Der Weltkrieg am 21. Juli 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Brückenkopf südlich Iwangorod genommen -
Die Russen aus der Grojecstellung geworfen

Großes Hauptquartier, 21. Juli.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Im Ostteil der Argonnen stürmten unsere Truppen zur Verbesserung ihrer neuen Stellung noch mehrere französische Gräben, nahmen 5 Offiziere, 365 Mann gefangen und erbeuteten 1 Maschinengewehr.
In den Vogesen fanden in der Gegend von Münster hartnäckige Kämpfe statt. Die Franzosen griffen mehrfach unsere Stellung zwischen Lingekopf (nördlich von Münster) und Mühlbach an. Die Angriffe wurden abgeschlagen. An einzelnen Stellen drang der Feind in unsere Stellungen ein und mußte in erbittertem Nahkampf hinausgeworfen werden. Südwestlich des Reichsackerkopfes hält er noch ein Stück eines unserer Gräben besetzt. Tag und Nacht lagen die angegriffene Front und unsere anschließenden Stellungen bis Didolshausen und bis zum Hilsenfirst unter heftigem feindlichen Feuer. Wir nahmen 4 Offiziere und etwa 120 Mann, zum großen Teil Alpenjäger, gefangen.
Ein deutscher Kampfflieger zwang ein französisches Flugzeug bei Bapaume zur Landung; das Flugzeug ist unversehrt in unserem Besitz. Colmar wurde von feindlichen Fliegern mit Bomben beworfen, von denen zehn auf Häuser und Straßen der Stadt fielen. Ein Zivilist getötet, eine Frau verletzt.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Östlich von Popeljany und von Kurschany zieht der Gegner vor unseren vordringenden Truppen ab. Westlich von Szawle wurde die letzte feindliche Verschanzung im Sturme genommen und besetzt und die Verfolgung in östlicher Richtung fortgesetzt.
An der Dubissa, östlich von Rossienje, durchbrach ein deutscher Angriff die russischen Linien, auch hier weicht der Gegner.
Südlich der Straße Mariampol-Kowno führte ein Vorstoß zur Fortnahme der Dörfer Kiekieryszki und Janowka. Drei hintereinanderliegende russische Stellungen wurden erobert. Ebenso waren Angriffe unserer Landwehr gegen noch gehaltene feindliche Stellungen nördlich von Nowogrod von vollem Erfolge begleitet. Die Russen gingen unter Zurücklassung von 2000 Gefangenen und 2 Maschinengewehren zurück.
Weiter südlich am Narew wurde ein starkes Werk der Vorstellung von Rozan erstürmt, 560 Gefangene gemacht und 3 Maschinengewehre erbeutet. Der Gegner versucht, an diesem Fluß hartnäckigen Widerstand zu leisten. Seine verzweifelten Gegenstöße mit zusammengerafften Truppen aus den Brückenkopfstellungen von Rozan, Pultusk und Nowo-Georgiewsk mißlangen. Die Russen erlitten schwere Verluste. 1000 Gefangene blieben in unserer Hand. Die Blonie-Grojec-Stellung gewährte dem Feinde nur kurzen Aufenthalt. Unter dem Zwange unseres sich von allen Seiten verstärkenden Druckes begannen die Russen westlich von Grojec ihre Befestigungen aufzugeben und in östlicher Richtung zurückzugehen. Unsere Truppen folgen dicht auf.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
In der Verfolgung erreichten die deutschen Truppen des Generalobersten v. Woyrsch gestern die vorgeschobene Brückenkopfstellung südlich von Iwangorod. Ein sofortiger Angriff brachte sie in den Besitz der feindlichen Linien bei Wladislawow; um die anschließenden Stellungen wird noch gekämpft.
Zwischen oberer Weichsel und Bug hat sich der Gegner erneut den Armeen des Generalfeldmarschalls von Mackensen gestellt. Trotz hartnäckigen Widerstandes brachen österreichisch-ungarische Truppen bei Skrzyniec-Niedrzwica-Mala (südwestlich von Lublin), deutsche Abteilungen südöstlich von Piaski und nordöstlich von Krasnostaw in die feindlichen Stellungen ein. Der Angriff ist im Fortschreiten.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Kämpfe im Priesterwald

