Der Weltkrieg am 31. August 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

Des Kaisers Dank an Hindenburg

Berlin, 31. August.
Seine Majestät Kaiser hat den siegreichen Feldherrn im Osten, General v. Hindenburg, zum Generalobersten ernannt, ihm das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen und ihm folgendes Telegramm gesandt: 

Großes Hauptquartier, 29. August 1914. 
Durch den in dreitägiger Schlacht errungenen vollen Sieg über die russische Übermacht hat die Armee sich für immer den Dank des Vaterlandes erworben. Mit ganz Deutschland bin Ich stolz auf diese Leistung der Armee unter Ihrer Führung. Übermitteln Sie den braven Truppen Meine warme Kaiserliche Anerkennung. 

Wilhelm I. R. 1)

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Drei Armeekorps vernichtet - 60000 Gefangene

Großes Hauptquartier, 31. August.
Die Armee des Generalobersten v. Kluck hat einen durch französische Kräfte unternommenen Versuch eines französischen Flankenangriffes gegen Combles durch ein Armeekorps zurückgeschlagen. - Die Armee des Generalobersten v. Bülow hat eine überlegene französische Armee bei St. Quentin vollständig geschlagen, nachdem sie im Vormarsch bereits ein englisches Infanterie-Bataillon gefangengenommen hatte. - Die Armee des Generalobersten v. Hausen hat den Gegner auf die Aisne bei Rethel zurückgedrängt. - Die Armee des Herzogs von Württemberg hat bei der Fortsetzung des Übergangs über die Maas den Feind zunächst mit Vortruppen überrascht, mußte aber bei dem Vorgehen stärkerer feindlicher Kräfte teilweise wieder über die Maas zurück. Die Armee hat dann die Maas-Übergänge wieder genommen und befindet sich wieder im Vorgehen gegen die Aisne. Das Fort Lesoyelles hinter dieser Armee ist gefallen. - Die Armee des deutschen Kronprinzen setzt ihren Vormarsch gegen und über die Maas fort. Nachdem der Kommandant von Montmedy mit der ganzen Besatzung der Festung bei einem Ausfall gefangen genommen worden war, ist die Festung gefallen. - Die Armeen des Kronprinzen von Bayern und des Generalobersten v. Heeringen stehen noch in fortgesetztem Kampf in Französisch-Lothringen.
Im Osten ist der gemeldete Sieg der Armee des Generalobersten v. Hindenburg ist von weitaus größerer Bedeutung, als bis jetzt übersehen werden konnte. Trotzdem neue feindliche Kräfte über Neidenburg angriffen, ist die Niederlage des Feindes eine vollständige geworden: Drei Armeekorps sind vernichtet; sechstausend Gefangene, darunter zwei kommandierende Generale, viele Geschütze und Feldzeichen sind in unsere Hände gefallen. Die noch im nördlichen Ostpreußen stehenden russischen Truppen haben den Rückzug angetreten.

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Ostpreußen 1. Weltkrieg: Im zerstörten Hohenstein
Im zerstörten Hohenstein

Auf den Schlachtfeldern

(Vom Kriegsberichterstatter der "Frankfurter Zeitung" auf dem östlichen Kriegsschauplatz.)

Osterode (Ostpreußen), 31. Aug. 
Ich komme soeben von den Schlachtfeldern um Hohenstein, wo wir in dreitägigem hartem Kampf einen glänzenden Sieg über die nach Nordwesten vordringenden russischen Korps erfochten. Der Vorstoß der Russen sollte über Hohenstein, das die Russen zwei Tage besetzt hielten, nach Osterode und Deutsch-Eylau zu erfolgen. Bei Hohenstein nahm nun eine deutsche gemischte Landwehrdivision den Stoß der Russen auf, unterstützt im Süden von der rechten Nebendivision, im Norden von dem aus Allenstein vordringenden Armeekorps. Die südlich von der Landwehr stehenden Truppen griffen bei Neidenburg mit stark vorgehendem rechten Flügel den Feind an, während vom Norden aus unsere Truppen über Allenstein, Wartenburg und Bischofsburg mit dem starken linken Flügel Passenheim den Gegner packten. Nun waren die Russen von drei Seiten umfaßt und nach erbittertem Kampfe nach dem Osten und Südosten in die Seen und Sümpfe geworfen. In Hohenstein selbst war der Kampf besonders erbittert. Die von den Russen besetzt gehaltene Stadt wurde von unser Artillerie überaus wirkungsvoll beschossen und steht noch jetzt zum Teil in Flammen. In Hausen sah ich dort tote Russen liegen, ebenso sind die Chausseegräben von Russenleichen voll. Die Zahl der russischen Gefangenen und der von uns eroberten Geschütze läßt sich noch nicht genau feststellen, auf allen Straßen um Hohenstein sah ich unabsehbar lange Züge von gefangenen Russen.
Mit diesem glänzenden Siege des Generalobersten Hindenburg sind die fünf bis sechs russischen Korps, die von Südosten Ostpreußen umklammern sollten, als zersprengt und somit vernichtet zu betrachten. Der Sieg ist um so bedeutungsvoller, als wir auch diesmal gegen eine bedeutende Übermacht zu kämpfen hatten.
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Die Schlacht im Südosten

Die Lage unserer Verbündeten ist weiter günstig

Österreichisches Kriegspressequartier, 31. Aug. (Priv.-Tel.)
Die Schlachten bei Lemberg dauern noch weiter an. Das Eingreifen einer neuen österreichisch-ungarischen Gruppe gegen Tomaszow schließt die ungeheure Schlachtenfront. Alle verfügbaren Kräfte sind auf beiden Seiten konzentriert. Die österreichische Situation ist weiter günstig.
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Siegesbeute aus der Schlacht bei Krasnik

