Die
Seeschlacht in den Dardanellen
Vizeadmiral John Michael De Robeck
Konstantinopel,
21. März. (W. B.)
Über die Seeschlacht vom 18. März berichtet der Vertreter
des Wolffschen Büro, folgende Einzelheiten:
"Die Versuche der Alliierten, die Durchfahrt durch die Dardanellen
zu erzwingen, erreichten ihren Höhepunkt in der siebenstündigen
Schlacht vom 18. März, in der die Mannschaften der türkischen
Forts Wunder von Heldenmut verrichteten, indem sie unentwegt in einem
Hagel von Geschossen aushielten Die ganze Atmosphäre war verdunkelt
durch die explodierenden Geschosse, die aufgeworfenen Erdsäulen und
durch die Pulverwolken. Die Erde erbebte meilenweit. Die Alliierten fuhren
um 11½ Uhr vormittags in den Dardanelleneingang ein und warfen
ihre Geschosse in die Stadt Tschanak-Kale. Zunächst nahmen an dem
Gefecht vier französische und fünf englische Schiffe teil. Die
anwesenden Korrespondenten hatten anfangs ihren Beobachtungsort in dem
Fort Tschirrenlik bei dem alten Schloß Sultanije, dann, durch einen
Geschoßhagel von dort vertrieben, auf einem Hügel außerhalb
der Stadt. Als sie den Turm verließen, krepierten an zwei Stellen
in ihrer unmittelbaren Nähe Granaten. Gleichzeitig fielen die Geschosse
über der Stadt immer dichter, wühlten die Straßen auf
und erfüllten die ganze Umgebung mit dichtem Rauch, während
die zu kurz gefallenen Geschosse mächtige Wasserhosen aufsteigen
ließen. Um 1½ Uhr erreichte das Feuer seinen Höhepunkt.
Es war jetzt konzentriert auf die Forts Tschimelik, Hamidieh und die umliegenden
befestigten Plätze. Der gewaltige Kampf moderner Schiffsartillerie
gegen die starken Küstenforts bot ein ebenso interessantes wie grausiges
Schauspiel. Nach 1 Uhr flaute der Kampf zeitweilig ab, wurde aber bald
darauf wieder mit solcher Heftigkeit aufgenommen, daß die Forts
in Rauchwolken zeitweilig verschwanden. Um 2 Uhr änderten die Alliierten
ihre Taktik, indem sie einzelne Batterien in unregelmäßigen
Abständen beschossen. Das Einschießen erwies sich offenbar
als schwierig. Die Granaten fielen dabei vielfach zu kurz und ins Wasser
oder zu weit und dann in die Stadt Tschanak-Kale.
Die Nachmittagsbeschießung hatte um 3 Uhr 15 Minuten ihren Höhepunkt
erreicht, als plötzlich das französische Linienschiff "Bouvet"
mit dem Heck zu sinken begann, während der Bug hoch zum Himmel sich
reckte. Die Mannschaften der türkischen Forts, deren Kampfesmut auf
das höchste entfacht war, brachen in brausende Hurrarufe aus. Torpedoboote
und andere Fahrzeuge eilten dem sinkenden Schiff zu Hilfe, konnten aber
nur wenige Leute retten, da das Schiff durch die Explosion einer Mine
unter Wasser und durch einen Volltreffer über Wasser auf das schwerste
beschädigt war und rasch sank. Wenige Minuten später sahen die
Korrespondenten, wie ein britisches Schiff von einem türkischen Geschoß
auf dem Vorderdeck getroffen wurde. Mit gekapptem Mast, der im Gewirr
der Takelage über Bord hing, versuchte das Schiff den Ausgang der
Dardanellen zu gewinnen, was offenbar infolge eines Maschinenschadens
von Sekunde zu Sekunde schwerer wurde. Gleich darauf erhielt ein anderes
britisches Schiff einen Volltreffer auf Deck mittschiffs und mußte
sich gleichfalls vom Kampfplatz entfernen. Um 4 Uhr 45 Minuten mußte
ein drittes britisches Kriegsschiff schwer beschädigt unter rasendem
Feuer der türkischen Batterien sich aus dem Gefecht ziehen. Es war
der schwerste Schlag für die Alliierten, als das britische Schiff
sich gezwungen sah, innerhalb des Feuerbereiches der türkischen Batterien
auf Strand zu laufen. Eine volle Stunde lang versuchten die Alliierten,
mit ihren Geschützen das der Vernichtung geweihte Schlachtschiff
zu decken, bis acht Volltreffer die Aussichtslosigkeit aller dieser Bemühungen
besiegelten. Darauf folgten weitere 10 Minuten qualvollen Rückzugskampfes.
