Die
Schandtaten der Russen in der Bukowina
Kriegspressequartier,
1. März. (Priv.-Tel.)
Während meiner nun abgeschlossenen Bereisung der Bukowina auf verschiedenen
Linien war ich bemüht, die im Kriege stets vorkommenden Übertreibungen
der Schandtaten des Feindes objektiv zu prüfen. Die von mir eingesehenen
Protokolle, mit deren Aufnahme alle zuständigen Behörden der Bukowina
noch sehr beschäftigt sind, sowie mündliche Angaben der Gendarmerieoffiziere
haben leider furchtbare Tatsachen ergeben. In Czernowitz wurden noch zur
Zeit der dortigen Russenherrschaft 142 Protokolle über Raub, schwere Verletzungen
und Schändung aufgenommen, die sämtlich kein Eingreifen der russischen
Behörde bewirkten. Auf Beschwerde wurde erklärt, man solle froh sein,
daß überhaupt Protokolle aufgenommen werden. In der Stadt waren das Judenviertel,
die Offizierswohnungen und die Villenstadt, in der viele Beamte wohnten,
die beliebtesten Gegenden für schwere Exzesse. Besonders die Bahnhofstraße,
die Judengasse und die Springbrunnengasse wurden heimgesucht. In Sadagora
und der Vorstadt nördlich des Pruth, in Sucka, wurde am Tage des letzten
Abzuges, am 17. Februar, noch ein Pogrom veranstaltet, wobei vier Juden
getötet wurden, einer darum, weil er seine junge Frau vor der Schändung
bewahren wollte. Bei Sereth wurde sogar der griechisch-orientalische Pfarrer
geprügelt, an einen Baum gebunden und dann gezwungen, der Schändung seiner
eigenen Frau zuzusehen. In Jablonitza wurde ein Haus angezündet und verboten,
etwas daraus zu retten. Der unglückliche Besitzer, ein Jude, holte sich,
um in der kalten Nacht nicht zu erfrieren, trotzdem zwei Decken. Er wurde
gekreuzigt und ein Posten bis zum Eintritt des Todes aufgestellt. Es ist
dies das Dorf am Bialy-Czeremos, nicht das unweit gelegene Jablonica am
Tatarenpaß. Der grauenhafteste Mord wurde aber am 14. Februar an dem reichsten
Bürger von Storozynetz südlich Czernowitz begangen. Er wurde nachts ohne
Angabe eines Grundes aus dem Bette geholt, am Morgen von vier Soldaten
abgeführt und gehängt, der Strick riß jedoch, worauf Isaak Zellermayer
der Hals durchschnitten wurde. Dann stachen die Russen der Leiche die
Augen aus, beraubten sie und ließen sie nackt im Schnee liegen. Ich selbst
habe in Storozynetz noch einen Zettel auf einer Telegraphenstange kleben
gesehen, wo aus Todesangst vor den Russen nur gesagt war: "Ein jähes
Geschick hat ihn uns plötzlich entrissen." Dies einige Beispiele
der Bestialität russischer Truppen in der Bukowina. Ausdrücklich muß ich
aber hervorheben, daß sich die Turkmenen unter den Russen musterhaft benommen
haben. Sie sagen, ihre Religion verbiete ihnen jede Gewalttat an der unschuldigen
Bevölkerung.
Frhr.
Kurt v. Reden,
Kriegsberichterstatter.2)
|