Das hiesige österreichisch-ungarische Generalkonsulat stellt uns folgende Zirkulardepesche des Grafen Berchtold zur Verfügung:
"Laut Armeebefehl; General Dankl, 26. Aug.
In der ersten Schlacht bei Krasnik am 23. und 24. August wurden 6000 Gefangene gemacht, drei Fahnen, 28 Geschütze und viele Maschinengewehre erbeutet."
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Die Schlachtfelder von Lothringen

Vom Berichterstatter der "Frankfurter Zeitung" für den westlichen Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 31. August.
In flotter Fahrt jagt unser Kraftwagen die Mosel entlang. Wohin man blickt, sieht man fleißige Menschen eifrig beschäftigt, in den Weinbergen alles zur Einbringung des köstlichen Rebensaftes vorzubereiten. Von fern grüßt Burg Cochem. Auf der Mosel gleitet ein Dampfer stromab, am Heck weht die weiße Flagge mit dem roten Kreuz. In jedem Ort winkt uns die Bevölkerung freudig zu, wir gehen ja an die Front, wo fast jedes Mitglied des deutschen Volkes einen Verwandten oder Freund hat, für dessen Wohlergehen manch heißes Flehen zum Himmel emporsteigt.
Schon zeigen sich die Spuren des Krieges. Die Brückenpfeiler und Kunstbauten sind teilweise durch Stacheldrahtverhaue gesichert und an Dorfeingängen und Brücken stehen Landsturmleute, wetterfeste Gesellen, gar mancher schon im grauen Bart, die Flinte in der Faust. Zahlreiche Automobilkolonnen überholen wir; vor allem Automobilomnibusse zum Transport von Leichtverwundeten. Auch ein Aussichtswagen ist dabei. Die wundervolle Organisation des Automobilwesens ist eine wesentliche Stütze unseres Heerwesens und eine bedeutende Entlastung unserer Bahnlinien. Jetzt zeigen sich die Früchte der zahlreichen Wett- und Übungsfahrten, durch die die deutsche Autoindustrie groß geworden ist.
Über Trier fahren wir ins Luxemburgische. In der Hauptstadt wimmelt es von Militär. Die Luxemburger an sich sind höflich, man merkt aber sehr bald, daß ihre Sympathien auf französischer Seite stehen. Bei ihnen herrscht vor allem die Befürchtung vor, am Ende des Krieges von dem Sieger verschluckt zu werden, und da wir Gott sei Dank "diejenigen" sind, so sehen sie uns mißtrauisch von der Seite an. Wir suchen ihnen diese Idee auszureden. Sie hören dann sehr höflich zu, ob sie aber das glauben, was man ihnen erzählt? Dann geht es weiter gen Westen, nach Frankreich hinein. Nach scharfer Fahrt bergauf kommen wir auf ein Hochplateau bis Thierslet Villers la Montagne. Überall sind die Linien des Feldtelegraphen gezogen. Die Straßen sind durchweg ausgezeichnet wie alle Chausseen in Frankreich, wobei ich noch bemerken möchte, daß die Franzosen im Gegensatz zu den Belgiern es unterlassen haben, die Chausseen zu zerstören und die Kunstbauten zu sprengen. Sie haben also aus den Jahren 1870 die Lehre gezogen, daß sich aus Frankreich keine Wüste machen läßt. Nur hier und da sind Straßensperren durch Astverhaue oder gefällte Bäume angelegt, die jedoch in kurzer Zeit beseitigt werden. Hingegen haben sie sehr viel von gespannten Drahtseilen Gebrauch gebraucht, um die Automobile anzuhalten, und die meisten unserer Feldwagen sind deshalb mit dem bekannten Drahtseilschneider ausgerüstet.
Nun geht es bergab nach Longwy Bas hinein, das in einem tiefeingeschnittenen Tale liegt und von dem Stadtteile Longwy Haut mit der Zitadelle überragt wird. Die Stadt Longwy Bas hat nicht so stark gelitten, und hier und da hat eine zu weit gegangene deutsche Granate ein Haus zusammengeschmettert oder abgedeckt. Nahe dem Bahnhof liegt die Brauerei Janson. Ihr Dach ist teilweise durch eine Granate heruntergerissen, und das danebenliegende Haus, in das anscheinend ein Volltreffer unseres Artilleriefeuers fuhr, ist ganz zusammengestürzt. Überhaupt haben die Häuser am Bahnhof stärker gelitten als die Innenstadt. Am Bahnhof stehen Kolonnen. Eine Feldküche ist in vollem Betrieb, um die hungrigen Krieger zu speisen. Überhaupt unsere Feldküchen. Wieviel Stunden mißliebiger Arbeit werden dem Soldaten erspart und welch große Garantie für die rechtzeitige und gute Verpflegung wird durch sie geboten!
- Wir überschreiten die Bahn und fahren scharf bergauf. Jetzt passieren wir eine Villa, bei der eine Granate einen Teil der Vorderfront weggerissen hat, so daß man in das Treppenhaus hineinsehen kann. Nach einer kurzen Fahrt stehen wir am Eingang der Festung Longwy, der ersten französischen Festung, die in unsere Hände fiel. Sie liegt sehr hoch und hat nach allen Seiten ein ausgezeichnetes Schußfeld. Sehr günstig für uns war, daß der Angriff der Deutschen überraschend kam, so daß es den Franzosen unmöglich war, das Vorgelände völlig zu rasieren. Immerhin hatte der tapfere Kommandant getan, was er in aller Eile tun konnte. Störende Baumgruppen waren gekappt und die Baumkronen zu Astverhauen verwendet worden. Um das Glacis zog sich ein großes und gut angelegtes Drahthindernis. Longwy ist im Gegensatz zu den Lütticher Forts eine reine Erdbefestigung. Auch schienen mir die Betonierungen nicht so stark zu sein wie beispielsweise im Fort Loncin. Longwy wurde dafür auch nur von den im Verbande des Feldheeres mitgeführten Kalibern der schweren Artillerie des Feldheeres beschossen. Schwaben und preußische Fußartillerie brachten Longwy zu Fall. Der Erfolg der Beschießung war furchtbar. Der Ort Longwy Haut ist total ausgebrannt und