubno die Ikwa überschritten. Die russischen Angriffe bei Tarnopol nahmen an Heftigkeit zu. Nordwestlich der Stadt gelang es dem Feinde, in unsere Schützengräben einzudringen und das Dorf Dolzanka zu gewinnen. Aber die aus Nachbarabschnitten herbeieilenden Deutschen und Honvedbataillone faßten den Gegner in beide Flanken und eroberten das eben genannte Dorf zurück und warfen die Russen wieder auf ihre Brückenkopfstellungen. Die gegnerischen Verluste sind groß. Auch die feindlichen Vorstöße südwestlich von Tarnopol wurden abgewiesen. Bei unseren Fronten auf dem östlichen Strypaufer, am unteren Sereth und an der beßarabischen Grenze verlief der Tag ruhig. Die k. u. k. Truppen in Litauen entrissen dem Feind das bei Kosowo liegende stark verschanzte Dorf Szkuraty.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Wie erwartet wurde, kam es gestern an der küstenländischen Front, und zwar namentlich in ihrem nördlichen Abschnitte zu einer Reihe größerer Kämpfe, die sämtlich mit dem vollen Mißerfolg der angreifenden Italiener endeten. Im Flitscher Becken drang der wieder aufgenommene feindliche Infanterieangriff überhaupt nicht vorwärts. Gegenüber Jablonica zwang unser Feuer den Gegner zum fluchtartigen Zurückweichen. Ebenso wurden Angriffsversuche italienischer Abteilungen, die sich südlich des Javozek eingenistet hatten, abgewiesen. Im Wrsicgebiete tobte der Kampf den ganzen Tag heftiger denn je. Hier schlug die St. Pöltener Landwehr mit bewährter Tapferkeit den feindlichen Angriff zurück. Wieder blieben alle Stellungen fest in unserer Hand. Das Vorfeld ist mit toten Italienern bedeckt. Von dem Tolmeiner Brückenkopf stand der südliche Teil wieder unter stärkerem Geschützfeuer. Wie sich nun herausstellt, waren an dem hier am 9. September geführten Angriffe von seiten des Gegners die siebente Infanteriedivision, eine Alpinigruppe und zwei Bersaglieribataillone beteiligt. Das italienische Infanterieregiment Nr. 25 verlor dabei allein 1000 Mann. Im Abschnitte von Doberdo wurden mehrere Vorstöße des Feindes am vorspringenden Teil der Hochfläche wie immer abgewiesen. An der Tiroler Front griffen die Italiener gestern nachmittag und heute im Raume westlich des Monte Piano mit Gruppen bis zur Stärke eines Bataillons unsere Stellungen im Popenatale und im Cristallogebiete vergeblich an.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der Sturm auf die serbischen Donauhöhen

L. v. B. Wien, 12. Oktbr. (Priv.-Tel.)
Im Raume zwischen Schabatz und Velki-Gradisch (rund 140 Kilometer in der Luftlinie) haben die Verbündeten sämtliche Streitkräfte auf das serbische Flußufer gebracht und die beherrschenden Höhen erstürmt. Ein Erfolg von hervorragender Bedeutung ist erzielt. Die Landseite östlich von Belgrad nahmen Truppen der Armee v. Köveß, die Höhen im Süden der serbischen Metropole erstürmten deutsche Truppen. Die Beschießung der Festung Belgrad begann in der Nacht vom 4. auf den 5. d. M. Österreichisch-ungarische Monitoren eröffneten bei Einbruch der Dunkelheit auf die Werke derselben ein intensives Feuer. Die auf dem linken Ufer bei Semlin postierten schweren Batterien und jene auf der von uns früher besetzten Zigeunerinsel stehenden beschossen die serbischen Stellungen bei Toptschider. Dann begann im heftigsten feindlichen Feuer die Übersetzung der Infanterie, die sich sofort am Ufer festsetzte und energisch gegen die unteren Befestigungen und Stadtforts vorging, um deren Besitz ebenso wie um die Zitadelle während zweier Tage und Nächte erbittert gerungen wurde. Sowohl die untere wie die obere Festung ist durch die Beschießung sehr mitgenommen. Trümmerhaufen, wohin der Blick reicht, in der Stadt sowohl, als auch am ehemaligen Park, am Kalimegdan, der zu einer starken Stellung ausgebaut war. In den weiteren Kämpfen eroberten unsere Truppen östlich der Stadt die 271 Meter hohe Tragach-Höhe, östlich von Mirijewo den 249 Meter hohen Velki-Vratzar und den 258 Meter hohen Lipack. Die Deutschen erstürmten südlich der Stadt Toptschider das königliche Lustschloß, südlich davon die 208 Meter hohe Höhe Dedinje sowie den Ort Zarkowo mit dem 206 Meter hohen Banawo-Berg und die kulminierende Höhe 215, knapp nördlich des Dorfes.
Eine ganz bedeutende Tat ist die Erstürmung der 370 Meter hohen Anathema-Höhe bei Ram, welche die Donau Zwingt, ein Knie nach Norden zu bilden, durch Truppen der Armee Gallwitz. Zwischen der Donau und der Straße von Poscharevatz nach Gradische erhebt sich hier ein isoliertes Bergmassiv, dessen höchster Gipfel die Anathemahöhe ist, nach Südosten und Westen weithin das Land beherrschend. Die Deutschen eroberten überdies Semendria und drängen den Feind auf Poscharewatz zurück.
An der ganzen Front südlich der Save und Donau und an der unteren Drina wird nunmehr angegriffen.
2)

