Der Weltkrieg am 6. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

Ostfront 1914: Lodz nach der Einnahme durch die deutschen Truppen
Lodz nach der Einnahme durch die deutschen Truppen

 Der deutsche Heeresbericht:

Günstiger Verlauf der Kämpfe um Lodz

Großes Hauptquartier, 6. Dezember, vormittags.
Heute nacht wurde der Ort Vermelles (südöstlich Béthune), dessen weiteres Festhalten im dauernden französischen Artilleriefeuer unnötige Opfer gefordert hätte, planmäßig von uns geräumt. Die noch vorhandenen Baulichkeiten waren vorher in die Luft gesprengt worden, unsere Truppen besetzten ausgebaute Stellungen östlich des Ortes. Der Feind konnte bisher nicht folgen.
Westlich und südwestlich Altkirch erneuerten die Franzosen ihre Angriffe mit erheblicheren Kräften ohne Erfolg, sie erlitten starke Verluste.
Im übrigen im Westen keine nennenswerten Ereignisse.
Auf dem Kriegsschauplatz östlich der Masurischen Seenplatte verhielt sich der Gegner ruhig.
Der Verlauf der Kämpfe um Lodz entspricht nach wie vor unseren Erwartungen.
In Südpolen keine Veränderungen.

Oberste Heeresleitung. 1)

Karte zum 1. Weltkrieg

 

Einnahme von Lodz

Großes Hauptquartier, 6. Dezember, nachmittags.
Lodz heute Nachmittag von unseren Truppen genommen. Russen nach schweren Verlusten dort im Rückzuge.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Erfolgreicher Fortgang der Schlacht in Polen

Wien, 6. Dezember, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die Schlacht in Polen nimmt einen für die Waffen der Verbündeten günstigen Fortgang. Die nach Westgalizien vorgerückten russischen Truppen wurden gestern von unseren und deutschen Truppen von Süden her angegriffen. Die Verbündeten nahmen 2200 Russen gefangen und erbeuteten einige feindliche Trains.
In den Karpathen fanden Teilkämpfe statt. Der in die Beskid-Stellung eingebrochene Gegner wurde Zurückgeworfen und verlor 500 Gefangene.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.

Neue Kämpfe mit den Serben

Wien, 6. Dezember.
Vom südlichen Kriegsschauplatz wird amtlich gemeldet:
Südlich Belgrad gewinnen unsere Truppen Raum. Westlich Arandjelovatz und Gornij Milanovatz zog der Gegner neue Verstärkungen heran und setzte seine heftigen Angriffe gegen Westen fort. In die von unseren Truppen besetzten serbischen Gebietsteile, die fast vollkommen verödet angetroffen wurden, beginnen allmählich die geflüchteten Bewohner zurückzukehren. Ungefähr 15000 Einwohner verblieben in Belgrad. Die neu eingesetzte Stadtverwaltung übt bereits ihre Funktionen aus.
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 Der türkische Heeresbericht:

Türkische Erfolge bei Batum

Konstantinopel, 6. Dezember. (W. B.)
Das Große Hauptquartier teilt mit:
Wir haben Keda, einen ziemlich wichtigen Punkt östlich von Batum, besetzt. Durch einen kühnen Handstreich haben unsere Truppen die Elektrizitätswerke von Batum außer Tätigkeit gesetzt und dabei einige Gefangene gemacht. 300 Russen, die von Batum vorgeschickt worden waren, um eine von uns besetzte Brücke wieder zu nehmen, fielen in einen Hinterhalt und wurden vollständig aufgerieben.
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Die Leiden der jüdischen Bevölkerung in Russisch-Polen

Wien, 6. Dezember. (Priv-Tel.)
Vom Preßbureau des obersten polnischen Nationalkomitees wird über das Verhalten der russischen Truppen gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Russisch-Polen mitgeteilt: In Radom wurden, nachdem die Truppen der Verbündeten die Stadt verlassen hatten, einige Juden gehängt, wie auch in Kielce, wo außerdem die russischen Soldaten jüdische Häuser gründlich geplündert haben. Einen weit größeren Umfang nahmen die Judenpogrome in den Städten des Warschauer Gouvernements an. In Lowicz und Sochaczew wurde eine größere Anzahl Juden getötet und ihre Habe vernichtet. In Skierniewice wurden, als der russische Generalstab eingezogen war, sämtliche Juden unter militärischer Eskorte über die Stadtgrenze gewaltsam hinausgeführt und auf freiem Felde in Frost und Kälte einige Tage und Nächte behalten.
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Der Reichskanzler und Graf Berchtold

Wien, 6. Dezember. (W. B.)
Der Minister des Auswärtigen, Graf Berchtold, hat an den Reichskanzler v. Bethmann Hollweg folgendes Telegramm gerichtet:

"Zu der bedeutenden Rede Ew. Exzellenz in der vorgestrigen Sitzung des Reichstages bitte ich Hochdieselben meine wärmsten Glückwünsche entgegennehmen zu wollen. Der Geist der mutigen Entschlossenheit zu den schweren Opfern und der Gott vertrauenden Zuversicht, der die heldenmütigen und ruhmreichen Scharen unserer verbündeten Armeen und Flotten zu immer neuen Erfolgen führt und den das ganze deutsche Volk in bewunderungswürdiger Einmütigkeit mit seinen kämpfenden Söhnen und Brüdern teilt, fand seinen machtvollen Ausdruck in dem Gelöbnis, bis zum letzten Atemzuge auszuharren, damit dieser opferreiche Krieg nicht vergebens geführt wird. Diese denkwürdige Kundgebung erweckt bei allen Völkern Österreich-Ungarns, die von dem gleichen unerschütterlichen Willen zum Siege erfüllt sind und auf den Erfolg unserer gerechten Sache zuversichtlich vertrauen, einen starken Widerhall, besonders aber wird unsere tapfere Armee, die mit Stolz an der Seite der deutschen Waffenbrüder kämpft, die warme Anerkennung ihrer Leistungen mit freudiger Genugtuung wahrnehmen. Berchtold."

Die Antwort des Reichskanzlers lautet:

"Ew. Exzellenz danke ich aufrichtigst für den Ausdruck des warmen Interesses an dem Verlaufe der von erhebendem Patriotismus getragenen vorgestrigen Reichstagssitzung. Die mir gewidmeten freundlichen Worte haben mich lebhaft erfreut und mir gleichzeitig erneut den willkommenen Beweis dafür gegeben, daß unser gemeinsames Streben dahin geht, den treu verbündeten Monarchien einen der Größe und der Kraftentfaltung würdigen Erfolg zu sichern. Der mutigen Entschlossenheit der Führer, dem Heldentum unserer vereinten herrlichen Truppen und der Opferwilligkeit und Mitarbeit der Völker wird es bestimmt gelingen, allen Widerstand zu überwinden und unseren Fahnen den endgültigen Sieg zu erringen. Bethmann Hollweg." 2)

 

Deutsch-Osmanischer Freundschaftsbund

Eine wichtige Gründung wurde am Mittwoch, den 2. Dezember 1914 in Berlin vollzogen: Zahlreiche Angehörige der besten Kreise der Reichshauptstadt hatten sich zusammengefunden, um den heutigen Verhältnissen Rechnung tragend, die Gründung eines "Deutsch-Osmanischen Freundschaftsbundes" in die Wege zu leiten. Unter den Anwesenden befand sich auch ein bekannter deutscher Offizier, der als türkischer Pascha jahrelang Organisator des osmanischen Heeres gewesen war. Regierungsrat a. D. Justizrat Künstler setzte zunächst die Gründe auseinander, die die Veranlassung zu der Versammlung gewesen seien. Heute seien die prophetischen Worte des deutschen Kaisers bei seinem Besuch in Damaskus, daß er stets ein Freund der Mohammedaner sein werde, in tatkräftige Erfüllung gegangen: das Osmanenreich kämpfe heute vereint mit dem Germanentum, in der festen Überzeugung, daß ein Sieg der Feinde Deutschlands und Österreichs gleichbedeutend mit dem Untergang der Türkei wäre. Es gelte jetzt, aus dem dritten Verbündeten Deutschlands einen Freund zu machen und diese Freundschaft für Jahrhunderte zu festigen. Die Völker sollten einander nähergebracht werden und nicht nur in Waffenbrüderschaft, sondern in innerlicher Freundschaft und kulturellem gegenseitigen Verstehen sollten ihre Seelen zusammenklingen. Mit der Gründung bezwecke man lediglich ethisch-ideale Gesichtspunkte; alle Rücksichten politischer oder konfessioneller Art seien ausgeschlossen. Von den anwesenden Angehörigen des Osmanenreichs führte dann Jussuf Ivio Bey, früherer handelstechnischer Gesandtschaftsattache, in temperamentvoller Weise aus, wie gerade deutsche und osmanische Art so gut zusammenpasse und wie Deutschland stets in der Türkei als wahrer Freund betrachtet worden sei, der nicht wie andere Nationen unter dem heuchlerischen Deckmantel der Freundschaft stets den Untergang der Türkei betrieben habe. Nach angeregter Aussprache, in der wiederholt darauf hingewiesen wurde, daß die neue Vereinigung nur ethisch-kulturelle Ziele im Auge habe, trotzdem aber mit andersgearteten Vereinigungen, die rein kommerzielle Zwecke verfolgen, getreu Hand in Hand arbeiten wolle, erfolgte die Gründung des Bundes und die Feststellung eines vorläufigen Arbeitsausschusses, in dem angesehene Angehörige von Parlament und Presse, von Handel und Industrie, aus militärischen, kirchlichen und künstlerischen Kreisen die Vorbereitungen für die weiteren Veranstaltungen durchführen werden. Zum Vorsitzenden wurde Justizrat Künstler gewählt; zweiter Vorsitzender wurde Jussuf Ivio Bey. Die Geschäftsstelle befindet sich zunächst Kurfürstenstraße 66/67. Größere Kundgebungen in aller Öffentlichkeit sollen den Deutsch-Osmanischen Freundschaftsbund auf die breite Grundlage stellen, deren er zu seiner Wirksamkeit im deutschen Volk bedarf. In Konstantinopel wird gleichzeitig die Gründung eines "Osmanisch-Deutschen Freundschaftsbundes" erfolgen. 2)

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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