Der Weltkrieg am 16. Oktober 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Besetzung von Brügge und Ostende

Großes Hauptquartier, 16. Oktober, mittags.
Brügge wurde am 14. Oktober, Ostende am 15. Oktober von unseren Truppen besetzt.
Heftige Angriffe der Franzosen in der Gegend nordwestlich von Reims sind abgewiesen worden.
Die Franzosen melden in ihren amtlichen Bekanntmachungen, daß sie an verschiedenen Stellen der Front, z. B. bei Berry au Bac nordwestlich von Reims, merklich Fortschritte gemacht hätten. Diese Meldungen entsprechen in keiner Weise den Tatsachen.
Die Russen versuchten am 14. Oktober sich wieder in den Besitz von Lyck zu setzen. Die Angriffe wurden zurückgewiesen. 800 Gefangene, ein Geschütz und drei Maschinengewehre fielen in unsere Hände.
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Die Kämpfe im Westen

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb am 16. Oktober 1914:
Die Ereignisse in Nordfrankreich, von denen für kurze Zeit der Blick durch den Fall Antwerpens abgelenkt worden ist und deren Entwicklung in ein langsameres durch die Natur der Kämpfe und die Steigerung unserer Aktivität an anderer Stelle bedingtes Tempo gekommen war, sind wieder in einen Abschnitt größerer Lebendigkeit getreten. Während durch den Sinn unserer zentralen Stellung zwischen Oise und Maas, die wir als festes Rückgrat der ganzen Operationen betrachten können, die Ruhe zwanglos erklärt wird, von der die beiderseitigen amtlichen Berichte im großen Ganzen übereinstimmend berichten, und während die ungeheure Schwierigkeit der Verhältnisse an der Maaslinie einen nur allmählichen, mit zeitraubenden Mitteln erzielten Fortschritt gestattet, ist der nördlichste Teil unseres rechten Flügels in ständigem Fluß geblieben. Dort sind mächtige Kräfte angesetzt worden, die im Gebiet von Lille und Hazebrouk bedeutende strategische Fortschritte für uns erzwungen haben. In diesem französischen Teil Flanderns hat sich eine Entwicklung vorbereitet, die nicht nur vereinzelte taktische Erfolge durch die Einnahme der Festung Lille und die Niederlagen, die die französische Truppen in den letzten Tagen erlitten haben, erzielte, sondern die der gesamten strategischen Lage der französischen Armee eine durchgreifende Änderung bereiten dürfte. Über den Wert einzelner Städte und schließlich auch einzelner Bahnlinien läßt sich streiten. Immerhin vertragen sich die Versuche unserer Gegner, die Bedeutung der Einnahme von Lille zu verkleinern, schlecht mit der großen Genugtuung, die die "Times" kürzlich äußerte, als ihr Kriegsberichterstatter meldete, daß eine deutsche Abteilung bei Lille habe zurückweichen müssen.
Wenn der englische Bericht richtig ist, wonach die Kämpfe, die der Einnahme der Stadt vorangingen, viele Tage lang angedauert haben, dann wird die Tatsache der Besetzung dieser Stadt und noch mehr der Umstand, daß nach französischem Bericht schon vorgestern eine deutsche Armee in der Linie Bailleul - La Basse (also erheblich westlich von Lille) vorgegangen ist, zu einem vollgültigen, wenn auch ungewollten Anerkenntnis des strategischen Wertes unser neuen Stellungen durch unsere Gegner. Aus den amtlichen Berichten wissen wir, daß unsere Kavallerie bis weit über Hazebrouk hinauf, ja sogar bis an die Meeresküste streift. So ist dort oben im französischen Flandern dicht bei der Grenze Belgiens eine feste Sperre durch unsere Truppen errichtet worden - französische Berichte sprechen bald von der Einsetzung neugebildeter Formationen, bald von dem Eingreifen der vor Antwerpen freigewordenen Kräften und je stärker die deutschen Truppenmassen südwärts drücken, desto bedenklicher wird die Lage der gesamten französischen Flügelarmee. Der neue Vorstoß der Franzosen bei Albert, den der letzte deutsche Tagesbericht meldet, zeigt deutlich das Bestreben der französischen Heeresleitung, durch eine Offensive im Zentrum der Flügelstellung der bedrängten Nordhälfte Luft zu schaffen. Die Vorgänge bei Lille werden auch den in den äußersten Westen Belgiens geflüchteten Belgiern und Engländern zum Verhängnis werden, die nach ihrem Rückzug aus Antwerpen dorthin geeilt sind, um sich mit neugelandeten Streitkräften der Verbündeten zu vereinigen und um mit dem vorgeschobenen linken Flügel der Franzosen nördlich von Lille zusammenzuarbeiten. Aber der deutsche Keil hält die beiden Heere auseinander, und starke Kräfte treiben das Antwerpener Heer zur Küste. In drei Gruppen scheinen sich unsere Divisionen vorzuschieben, von Ekloo aus gegen Brügge, von Courtrai (Kortryk) gegen Thourout und von Ypern gegen Dixmuiden. In Ypern selbst sollen mehrere Tausend Marinesoldaten der Verbündeten von den Deutschen eingeschlossen worden sein.

