Der
Glorreiche Kampf bei Soissons
v. Lochow |
Wichura |
Berlin, 16.
Januar. Aus dem Großen Hauptquartier wird uns geschrieben: Die in den letzten Tagesberichten nur kurz mitgeteilten Kämpfe nördlich Soissons
haben zu einem recht beachtenswerten Waffenerfolg für unsere Truppen geführt,
die dort unter Leitung des Generals der Infanterie v. Lochow und des
Generalleutnants Wichura gekämpft und gesiegt haben. Während des
Stellungskrieges der letzten Monate hatten die Franzosen in der Gegend von
Soissons aus einem Gewirre von Schützengräben bestehende Stellungen inne, die
sich auf dem rechten Aisneufer brückenkopfartig nordwärts ausdehnten. Auf dem
Westflügel des in Frage kommenden Kampffeldes steigt westlich der Bahn Soissons
- Laon aus dem breiten Flußtal eine vielfach zerklüftete und reich bewaldete
Höhe empor, auf deren oberstem Teil die Gräben von Freund und Feind einander
dicht gegenüber lagen, beide Teile bestrebt, sich durch Sappenangriff in den Besitz des höchsten Punktes zu setzen.
Östlich der Höhe liegt zu ihren Füßen im Tal das Dorf Crouy; an diesem vorbei
zieht in einem tief eingeschnittenen Grunde die Bahn Soissons - Laon nordwärts.
Dicht östlich der Bahn sind eine Reihe von Steinbrüchen, in denen sich unsere
Soldaten meisterhaft eingebaut hatten. Die sogenannte Steinbruchstellung bildet
den westlichen Ausläufer der Hochfläche von Vregny, die sich lang und breit
östlich der Bahn ausdehnt und die in ihrem ganzen südlichen Teile in
französischem Besitz war. Von der Flußseite her schneiden mehrere lange und
tiefe Schluchten in die Hochfläche ein. In ihnen fand die schwere Artillerie der
Franzosen eine sehr günstige Aufstellung. Die am Rande der Hochfläche auf Bäumen
hinter Stahlblenden und Brustpanzern sitzenden Beobachter lenkten das Feuer der
schweren Geschütze flankierend gegen die deutschen Stellungen auf der genannten
bewaldeten Höhe. Dieses Flankenfeuer richtete sich vor allem gegen die
Schützengräben des Leib-Regiments und war am ersten Weihnachtsfeiertag ganz
besonders heftig. Unter ungeheurem Munitionsaufwand setzte es am 7. Januar
erneut ein; die brave Truppe hatte viel zu leiden; eine Stellung, der sogenannte
Maschinengewehrgraben, wurde buchstäblich vom feindlichen Feuer eingeebnet, die
darin befindlichen Maschinengewehre wurden verschüttet. Nach dieser
Feuervorbereitung schritt der Gegner am 8. Januar zum Angriff. Er drang auf
einer Frontbreite von etwa 200 Meter in die deutschen Schützengräben ein und
konnte trotz zahlreicher Versuche daraus nicht wieder vertrieben werden. Es kam
hier in den Tagen und Nächten bis zum 11. Januar zu außerordentlich heftigen
Nahkämpfen, wie sie erbitterter und blutiger kaum gedacht werden können; hier
kämpfende Turkos fochten nicht nur mit Gewehr und Bajonett, sondern bissen auch
und stachen mit dem Messer. Die Lage drängte zu einer Entscheidung. Am 12.
Januar setzten die deutschen Truppen zu einem Gegenangriff ein, der sich
zunächst weniger gegen die bewaldete Hohe selbst als gegen die beiderseits
anschließenden französischen Stellungen richtete. Schlag 11 Uhr erhoben sich
zunächst aus der Steinbruchstellung unsere wackeren Soldaten, die in den Monaten
des Harrens und Schanzens von ihrem Angriffsgeiste nichts eingebüßt hatten und
entrissen in kühnem Ansturm dem Feinde seine zunächst gelegenen Schützengräben
und Artillerie-Beobachtungsstellen. Sogleich ließ das französische Flankenfeuer
gegen die bewaldete Höhe nach. Das Hauptziel dieses ersten Angriffs war kaum
erreicht, als eine Stunde später um zwölf Uhr mittags auf dem äußersten rechten
Flügel unsere tapferen Schützen sich erhoben und im siegreichen Vorschreiten
einen Kilometer Gelände gewannen. Nunmehr wurde auch zum Angriff gegen die
bewaldete Hohe angesetzt, der Franzose zuerst aus den deutschen, dann aus seinen
eigenen Gräben hinaus- und die Höhe hinuntergeworfen, wo er sich auf halbem
Hange wieder setzte. Wie aus Gefangenenaussagen hervorgeht, glaubten die
Franzosen, daß die erwartete Fortsetzung des deutschen Angriffs von der
bewaldeten Kuppe, also vom rechten deutschen Flügel, ausgehen würde. In
Erwartung eines Stoßes aus dieser Richtung warfen sie namhafte Verstärkungen
nach dieser Stelle. Von den eroberten französischen Beobachtungsstellungen aus,
wo das ganze Aisnetal samt Soissons mit Kathedrale zu Füßen liegt, konnte das
Herankommen dieser Reserven auf Kraftwagen und mit Eisenbahn gut beobachtet
werden. Der deutsche Angriff erfolgte am 13. Januar aber an ganz anderer Stelle.