die Grande Rue ein Trümmerhaufen. Vor der Kirche liegen die Trümmer eines Autos, und in einem vorn offenen Hauses das anscheinend eine Buchhandlung war, sieht man schöne Bücher halbverdeckt unter den Trümmern liegen. Die Kasematten sind teilweise zerstört. Ein deutscher Ulanenoffizier, der auf Patrouille angeschossen und verwundet worden ist und die Beschießung von Longwy als Gefangener mitgemacht hat, bestätigte die riesige Wirkung der Beschießung. Zunächst seien die Franzosen vollkommen durch den Beginn der Beschießung überrascht worden. Der erste Schuß der Deutschen riß einen Offizier und zehn Mann von der Außenwache nieder. Und dann ging es los. Geschütz auf Geschütz wurde zerstört; mit fürchterlicher Präzision hagelten die deutschen Geschosse auf die Festung nieder, die Erddecke wurde aufgewühlt und abgedeckt, das Mauerwerk schwankte und stürzte ein. Es kam vor, daß ein einziger Treffer bis in die dritte Kasematte durchschlug. Dreimal mußte der Aufenthaltsort der Verwundeten gewechselt werden, weil die Decke über ihnen große Sprünge zeigte und einzustürzen drohte.
Die Ausgänge wurden verschüttet und die Luftzuführungsschächte brachen ein. Aber inmitten dieser Hölle hielt Oberstleutnant Darche, der Kommandant der Festung, mit hervorragender Bravour aus.Von der 3700 Mann zählenden Besatzung lagen 100 tot und 400 verwundet, aber noch immer flatterte stolz die Trikolore auf den Wällen. Im Schutze des rasenden Geschoßhagels schoben sich die Deutschen heran und in der Nacht vom vierten zum fünften Belagerungstag waren sie in der Sturmstellung angelangt. In der Festung war nur noch ein Geschütz kampffähig. Oberstleutnant Darche überlegte. Den Sturm der Deutschen auf diesen Trümmerhaufen, der einst eine stolze Festung war, anzunehmen, hieß die ganze Besatzung dem sicheren Untergange weihen. Jeder weitere Widerstand war bei dem Zustande, in dem sich die Festung befand, ausgeschlossen, und so erschien denn ein Parlamentär der Franzosen durch den einzigen noch benutzbaren Ausgang, um über die Übergabe zu verhandeln. Longwy wurde übergeben. Der Rest der Besatzung marschierte in stolzer Haltung an und legte vor der Festung die Waffen nieder. Wer jedoch bei diesem Ereignis dabei war sagte, daß es tapfere Leute gewesen seien, die mit Hingebung an ihrem Führer hingen und die im Falle eines Sturmes trotz der rasenden Beschießung sämtlich auf die Wälle geeilt wären, um dort mit ihrem Kommandanten bis zum letzten Atemzuge auszuhalten. Auch dem Kronprinzen hatte die hervorragende Haltung des Kommandanten so gefallen, daß er ihm Degen und Freiheit anbot. Den Degen nahm er an, die Freiheit lehnte er ab. Hohes Lob verdient auch die Haltung von zwei barmherzigen Brüdern, die mit Todesverachtung im Granathagel Verwundete fortschafften und Sterbenden die Sakramente reichten. Weniger erfreulich wirkte die Tatsache, daß man in Longwy Dum-Dum-Geschosse und auch eine Maschine gefunden hat, um solche herzustellen. Ebenso lagen zahllose Patronen mit abgefeilter Spitze umher. Diese Verstöße gegen die elementarsten Regeln des Krieges werfen ein eigenartiges Licht auf die Grande Nation die sich sehr zu Unrecht für die kultivierteste der Welt hält. Während unserer Anwesenheit in Longwy wurde eine Franktireurbande eingebracht, die Verwundete in bestialischer Weise verstümmelt hatte. Neben gebrechlichen Greisen gingen Burschen von 14 Jahren, die stumpfsinnig vor sich hinglotzten. Es ist ein Skandal, daß man sich mit solchem Gesindel herumschlagen muß. Jetzt zur Stunde, wo ich diese Zeilen schreibe, dürften sie bereits gerichtet sein. Nur durch eiserner Strenge lassen sich derartige Ausschreitungen verhüten.
Von Longwy fuhren wir nach Villers de Chevre (westsüdwestlich von Longwy), das den Mittelpunkt des Schlachtfeldes vom 22. August bildet. Die Schlachtfelder der Armee des Kronprinzen von Preußen vom 22. August umfassen den Raum Diedenhofen - Longwy - Montmedy - Verdun. Sie werden durch den tief eingeschritten Chiers, der von Longwy nach Longuyon fließt, in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerlegt. Der Chiers bildet den tiefen Einschnitt vor Longwy Bas, den wir auf dem Wege nach Longwy passierten und den ich bereits erwähnt habe. Am 22. August marschierte die Armee des Kronprinzen an beiden Seiten von Longwy vor, während die Franzosen auf der Linie Verdun - Montmedy im Vormarsch waren. Es entwickelte sich ein Begegnungsgefecht, das sich dann zur Schlacht in der Linie Virton-Audun le Roman anwuchs. Diese erste Schlachtlinie liegt vorwärts Longwy. Longwy selbst hat mithin den Vormarsch des kronprinzlichen Heeres auch nicht eine Minute aufgehalten. Die Festung wurde vielmehr eingeschlossen und von der schweren Artillerie des Feldheeres aus einer nordwestlich Longwy hinter Wäldern gelegen Stellung unter Feuer genommen. An diesem ersten Schlachttage blieben die deutschen Waffen siegreich und der rechte Flügel der Franzosen wurde hinter den Fluß Aisne zurückgedrückt, der linke französische Flügel auf die Höhen in der Gegend von Longuyon. In dieser Stellung wurden die Franzosen erneut auf der Linie Virton - Tellaucourt - Beuville - Mercy le Bas - Landres angegriffen und unter schweren Verlusten auf der ganzen Linie geworfen. Während am 24. August der linke Flügel der französischen Armee hinter dem Chiers-Abschnitt Longuyon - Montmedy Widerstand leistete, gingen starke Kräfte aus Verdun zum Angriff gegen den linken Flügel des Kronprinzen aus der Richtung von Etain vor. Dieser Vorstoß wurde durch Einsetzen von Reserven und den Vormarsch von Truppen aus Metz erfolgreich zum Stehen gebracht. Der deutsche Angriff ging inzwischen auf der ganzen Linie vorwärts. Am 24. wurde die gesamte französische Armee hinter den Othain-Abschnitt geworfen und aus dieser Stellung am 25. August durch erneuten Angriff hinter die Maas gejagt. Die an der Maas im Anschluß an Verdun vorbereiteten Stellungen hinter der Theinte, dem Loison und auf der Cote waren die zurückweichenden Truppen nicht mehr in der Lage, trotz ihrer natürlichen und künstlichen Stärke, zu besetzen und zu halten, sondern der Rückzug der Franzosen flutete über die Maas hinüber, wo bei Grand Pré wiederum Aufnahmestellungen für sie errichtet waren.
Nun das Bild und die Eindrücke von dem Schlachtfeld selbst.
Bei Villers la Chevre, das den Mittelpunkt der Kämpfe des 22. August bildete, hatte auf einer Anhöhe eine französische Artillerielinie dicht an der Chaussee gestanden. Hier standen noch ein zurückgelassenes Geschütz und eine Anzahl Munitionswagen, von denen einer explodiert war. Da diese Munitionswagen noch den größten, einige sogar den ganzen Munitionsinhalt enthielten, so läßt sich daraus schließen, dass die Deutschen in verhältnismäßig recht kurzer Zeit die
Feuerüberlegenheit erzielt und die feindliche Artillerielinie zum Abfahren gezwungen haben. Für die Plötzlichkeit des Abfahrens der französischen Batterien spricht auch die Tatsache, daß man es versäumt hatte, das Verschlußstück des stehengebliebenen Geschützes mitzunehmen. Hier fanden wir auch eine große Anzahl der berühmten Malandrinplatten. Der Zweck derselben ist kurz folgender: Die französische Artillerie besitzt bekanntlich kein Steilfeuergeschütz. Um nun diesen Mangel auszugleichen, bedient sie sich einer Erfindung des Oberst Malandrin. Nach dieser werden mittels einer Maschine Metallplatten auf das Geschoß aufgeschraubt, um so dieses dann schwerer zu machen, den Luftwiderstand zu vergrößern und so eine gekrümmtere Flugbahn zu erreichen. Es ist dies ein ziemlich rohes Verfahren, da naturgemäß durch diese Anordnung auch die Treffsicherheit ganz außerordentlich leidet. In der Praxis hat sich diese Erfindung nach meinen Umfragen jedenfalls nicht bewährt.
Von der Stellung bei Villers la Chevre hat man auch einen sehr guten Überblick über das Schlachtfeld vom 23. August bis nach Tellancourt hinüber. Das Schußfeld ist für Artillerie für beide Teile recht gut. Nur das von Hecken umgebene Dorf Tellancourt bietet die Möglichkeit verdeckter Annäherung, ebenso auf der anderen Seite der Landstraße Waldstücke, die stark mit Unterholz durchsetzt sind und bei deren Wegnahme die Truppen in diesem unübersichtlichen Gelände stark durcheinander kommen und auch der Führung entgleiten. Auf dieser Höhe stellten wir auch fest, wie liederlich die Franzosen in der Anlage ihrer Schützengräben vorgehen. Ich lag selbst in einem drin und konstatierte, daß man ein miserables Schußfeld daraus hatte, der Schützengraben hätte mindestens 20 Meter vorwärts an dem vorderen Hange angelegt werden müssen. Ebenso nahmen sich die Franzosen fast nirgends die Mühe, die Rasendecke abzustechen und zur Belegung der Brustwehr des Schützengrabens zu verwenden. Ihre Schützengräben heben sich darum wegen ihrer auffallenden Färbung scharf vom Gelände ab und bieten gute Zielpunkte für die deutsche Artillerie.
Auch die französische Besatzung von Montmedy hatte sich nicht untätig verhalten, sie hatte einen Ausfall gemacht und überraschend deutsche Truppen im Walde angegriffen. Aber auf den Kampfeslärm kamen rasch andere Truppen heran und die Franzosen wurden unter schweren Verlusten geworfen.
Wir statteten dann auch einem Fliegerlager einen Besuch ab. Wie wir dort erfuhren, verwendet die deutsche Heeresleitung jetzt vorwiegend Doppeldecker, weil diese imstande sind, Nutzlasten von fünf bis sechs Zentner zu befördern. Die mit ihnen zu erreichende Geschwindigkeit von 90 Kilometern hat sich für die militärischen Erkundungsaufgaben als vollkommen ausreichend erwiesen und der Führer der Fliegerabteilung bemerkte sehr richtig, daß ein guter Flieger in einer Stunde mehr sieht, als die Armee in drei Tagen verarbeiten kann. Über die französischen Flieger äußerte er sich vor allem dahin, daß ihnen der persönliche Schneid nicht abzusprechen sei. Als beste Beobachtungshöhe wurden 1200 bis 1500 Meter bei klarem Wetter angegeben. Die Flugzeuge sind sämtlich mit den so oft bewährten Mercedesmotoren ausgestattet. Die Beschießung durch Artillerie wurde als nicht sehr wirksam bezeichnet; dagegen ist die Beschießung durch Maschinengewehre recht unbequem und gibt Anlaß zu sofortigem Höhergehen. Die deutschen Apparate haben auch ein vorzügliches Steigvermögen, da sie im Laufe von 17 Minuten auf 2000 Meter Höhe zu klettern vermögen. Hier hörten wir auch von dem Tode des bekannten französischen Fliegers Garros, der so viele Rekorde geschlagen hatte. Er bekam einen Artillerievolltreffer in seinen Apparat. Im Nu bildete dieser ein Flammenmeer, dann stürzte er wie ein Stein zur Erde. Im ganzen sind in dieser Gegend bis jetzt fünf französische Flieger herabgeschossen worden. Die Flieger hatten an diesem Morgen durch Erkundungsflüge in der Richtung Stenay - Beaumont - Buraney festgestellt, daß aus Grand Pré starke Kolonnen nicht gerade in bester Ordnung zurückfluten.