 

Die Kämpfe in Flandern

Amsterdam 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Der "Nieuwe Rotterdamsche Courant" berichtet aus Maastricht: Die Reste des belgischen Heeres aus Antwerpen, das sich aus der Umgegend von Ostens in Richtung nach Dünkirchen zurückzieht, werden bei ihrem vollständig desorganisierten Abmarsch zwischen Dixmuiden und Roulers durch französische Marinetruppen und einige Kavallerieabteilungen geschützt, die in dieser Gegend Verschanzungen aufwarfen. Heute Donnerstag Nachmittag um zwei Uhr wurden diese Stellungen durch starke deutsche Streitkräfte aus allen Waffengattungen angegriffen. Wenn es den Deutschen, was sehr wahrscheinlich ist, gelingt, die französischen Kräfte zurückzudrängen, dann werden die deutschen Truppen rasch vor Dünkirchen erscheinen, das durch die verbündeten Armeen verstärkt worden ist. Die belgische Bevölkerung flüchtet in der Richtung nach Dünkirchen und Boulogne und vermehrt dort die Unordnung auf den Landstraßen. Da der große Verbindungsweg Brügge - Ostende - Nieuport sich in deutschen Händen befindet, so sind in der Umgebung von Dünkirchen und Boulogne in nächster Zeit ernste Kämpfe zu erwarten.
Der stellvertretende Bürgermeister von Antwerpen Dr. Franck ließ den nach Holland geflüchteten Beamten und Arbeitern der belgischen Eisenbahnen eine Reihe von Bedingungen übermitteln und forderte sie auf, so rasch wie möglich nach Belgien zurückzukehren, da es ihre Vaterlandsliebe verlangen müsse, daß die Eisenbahnen so rasch als möglich wiederhergestellt würden, um die Flüchtlinge in ihr Vaterland zurückbringen zu können. Das Eisenbahnpersonal hat sich jedoch bis jetzt noch nicht bereit erklärt, zurückzukehren, und nur einige wollen den Dienst wieder aufnehmen.

Amsterdam, 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Heute Morgen von Ostende angekommene Flüchtlinge erzählen, daß die Stadt Ostende in den Händen der Deutschen sei. Die englischen Truppen seien beim Herannahen der Deutschen teilweise in südlicher Richtung abgezogen, zum Teil per Schiff verladen worden. Englische Kriegsschiffe kreuzen in der Nordsee in der Höhe von Ostende. Die Zahl der englischen Truppen, die von Ostende aus nach Südwesten weiterziehen, wird auf 30000 Mann geschätzt.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Kämpfe in Galizien

Wien, 16. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Die Kämpfe an unserer ganzen Front von Stary-Sambor bis zur Sanmündung dauerten auch gestern an. In der Marmarosgegend nahmen die den Feind verfolgenden eigenen Abteilungen Raho in Besitz. Im Tale der schwarzen Bystrzyca ziehen sich die Russen, von unseren Truppen bei Resailowa geschlagen, gegen Zielona zurück.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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Die Säuberung Oberungarns

Wien, 16. Oktober (W. B.)
Aus dem Kriegspressequartier wird vom 15. Oktober amtlich gemeldet:
Die Vertreibung der Russen aus dem Marmaroser Komitat erfolgte nach einer Reihe siegreicher Einzelgefechte. An diesen Aktionen hatten auch Mitglieder der polnischen und ukrainischen Legion hervorragenden Anteil. Die Angehörigen dieser haben sich durch mutiges Verhalten ausgezeichnet.
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Die Versenkung der "Pallada"