Völlig überraschend für den Gegner war es Mitte und linker Flügel der Deutschen,
die sich als Angriffsziel die Besitznahme der Hochfläche von Vregny gesetzt
hatten, auf der sich der Feind in einem ganzen System von Schützengräben
eingerichtet hatte und ganz sicher zu fühlen schien. Wiederum war es der
Schlag der Mittagsstunde, der hier unsere Truppen zu neuen Taten aufrief. Punkt
zwölf kam Leben in die deutschen Gräben, es folgte ein mächtiger Sprung; 12 Uhr
3 Minuten war die erste Verteidigungslinie der Franzosen, 12 Uhr 13 Minuten die
zweite genommen, ein Flankenangriff von dem Wald von Vregny kam bei der
Schnelligkeit des Vorgehens gar nicht mehr zur Wirkung, und am späten Nachmittag
des 13. Januar war der ganze Hochflächenrand in deutscher Hand. Der Feind
vermochte sich nur noch in den Mulden und auf den zum Aisnetal hinabfallenden
Hängen zu halten. Das Gelingen dieses deutschen Angriffs brachte die in Gegend
der bewaldeten Höhe gegen den deutschen rechten Flügel vordringenden Franzosen
in eine verzweifelte Lage. Denn als am 14. Januar der äußerste rechte Flügel der
Deutschen seinen umfassenden Angriff wieder aufnahm, und aus der Mitte - über
Crouy - deutsche Truppen westwärts einschwenkten, da blieb den gegen die
bewaldete Höhe vorgedrungenen Franzosen nichts anderes übrig, als sich zu
ergeben. Ein Zurück gab es jetzt nicht mehr, da die deutsche schwere Artillerie
das Aisnetal beherrschte. Am gleichen Tage wurde der Feind auch von den Hängen
der Höhen von Vregny hinuntergeworfen, soweit er nicht schon während der Nacht
gegen und über die Aisne zurückgeflutet war. Eine Kompagnie des Leibregiments
drang bei der Dunkelheit sogar bis in die Vorstädte von Soissons ein. Unsere
Patrouillen säuberten das ganze Vorgelände bis zur Aisne vom Feinde. Nur in dem
Flußbogen östlich der Stadt vermochten sich französische Abteilungen noch zu
behaupten. In den mehrtägigen Kämpfen bei Soissons wurde der Feind auf einer
Frontbreite von etwa zwölf bis fünfzehn Kilometer um zwei bis vier Kilometer
zurückgeworfen trotz seiner starken Stellungen und trotz seiner numerischen
Überlegenheit. Auf seiner Seite hatten die 14. Infanterie- und 55.
Reservedivision, eine gemischte Jägerbrigade, ein
Territorial-Infanterieregiment, außerdem Turkos, Zuaven und marokkanische
Schützen gefochten. Von dieser Truppenmacht gerieten mehr als 5000 Mann in
deutsche Gefangenschaft; die Kriegsbeute war sehr ansehnlich. Es wurden
erobert: 18 schwere, 17 leichte Geschütze, ferner Revolverkanonen, Zahlreiche
Maschinengewehre, Leuchtpistolen, Gewehr- und Handgranaten, endlich
außerordentlich große Mengen von Infanterie- und Artilleriemunition. Diesen
glorreichen Kampf führte die deutsche Truppe nach langen Wochen des Stilliegens
in einem Winterfeldzuge, dessen Witterung Regenschauer und Sturmwinde waren.
Auch an den Kampftagen selbst hielten Regen und Wind an. Die Märsche erfolgten
auf grundlosen Wegen, die Angriffe über lehmige Felder, durch verschlammte
Schützengräben und über zerklüftete Steinbrüche. Vielfach blieben dabei die
Stiefel im Kot stecken, der deutsche Soldat focht dann barfuß weiter. Was unsere
wundervolle Truppe zwar schmutzig anzusehen, aber prachtvoll an Körperkraft und
kriegerischem Geist da geleistet hat, ist über alles Lob erhaben. Ihre
Tapferkeit, ihr Todesmut, ihre Ausdauer und ihr Heldensinn fanden gebührende
Anerkennung dadurch, daß ihr oberster Kriegsherr, der in jenen Stunden unter
ihnen weilte, die verantwortlichen Führer noch auf dem Schlachtfelde mit hohen
Ordensauszeichnungen schmückte. Bekanntlich wurde General der Infanterie v.
Lochow mit dem Orden Pour le Merite und Generalleutnant Wichura mit dem Komtur
des Hausordens der Hohenzollern ausgezeichnet. Neben einer energischen
zielbewußten und kühnen Führung und der großartigen Truppenleistung ist der
Erfolg der Schlacht bei Soissons der glänzenden Zusammenarbeit aller Waffen, vor
allem der Infanterie, Feldartillerie, Fußartillerie und der Pioniere zu
verdanken, die sich gegenseitig aufs vollendetste unterstützten. Auch die
Fernsprechtruppe hat nicht wenig zum Gelingen des Ganzen beigetragen. Auf
Truppen und Führer solchen Schlages kann das deutsche Volk stolz sein. 1)
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