Charakteristisch für die Franzosen ist die miserable Ausnutzung ihres Gewehrs. Ihre Hauptstärke bleibt der Feuerüberfall. Rasendes Schnellfeuer und dann gleich wieder in Deckung. Man hat sogar in verlassenen Stellungen an Hohlwegen richtige Stufen gefunden, die sich die Leute für die Bedienung der Maschinengewehre angelegt hatten, um rasch oben zu sein; dann schnell und rasch wieder runter. Ebenso klappen den Franzosen nach verlorener Schlacht schnell die Nerven zusammen. So stieß ein Trupp von 250 Versprengten auf eine Fliegerabteilung, die von 14 Mann verteidigt wurde. Nach kurzem Feuerkampf lagen 35 der Franzosen tot oder verwundet am Boden. Der Rest ergab sich. Abgesehen von diesen Mängeln, die im Volkscharakter der Franzosen begründet sind, möchte ich jedoch betonen, daß die Franzosen, wie sie ja auch bei Longwy bewiesen haben sich durchweg recht tapfer geschlagen haben.
Longuyon ist zum größten Teil verbrannt worden. Am Tage, an dem unsere Truppen in Longuyon einrückten, wurde aus den Häusern geschossen. Die Soldaten drangen in die Häuser ein und diejenigen Bewohner, die mit der Waffe in der Hand ergriffen wurden, wurden erschossen. Dagegen schonte man die mit dem Roten Kreuz bezeichneten Häuser, in die man Verwundete legte.
Wir fuhren dann weiter über das fast gänzlich aufgeräumte Schlachtfeld, wo nur Helme die letzte Ruhestätte so vieler tapferer Krieger bezeichnen, über Pillon nach Mangiennes, an einem umgekippten und verbrannten Lastauto vorbei, den Spuren des Armeekorps nach, dem sich der alte Graf Haeseler als Kriegsfreiwilliger angeschlossen hat. Unterwegs trafen wir viele lange Kolonnen, alle scharf rechts fahrend, ohne Unruhe und Geschrei, alles in tadellosester Ordnung. In dem Dorfe Mangiennes kreuzten sich zwei Kolonnen. Das Passieren erfolgte in größter Ruhe. Auf der Höhe von Pillon fanden wir zahlreiche Schützengräben, auch hatte man dort verschiedene Straßensperren beiseite geräumt. So waren wir allmählich bis auf 30 Kilometer an Verdun herangekommen und hatten auch das Ende der verfolgenden deutschen Truppe erreicht. Von den Höhen südlich von Damvillers konnte man auch den Beginn der Einschließung der Festung Verdun beobachten.
An dem Wege nach Damvillers passierten wir eine Höhe, auf der die Franzosen den Chausseegraben recht geschickt ausgebaut und durch Anlage von Brustständen auch splittersichere Räume zum Schutz gegen Schrapnellfeuer geschaffen hatten. Ebenso war der dortige Waldrand durch einen Astverhau gedeckt. Vor Damvillers fuhren wir an einer Anzahl Kollonnenbiwaks vorbei, am Friedhof von Damvillers lagert ein Feldlazarett. Der Friedhof selbst war durch Krenelierung der Mauer zur Verteidigung eingerichtet gewesen und ist nach den vielen Kugelspuren zu schließen, auch tatsächlich verteidigt worden. Damvillers selbst ist nicht beschädigt. Während wir so dahinfuhren, flogen über uns zwei Flieger, die gegen die Maas aufklärten. Sie flogen so tief, daß man deutlich das deutsche Abzeichen, das "Eiserne Kreuz", auf den unteren Tragflächen erkennen konnte. Auf dem Marktplatz von Damvillers hatte man dann noch einen schönen friedlichen Anblick. In der Mitte des Marktplatzes steht eine alte Linde an einem Brunnen. Um diesen hatten sich die hier einquartierten Mannschaften eines Reserveregiments versammelt und sie saßen dort so friedlich, als ob sie zu Haus in ihren Dörfern auf dem Dorfplatz unter der Heimatlinde säßen. Die Pferde der so gefürchteten schweren Artillerie des Feldheeres, prachtvolle kräftige Tiere, kamen gerade vom Tränken zurück und die Feldküchen verbreiten liebliche Düfte.
Auch hinter Damvillers lag alles voll Truppen. Die wirklich sehr dominierenden Höhen, die als Anschlußbefestigung an Verdun gedacht waren, werden die Franzosen, wie bereits erwähnt, nicht mehr besetzen können. Diese Befestigungen waren an sich ganz gut angelegt, nur hätte man sie oftmals anders führen müssen, um sie im Interesse eines guten Schußfeldes ganz dem Gelände anzupassen. Auch hier stach die schwarze Erde der Brustwehr scharf von der grünen Wiesenfläche ab.
Wir wendeten uns nun nach Landres. Hier kam uns eine Brigade entgegen. Die Leute waren seit dem frühen Morgen auf dem Marsche, aber frisch kamen sie heran und man sah keine Müdigkeit oder Abspannung trotz der glühenden Hitze des Tages. In dunkler Nacht fuhren wir über Spincour, Audun le Roman nach Fentsch, der deutschen Grenzstation zurück. Wir hatten nur zwei Automobile bei uns und die Fahrt durch die menschenleeren, verbrannten Dörfer im gespenstisch leuchtenden Mondschein war seltsam erregend. Überall der Geruch des Schlachtfeldes, dieser scheußliche Brandgeruch, den man nur durch intensivstes Rauchen wieder einigermaßen los wird. Wir mußten oftmals halten, um uns zu orientieren und dann hielten wir alle die Repetierpistolen schußbereit, denn mit den Franktireuren ist nicht zu spaßen, und da heißt es auf der Hut sein. Auch die Fahrt durch die tiefeingeschnittenen Hohlwege in diesem bergigen Gelände, wo man so leicht eine auf den Pelz bekommen kann, hat ihre eigenen Reize, immerhin war ich froh, als ich endlich in einem Dorfe das "Halt! Wer da?" unsern Leute hört.