Aus dem Großen Hauptquartier wird geschrieben:
In den französischen Tagesblättern vom 30. Mai erschien ein amtlicher Bericht über "Die Eroberung des Priesterwaldes". Darin waren die schweren Kämpfe geschildert, die die Franzosen in diesem Walde zu bestehen hatten und die für sie "nach sieben Monaten unablässigen Ringens endlich zum Ziele führten". Dieser Priesterwald war in den ersten Julitagen der Schauplatz erneuter schwerer Kämpfe, eines durchschlagenden deutschen Erfolges.
Vom Kamm der Höhe, die steil aus dem Moseltal aufsteigt und dieses nur um etwa 200 Meter überhöht, erstreckt sich nordwestlich Pont-à-Mousson ein ausgedehntes Waldgebiet. Dessen gegen Pont-à-Mousson abfallender Teil bis an die Straße Fey en Haye-Norroy heißt auf den deutschen Karten "Priesterwald", während auf den französischen nur der südliche Waldteil diesen Namen führt, der nördliche aber Bois Communaux genannt ist. Hierin mag eine Erklärung dafür liegen, daß die Franzosen sich für unbestrittene Herren des "Priesterwaldes" hielten. Am Südrand des Waldes, an der Straße Pont-à-Mousson-Montauville-Limey liegt der Exerzierplatz, im Walde der Schießplatz der Garnison Pont-à-Mousson. Die Mannschaften der französischen Regimenter, die uns hier gegenüberstehen, stammen aus den Ortschaften der Umgebung und manch gefangener Franzose konnte in Begleitung von deutschen Landsturmmännern früher als er gedacht und gehofft hatte, seine Angehörigen in seinem Heimatort begrüßen.
Der Priesterwald ist der echte lothringischer Wald. Nur wenige und schlechte Wege durchziehen ihn. Dichtes Unterholz erschwert jegliche Bewegung außerhalb der Wege. Die mangelnde Forstkultur haben unsere und die französischen Granaten nachgeholt. Sie haben dem Walde Licht und Luft geschaffen. Freilich sind sie dabei so weit gegangen, die alten Baumriesen teils mitsamt den Wurzeln herauszureißen, teils inmitten der Stämme zu knicken. Tief eingerissene Schluchten zerklüften den Wald und behindern seine Wegsamkeit. Die höchste Erhebung hat das Waldgelände in einem Höhenkamm, der vom Eintritt der Straße Fey en Haye-Norroy in den Wald nach Osten zieht. Auf dem höchsten Punkt steht das Croix des Carmes. Auf diesem Höhenrücken liegen die deutschen Stellungen.
In schweren, hin- und herwogenden, monatelangen Angriffen war es den Franzosen dank ihrer Übermacht Anfang Juni gelungen, auf dem westlichen Teil des Höhenrückens Fuß zu fassen. Sie wieder hinunterzuwerfen, war das Ziel unseres Angriffes am 4. Juli. Es war kein leichtes Stück Arbeit, das uns dort bevorstand. Die Franzosen hatten 6 und 7 Stellungen hintereinander in einer Gesamttiefe von 400 bis 500 Meter ausgebaut. Unser Angriff wurde eingeleitet durch einen Vorstoß aus dem an der Mosel liegenden Abschnitt. In einer Breite von etwa 250 Meter gelang es hier, in die feindliche Stellung einzudringen, und 5 französische Blockhäuser mitsamt ihrer Besatzung in die Luft zu sprengen. Wir zerstörten die eingebauten Kampfmittel und gingen dann, wie vorgesehn, wieder in die alte Kampfstellung zurück, ungestört vom Feinde.
Nachmittags begann der Hauptangriff. Die durch unser Artilleriefeuer erschütterte französische Infanterie konnte dem Ansturm nicht standhalten. Stellung auf Stellung fiel. Am Abend waren alle französischen Stellungen in einer Breite von 1500 Meter genommen. 12 Offiziere, über 1000 unverwundete Gefangene, 3 Geschütze, 7 Minenwerfer, 7 Maschinengewehre, 1 Pionierpark mit reichlichem Gerät waren unsere willkommene Beute. Was die Franzosen in monatelangem Ringen erworben, hat unsere stürmende Infanterie, unterstützt durch die vortreffliche Artillerie, ihnen in wenigen Stunden wieder entrissen. Wo man hobelt, fallen Späne. Ohne Verlust ist solch ein Erfolg nicht zu erreichen.
Unsere Gesamtverluste einschließlich der nur vorübergehend ausfallenden Leichtverwundeten erreichten aber nicht einmal die Zahl allein der gefangenen Franzosen. Deren Verluste an Toten waren außerordentliche. Nach Aussage der Gefangenen waren die Kompagnien schon vor unserem Angriff nur durch unser Artilleriefeuer auf 60 bis 70 Mann zusammengeschmolzen. In dem eingangs erwähnten amtlichen Bericht ist betont, daß die französischen Soldaten den Priesterwald als "unsern Wald" ungleich sinniger bezeichnen als die Deutschen, die ihn "Todeswald" oder "Wald der Witwen" nennen. Die Phantasie des Berichterstatters in Ehren. Uns ist indessen von einer derartig geschmackvollen Benamung nichts bekannt. Am 4. Juli ist aber der Priesterwald den Franzosen zum "Todeswald" geworden.
Selbstverständlich mußten wir damit rechnen, daß der Feind uns den Gewinn bald streitig machen würde. Schon in der Nacht zum 5. Juli setzte er zu dem erwarteten Gegenangriff an. Wir konnten diesen, wie auch die späteren, abweisen. Unter den Gefangenen befinden sich auch farbige Franzosen. Söhne der Insel Réunion sind es, die zum Kampfe für Zivilisation und Kultur herangeholt sind.
Nicht nur in ihrer Uniform sind sie französische Soldaten geworden, sondern auch in ihrer Gesinnung. Denn gleich diesen sagten sie bei ihrer Vernehmung aus, daß sie französischen Zeitungen keinen Glauben mehr schenken, daß sie, des Krieges müde, den Frieden wollen, sei er zugunsten Frankreichs oder nicht. Anscheinend ist diese Stimmung auch in der Bevölkerung nicht selten. In Pont-à-Mousson sollen Frauen das Automobil des Präsidenten der Republik mit Steinen beworfen haben unter dem Rufe, sie wollten den Frieden, sie wollten ihre Söhne zurückhaben.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der blutige Kampf um das Plateau von Doberdo