 

Bulgarien tritt in den Krieg ein

Nisch, 12. Oktbr. (Priv.-Tel.)
Meldung der Agence Havas:
Die Bulgaren haben uns auf der Front von Kniazewatz angegriffen.

London, 12. Oktbr. (Priv.-Tel.)
Reuter meldet:
Die serbische Gesandtschaft in London empfing folgendes Telegramm aus Nisch: In der abgelaufenen Nacht begannen die Bulgaren den Angriff auf Vlasina.
2)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 12. September.
Im Abschnitt von Anaforta vernichtete unsere Artillerie auf dem rechten Flügel einige feindliche Munitionswagen. Unsere Artillerie auf dem linken Flügel beschoß sehr wirksam die feindlichen Schützengräben. Bei Ari Burun hat sich gestern nichts von Bedeutung ereignet. Bei Sed ül Bahr beschossen zwei feindliche Kreuzer und ein Torpedoboot mit Hilfe von Ballonbeobachtung ohne Ergebnis unsere verschiedenen Stellungen. Sonst nichts von Bedeutung. Die Engländer fahren fort, das Zeichen des Roten Kreuzes zu mißbrauchen. Bei Messtantepe und bei Anaforta, in der Nähe der Lazarettwagen, lassen sie ihre Soldaten Kriegs- und Bajonettübungen machen. Seit einigen Tagen machen die Ambulanzen, obwohl es in diesem Abschnitt zu keinem Gefecht gekommen ist, fortgesetzt Transporte nach den Gefechtslinien. Obwohl sie eine Menge von Hospitalschiffen besitzen, wehen die Fahnen des Roten Kreuzes an verschiedenen Orten, die für eine Landung an der Küste von Kemiki besonders günstig sind.

 

Deutsche U-Boote im Mittelländischen Meere

Algier, 12. September.
Der Frachtdampfer "Ville de Mostaganem" (Compagnie Generale Transatlantique), der den Dienst zwischen Cette und Mostaganem versieht, wurde am 9. September von einem deutschen Unterseeboot nordwestlich von Mostaganem beschossen und versenkt. Man vermutet, daß es dasselbe Unterseeboot ist, welches die "Aude" zwei Stunden zuvor versenkte. Zwei Rettungsboote der "Ville de Mostaganem" wurden von einem englischen Dampfer aufgenommen. Sie trafen in Algier mit der Besatzung ein, von der drei Mann durch Granatsplitter leicht verletzt waren.

 

Der russische Generalstab und das deutsche Dementi

("Irrtümer sind immer möglich")

Petersburg, 12. September.
In dem Bericht des Großen Generalstabes heißt es u. a.: Eine Bemerkung im amtlichen deutschen Bericht vom 9. September wendet sich gegen unsern Bericht vom 8. September, wonach wir zahlreiche Gefangene gemacht und 30 Kanonen und Maschinengewehre erbeutet haben. Der Große Generalstab glaubt erklären zu müssen, daß er sich innerhalb der Grenzen menschlicher Kraft und der Regeln der Kriegskunst stets bemüht habe, jedes Ereignis wirklichkeitsgemäß und ohne jede tendenziöse Färbung darzustellen. Irrtümer sind immer möglich angesichts der Aufregung und manchmal der Ungewißheit, welche die militärische Kampfhandlung begleiten.

 

Der 1. Weltkrieg im September 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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