Ein Landsturmmann stand da, schußbereit, neben ihm ein Kamerad. Von da an begann die Sicherungslinie. Alle 300 Meter standen Doppelposten zur Sicherung unserer rückwärtigen Verbindungen, an allen Wegen waren Feldwachen und selbständige Unteroffiziersposten. In einem halbverbrannten Dorfe saß an einer Ecke neben einer Hausruine ein Häuflein Landsturmleute vergnügt um das Feuer. Die Nacht war warm und es ging vorwärts. Was wollen sie mehr. Fröhlich winkten sie uns zu, als wir vorbei fuhren. Wenn wir nur siegen, was machen da alle Strapazen aus. In diesem rücksichtslosen Ausschalten der eigenen Persönlichkeit liegt ein großer Teil unserer Erfolge begründet. In tiefer Nacht fuhren wir an marschierenden Kolonnen vorbei und passierten kleine Telegrapbenabteilungen, die ohne an Gefahr und Franktireurs zu denken, nur mit dem Legen ihrer Leitung beschäftigt waren. Endlich kamen wir in unserem Quartier an. Es war ein unvergeßlicher Tag für uns gewesen, und vor allem: es ging auf der ganzen Linie mit Riesenschritten vorwärts.
Der Hergang der Schlachten war kurz folgender:
Nachdem am 11. August bei Lagarde und am 12. bei Baronweiler Angriffe der im Aufmarsch befindlichen Streitkräfte siegreich für die Deutschen geendet hatten, gingen die deutschen Truppen vor den zwischen Nancy und Belfort nach Nordosten vorgehenden französischen Streitkräften zurück. Dieses Zurückweichen der deutschen Heeresmassen endete am 19. August in der Linie Metz - Morville - Bensdorf - Finstingen - Pfalzburg. Die französischen Heeresmassen waren den Deutschen gefolgt.
Am 20. August gingen die Deutschen überraschend zum Angriff über und warfen die Franzosen über die Linie Delme - Chateau Salins - Marsal - Bispingen zurück, während Saarburg noch von den Franzosen gehalten wurde.
Die heftigsten Kämpfe fanden bei Conthil zwischen Dieuze und Vergaville und bei Saarburg statt.
Am 21. August erneuerten die Deutschen ihren Angriff und warfen die Franzosen zurück in die Linie Moncel - Arracourt - Bourdonnaye - Gondrexange - Hessen - Walscheid. Am 21. August fiel Saarburg wieder in deutsche Hände. Der heftigste Kampf hat bei Saarburg getobt. Gleichzeitig drangen durch die Vogesen starke Kräfte aus St. Quirin vor, wo heftige Kämpfe stattfanden, die für die Deutschen siegreich verliefen.
Am 22. August setzten die Deutschen das Nachdrängen hinter dem geschlagenen Feinde fort, und am 23. August wurde ihr rechter Flügel durch Angriffe aus Nancy und weiter südlich festgehalten, auch fanden am selben Tage heftige Kämpfe bei Lunéville statt.
Am 24. August stand die Armee des Kronprinzen von Bayern in der allgemeinen Linie Blainville - Gerbeviller - Flin - Pole - Cirey, auch wurde an diesem Tage der Donon zurückerobert.
Am 25. August standen die deutschen Truppen in der Linie gegenüber Nancy, vorwärts Luneville, bei Blainville - Gerbviller - Menil (südlich)-Baccarat - St. Die und südlich davon. Die Verfolgung wurde fortgesetzt.
Diese vorstehend gemachten Angaben sind auf einen Vortrag aufgebaut, der uns von einem Generalstabsoffizier, dem Chef der Nachrichtenabteilung, gehalten wurde. Ein sehr wesentliche Rolle spielte in diesen Kämpfen ebenso wie in den Kämpfen bei der Armee des deutschen Kronprinzen die große Schnelligkeit, mit der die Offensive erfolgte. Die Franzosen wurden durch diesen plötzlichen Übergang der Deutschen aus rückgängiger Bewegung zur Offensive vollkommen überrascht. Den Brennpunkt des Kampfes bildete die das Vorgelände weit überragende Höhe zwischen Vergaville und Dieuze. Es ist eine mächtige Position, die eine ganz vorzügliche Stellung für Artillerie bietet, umsomehr als auch das Vorgelände fast deckungslos ist.
In Vergaville sah man noch Spuren des Kampfes, vorwiegend von Granaten. So hatte eine Granate ein Stück einer Hausmauer herausgerissen, die dann durch eingeschobene Holzbalken gestützt wurde. Am Bahnhof von Geling vorbei fahren wir nach der Höhe 330, welche die dominierende Position gegen Mörchingen und Conthil bildet. Auf der Höhe liegt die Ferme Neu-Köcking, vor der Front der Ort Liedersingen im Grunde. Hier hat am 20. ein bayerisches Armeekorps sehr schwer kämpfen müssen, um diese Anhöhe zu gewinnen Die Ferme Neu-Köcking ist ausgebrannt. Von ihr stehen nur noch Ruinen. Von der Höhe 330 sieht man noch die Stellen in den Kornfeldern, wo die Deutschen den Hang im Angriff auf die Höhe 330 hinabstiegen. Das Schußfeld ist für Artillerie von hier ausgezeichnet, für Infanterie infolge eines toten Wickels nicht so günstig. Von der Wut des Kampfes zeugen auch die zahlreichen durchschossenen Bäume auf der Höhe 330. Auch in Liedersingen hat der Kampf heftig getobt. Hier hatten die Franzosen auf den Kirchturm ein Maschinengewehr postiert. Ein Volltreffer der deutschen Artillerie zerschmetterte den Kirchturm, und Glocken und Maschinengewehr stürzten in die Tiefe. Ein großes Loch im Kirchturm aber zeugt von der großartigen Treffsicherheit unserer Artillerie.
Von Liedersingen fuhren wir nach Metz zurück. Wir bewunderten das vorzüglich angelegte Feldbahnnetz, das die Stadt mit den Forts und die Forts untereinander verbindet. In der Luft stand zur Beobachtung ein Fesselballon. Auf der Rückfahrt nach unserem Quartier sahen wir noch, daß die Brückenköpfe der wichtigen Bahnanlagen durch Scheinwerfer und Maschinengewehre gegen Fliegerangriff gesichert waren.