Endlich gewannen die Schiffe der Alliierten unter einem Hagel von Geschossen
den Ausgang der Dardanellen, während die Artillerieforts das Feuer
nicht eher einstellten, als das letzte feindliche Schiff aus dem Feuerbereich
verschwunden war. Diese Schlacht brachte zum ersten Male die Schiffe der
Alliierten auf längere Zeit in den Feuerbereich der türkischen
Geschütze. Das Ergebnis war dank der Treffsicherheit der türkischen
Artillerie für die Feinde entsetzlich, die ihrerseits, obwohl sie
annähernd 2000 Granaten abfeuerten, keine Batterie zum Schweigen
brachten. Über die tatsächlichen Ergebnisse der Schlacht wurde
bereits berichtet. Der Verlauf des Kampfes hat das Selbstvertrauen der
türkischen Mannschaften gewaltig gesteigert. Alles steht den kommenden
Entwicklungen zuversichtlich entgegen."
Konstantinopel,
21. März. (W. B.)
Die Blätter melden, daß das zweite französische Kriegsschiff,
das während des Kampfes am 18. März beschädigt worden ist,
an der Küste von Tenedos gesunken sei. Die Besatzung sei durch ein
anderes Schiff gerettet worden. Es würde sich hier um das Linienschiff
"Gaulois" handeln.
London,
21. März. (Priv.-Tel.)
Die Blätter, die den Bericht der Admiralität über den
großen Verlust der Schiffe bei der Operation gegen die Dardanellen
enthalten, veröffentlichen am Schlusse dieses Berichtes noch folgende
Mitteilung, die nicht in das Ausland gelangt war: Am 16. dieses Monats
wurde der Vizeadmiral Carden durch Krankheit dienstunfähig. Er wurde
durch den Vizeadmiral John Michael De Robeck ersetzt, der jetzt also der
Befehlshaber der englischen Flotte ist, die gegen die Dardanellen operiert.
Berlin,
21. März. (W. B.)
Die "Norddeutsche Allgem. Zeitung" schreibt zu dem Kampf
um die Dardanellen:
Je mehr Einzelheiten über die Ereignisse in den Dardanellen bekannt
werden, um so höher erscheint der Erfolg, den die türkischen
Waffen gegenüber den englisch-französischen Angreifern errungen
haben. Schon jetzt läßt sich sagen, daß die Kämpfe
sich den ruhmreichsten kriegerischen Taten der Osmanen würdig anreihen,
und daß sie, wenn erst ihre Durchführung bis zum siegreichen
Ende vorliegt, zu den glänzendsten Leistungen der europäischen
Kriegsgeschichte überhaupt zu rechnen sein werden. Freilich geben
England und Frankreich, wie aus den Londoner und Pariser Berichten hervorgeht,
die Sache noch nicht verloren, sondern kündigen erhöhte Anstrengungen
zu Wasser und zu Lande an. Die vorzügliche Haltung der Verteidiger
der Dardanellen läßt jedoch erwarten, daß sie auch den
weiteren Anforderungen sich gewachsen zeigen. Ganz Deutschland folgt den
Geschehnissen an den Zugängen zur Hauptstadt des Osmanenreiches mit
lebhafter Anteilnahme und wünscht unseren tapferen osmanischen Verbündeten,
daß sie die entscheidenden Schläge vernichtend führen. 2)
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