Mailand, 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Der "Corriere della Sera" erhält aus Petersburg interessante Einzelheiten über den Untergang des Kreuzers "Pallada". Von der ganzen 565 Mann starken Besatzung konnten sich nur sieben Personen retten. Man nimmt an, daß mehrere Torpedos die "Pallada" getroffen haben, da sonst ein Schiff von dieser Größe nicht sofort gesunken wäre.
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Die russische Sozialdemokratie gegen die Regierung

Brüssel, 16. Oktober.
Der Vorstand der russischen Sozial-Demokratie hat an den Führer der belgischen Sozialdemokraten Vandervelde folgenden Brief gerichtet: "In Rußland herrscht die gleiche schamlose Unterdrückung und grenzenlose Aussaugung des Volkes wie früher. Auch während des Krieges, wo man erwarten konnte, daß der russische Absolutismus vorsichtiger sein würde, ist er seiner wahren Natur treu geblieben. Alle sozialdemokratischen Zeitungen sind unterdrückt, alle Arbeiterorganisationen aufgelöst worden. Verhaftungen und Ausweisungen ohne Urteil finden andauernd statt. Deshalb kann das russische Proletariat auf keinen Fall und unter keinen Umständen einen Waffenstillstand mit der russischen Regierung schließen, sondern muß ihr jede Unterstützung verweigern. Bei uns kann keine Rede von einem Bruch der Treue sein. Umgekehrt halten wir es jetzt für unsere Pflicht, vom Standpunkt der alten Forderungen, die das russische Proletariat einmütig während der letzten revolutionären Bewegung aufgestellt hat, den unversöhnlichen Kampf gegen die Regierung fortzusetzen Wir halten es für unsere Pflicht, die jetzige Lage der russischen Regierung im Interesse der russischen Freiheit auszunützen."
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Ein Gelbbuch

Paris, 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Die französische Regierung hat dem "Petit Parisien" zufolge sich jetzt endlich entschlossen, dem Drang der parlamentarischen Welt nachzugeben und ein Gelbbuch über die Vorgeschichte des Krieges zu veröffentlichen.
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Die deutsche Luftflotte

London, 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Die Zeppelinfurcht beginnt sich stärker zu äußern als zuvor. Die "Times" hält es nicht für unmöglich, daß Deutschland innerhalb weniger Monate ein Dutzend Zeppeline gegen England zur Verfügung habe und vielleicht auch ein Dutzend Parsevale - aber, so sagt das Blatt, die englischen Luftschiffe und Flugapparate würden sich noch rascher vermehren, und je länger England Zeit habe, desto besser sei es für England. Deutschlands beste Chance sei der Nebel, denn dann könnten die englischen Kanonen nur schwer die Verteidigung übernehmen. Aber während des Nebels könnten auch die deutschen Luftschiffe wiederum ihr Ziel nicht erreichen.
"Daily Chronicle" meldet mit Bezug auf die Zeppelindrohung, daß man bei Lloyds bereits für einige tausend Pfund Sterling Versicherungen gegen die Luftschiffgefahren abgeschlossen habe.

Genf, 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Aus Nancy wird gemeldet, daß dort am Mittwoch ein deutscher Flieger drei Bomben herabgeworfen hat, die auf dem Bahnhof zwischen Pont Desert und Pont Montet niedergefallen seien. Die erste bohrte angeblich ein Loch auf einer Nebengleisanlage, die zweite, die vor einem Streckenarbeiterhäuschen niederfiel, zerstörte die Telegraphenanlage und die dritte beschädigte einen Eisenbahnwagen. Drei Bahnbeamte sollen verletzt worden sein.

Berlin, 16. Oktober (Priv.-Tel.)
Bei Peronne wurde ein englisches Flugzeug durch Artillerie zum Landen gebracht.
Zwei bayerische Soldaten machten die Insassen des Flugzeuges zu Gefangenen und es stellte sich heraus, daß der eine von ihnen der Oberst Grey, ein Bruder des englischen Staatssekretärs, war.
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Tod des Leiters der auswärtigen Politik Italiens

Rom, 16. Oktober. (Priv.-Tel.)
Der Minister des Äußern, Marchese di San Giuliano, ist gestorben.
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Der 1. Weltkrieg im Oktober 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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