 

Aus Paris

Rom, 31. Aug. (Priv.-Tel.) 
Aus Paris wird gemeldet:
Deutsche Truppen sind am Sonntag in Compiegne (80 Kilometer von Paris) angekommen. Die französische Militärbehörde kündigte an, daß, da die Militärtransporte nunmehr beendet seien, die Zivilbevölkerung genügende Gelegenheit habe, in Zügen, die mit doppelter und dreifacher Wagenzahl ausgestattet werden sollen, Paris zu verlassen. In Paris hatte man bis zuletzt gehofft, daß der deutsche Vormarsch durch die verschanzten Lager von La Fere und Laon sowie durch die natürlichen Hindernisse der Bodengestaltung aufgehalten werden würde. Nunmehr tröstet man sich damit, daß das deutsche Heer infolge der riesigen Anstrengungen und Verluste erschöpft sei, während die Franzosen noch über starke und frische Reserven verfügten. Die erste Kunde von den nahenden Deutschen brachte ein deutsches Flugzeug, das in einer Höhe von 2000 Meter um Mittag eine ganze Stunde über Paris schwebte und drei Bomben herabwarf. Die erste Bombe fiel auf eine Druckerei. Die zweite explodierte vor einem Bäckereibesitzer, der an der Kasse saß; der Mann wurde durch Splitter leicht verwundet. Die dritte fiel in die Rue Recolette; zwei Frauen wurden hier schwer verwundet. Die Bevölkerung glaubte zuerst, daß eine Gasexplosion vorliege, und lief an den Stellen zusammen, wo die Detonationen gehört wurden. Bald erschienen Feuerwehr, Polizei und Bürgermeister und sperrten ab. An drei Stellen ließ der Aeroplan mit Sand beschwerte Säcke fallen; diese enthielten 2½ Meter lange Banner in den deutschen Farben sowie Schreiben des Wortlauts: "Das deutsche Heer steht vor den Toren von Paris; es bleibt Euch nichts übrig, als Euch zu ergeben."
Pichon erörtert im "Petit Journal" den Plan mehr als hunderttausend Japaner zur Unterstützung des Dreiverbandes nach Europa kommen zu lassen, was seiner Ansicht nach bei der voraussichtlich langen Dauer des Krieges wohl möglich wäre.
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Deutsche Flieger über Paris

Kristiania, 31. Aug. (Priv.-Tel.) 
Aus London wird offiziell gemeldet: Am Sonntag Nachmittag erschienen deutsche Flieger über Paris und warfen Bomben.
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Erneutes Aufgebot der französischen Streitmacht

Genf, 31. Aug. 
Der französische Kriegsminister beschloß die Jahresklasse 1914, die Reserve des aktiven Heeres, sowie die älteren Klassen der Territorialarmee einzuberufen, welche vorläufig zurückgestellt waren. (Die Territorialarmee, die in größerem Umfang aufgeboten worden ist, bildet ein besonderes Glied des französischen Heeres, das selbständig neben dessen drei Hauptteilen, dem Feldheer, der Reserve und den Ersatzformationen besteht. Die Territorialarmee bildet im Heer eine, auch im Frieden völlig organisierte Truppe mit bestimmten Standorten und eigenem Offizierskorps. Die Mannschaften der Territorialarmee stehen im Alter von 24 bis 41 Jahren, entsprechen also insoweit etwa den deutschen Landwehrleuten 2. Aufgebots. Im Kriege wird die Territorialarmee folgendermaßen verwendet: als Besatzung von Festungen, im Küstenschutz, im Felde und im Etappendienst.)
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Aus Brüssel und Löwen