Wien, 21. Juli, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Der Feind hat sich südlich der von Cholm über Lublin nach Iwangorod führenden Bahn neuerlich gestellt. Trotz seines hartnäckigen Widerstandes gelang es den verbündeten Streitkräften, ihn an mehreren Stellen zu durchbrechen. Bei Rozan bahnte sich das Korps Arz im Verein mit deutschen Bataillonen den Weg in die feindlichen Linien. Südwestlich Biskupice wurden die Russen in der Nacht durch die Deutschen zum Rückzug gezwungen. Zwischen der Bistritza und der Weichsel stieß die Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand auf starken Widerstand. Beiderseits von Borzechow entrissen unsere Truppen in erbittertem Handgemenge sibirischen Regimentern ihre zäh verteidigten Stellungen. Bei dieser Armee wurden gestern 30 Offiziere und 6000 Mann als Gefangene eingebracht und 9 Maschinengewehre erbeut.
Zwischen der Weichsel und der Pilica wurde die Verfolgung fortgesetzt. Deutsche Landwehr durchbrach nordöstlich Zwolen die Vorstellung des Brückenkopfes von Iwangorod; um die anschließenden Stellungen wird noch gekämpft.
In Ostgalizien entbrannten bei Sokal neuerdings heftige Kämpfe. An der Zlota-Lipa und am Dnjestr ist die Lage unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Im Görzischen setzten die Italiener auch gestern ihren allgemeinen Angriff fort. Am Rande des Plateaus von Doberdo und am Görzer Brückenkopf tobte die Schlacht den ganzen Tag. Abends gelang es dem Feind, den Monte San Michele (östlich Sdraussina) zu nehmen. Heute früh eroberte Generalmajor Boog mit bisher zurückgehaltenen Kräften diese Höhe zurück. Südöstlich Sdraussina behaupten sich unsere Truppen mit größter Zähigkeit. Ein Flankenangriff von der Ruinenhöhe östlich Sagrado her warf schließlich die Italiener auch hier zurück. Sie flüchteten unter großen Verlusten in die deckenden Räume. Da unsere Truppen auch den ganzen Südwestrand des Plateaus fest in Händen behielten und am Görzer Brückenkopf alle feindlichen Angriffe blutig zurückschlugen, hatte die mit ungeheueren Opfern bezahlte Anstrengung der Italiener wieder kein Ergebnis.
An der übrigen küstenländischen Front herrscht verhältnismäßig Ruhe.
An der Kärntner Grenze hat sich nichts Wesentliches ereignet. Östlich Schluderbach griffen drei feindliche Bataillone den Monte Piano an; sie wurden abgewiesen, fluteten zurück und verloren etwa zwei Drittel ihres Standes.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 21. Juli.
Bei Ari Burun ließen wir am 19. Juli eine Mine vor unseren Schützengräben springen, wodurch feindliche Gegenminen vernichtet wurden. Zwei starke Abteilungen, welche der Feind in die Vorpostenkämpfe auf dem linken Flügel hinwarf, wiesen wir mit schweren Verlusten zurück. Unsere Artillerie zerstreute eine lange Infanteriekolonne, welche der Feind seinem linken Flügel zur Verstärkung schickte. Unter den Franzosen, welche wir am 18. Juli in unseren Schützengräben gefangen genommen haben, befinden sich schwerverwundete Offiziere. In der Nacht zum 20. Juli und am folgenden Tage haben unsere Batterien auf dem asiatischen Ufer das Lager und die Landungsbrücken des Feindes bei Tekke Burun und seine Truppen bei Mortoliman beschossen.
Im Irak griffen unsere Vortruppen in der Nacht zum 18. Juli den feindlichen rechten Flügel östlich von Kalat el Nedschiman an und zwangen ihn nach vierstündigem Kampf zum Zurückgehen; unsere Artillerie versenkte ein mit Lebensmitteln beladenes feindliches Boot. Eine Anzahl gewaltsam in die feindliche Armee eingestellter Moslems ist am 17. Juli desertiert und zu uns geflüchtet. Die Verluste des Feindes in der Schlacht bei Kaba-Tulmain am 14. Juli werden auf 2000 Mann geschätzt. Eine unserer aus Freiwilligen bestehende Kolonne überfiel in der Nacht zum 18. Juli ein feindliches Lager und kehrte mit reicher Beute zurück.

 

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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