Amsterdam, 31. Aug. (Priv.-Tel.) 
Das "Handelsblad" meldet, daß Bürgermeister Max von Brüssel sich die größte Mühe gebe, um Zwischenfällen vorzubeugen. Er hat einen strengen Polizeidienst mit Hilfe der Bürgerwehr eingerichtet, die mit Säbel und Revolver bewaffnet ist; Postbeamte tun Hilfspolizeidienst. Auf dem Kongreß-Platz, der die ganz Unterstadt beherrscht, stehen auf die Stadt gerichtete deutsche Kanonen. Der deutsche Kommandant überläßt die Kontrolle vollständig dem Bürgermeister und die Belgier dürfen ruhig ihre Nationalfarben im Knopfloch tragen und die Nationalfahne an den Häusern flattern lassen.
Aus Löwen meldet das "Handelsblad": Es ist Tatsache, daß Militär den Überfall der Löwener Bürger geleitet hat, da zwei Maschinengewehre bei diesen gefunden wurden. Die innere Stadt von Löwen ist nahezu völlig zerstört, darunter die Kathedrale, die alte Tuchhalle und die Universität mit der Bibliothek.
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Vom Untergang der "Magdeburg"

Hamburg, 31. Aug. (Priv.-Tel.) 
Die Geretteten des kleinen Kreuzers "Magdeburg", die gestern mit kurzem Aufenthalt über Hamburg fuhren, wurden von einer großen Menschenmenge jubelnd begrüßt und mit Liebesgaben überschüttet. Die Mannschaft äußerte sich über das Unglück wie folgt: Bei dichtem Nebel und in aller Stille folgte die "Magdeburg" einem vorausfahrenden Führerschiff, das aber infolge des stärker werdenden Nebels bald verschwand. Der Versuch, die Fahrt ohne Führer fortzusetzen, endete mit dem Auffahren auf ein Riff. Der Nebel wurde inzwischen immer dichter. Man begriff auch die ernste Lage, aber mit unerschütterlicher Ruhe erfolgten die Befehle des Kommandanten und unentwegt wurden sie von der Mannschaft mit größter Aufbietung aller Kräfte ausgeführt. Als später der Nebel sich lichtete, bemerkten erst die feindlichen russischen Schiffe die "Magdeburg" und eröffneten ein heftiges Feuer, das aufs kräftigste erwidert wurde. Der den russischen Schiffen zugefügte Schaden und die Verluste der Russen sollen ganz bedeutend sein. Als keine Rettung mehr vor den Angriffen des Feindes möglich war, erging der Befehl des Kommandanten, das Schiff in die Luft zu sprengen. Der Kommandant blieb standhaft auf seinem Posten und mit den Worten: "Rette sich, wer kann" Seine Majestät hurra!" versank er mit dem Schiff in die Tiefe. Die Mannschaft sprang darauf über Bord in die Fluten.
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Der Kreuzerkrieg

Berlin, 31. Aug. (Priv.-Tel.) 
In verschiedenen Morgenblättern wird über die Tätigkeit unserer Auslandskreuzer manches Interessante berichtet und zwar auf Grund von indirekten Nachrichten, die hier eingelaufen sind. In amerikanischen Zeitungen wird gemeldet, daß in der Nähe von San Francisco Kämpfe zwischen einem deutschen Kreuzer und einem englischen Kriegsschiff stattgefunden haben, wobei der Engländer vernichtet worden ist. Jedenfalls sind zahlreiche Wrackstücke, die unzweifelhaft von einem englischen Kriegsschiff herrühren und Spuren von Granatfeuer aufweisen, treibend gefunden worden. Es wird angenommen, daß sie von dem englischen Kanonenboot "Shearwater" oder auch von der "Algerine", einem Kanonenboot von 1000 Tonnen Deplacement und einer Bestückung von mehreren 10,2 Zentimeter-Geschützen herrühren. Aus englischen Pressenachrichten geht hervor, daß auch eine Anzahl von englischen Handelsschiffen unseren Kreuzern zum Opfer gefallen ist. Unter anderem wurde berichtet, daß die Dampfer "Hyades" (3350 Reg.-To.) und "City of Winchester" von einem deutschen Kreuzer genommen wurden. Von dem Hilfskreuzer "Kaiser Wilhelm der Große" wurde schon gemeldet, daß er den Dampfer "Galizien" der Union Castle-Line (6700 Reg.-To.) genommen, aber später wieder entlassen habe, und zwar mit Rücksicht auf die zahlreichen an Bord des Dampfers befindlichen Frauen und Kinder. Inzwischen wird aus englischer Quelle weiter bekannt, daß der deutsche Dampfer "Arucas" in Las Palmas eingetroffen sei und dort die Besatzung der englischen Dampfer "Kuipara" (7400 R.-T.) und "Nyanza" (6700 R.-T) gelandet hat. Die beiden Schiffe sind vom "Kaiser Wilhelm der Große" versenkt worden. Wie sehr trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Engländer die englische Handelsschiffahrt unter dieser energischen Tätigkeit der deutschen Kreuzer leidet, geht daraus hervor, daß wieder nach englischen Presseangaben die Kriegsversicherung für englische Handelsschiffe den ungeheuren Satz von 30 bis 40 Prozent erreicht hat.
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Der englische Seeräuberkrieg

Berlin, 31. Aug. (W. B.) 
Nach einer Meldung aus Las Palmas ist der als Hilfskreuzer ausgerüstete Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd "Kaiser Wilhelm der Große" von dem englischen Kreuzer "Highflyer" zum Sinken gebracht worden, als er in den neutralen Gewässern der spanischen Kolonie Rio del Oro vor Anker lag. - Gegen diese jedem Völkerrecht widersprechende Verletzung der Neutralitätsgesetze muß Protest erhoben werden. Großbritannien hat durch die Mißachtung der stets von allen Nationen theoretisch und praktisch anerkannten Unverletzlichkeit neutraler Hoheitsgewässer gezeigt, daß es sich nicht scheut, über die Hoheitsrechte neutraler Staaten hinwegzugehen.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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