Mit
den Truppen vor Namur
(Von
unserem Berichterstatter für den westlichen Kriegsschauplatz.)
Großes
Hauptquartier, 25. Aug. (Priv.-Tel.)
Ich war gestern in Lüttich und dann Augenzeuge der Einnahme von Namur.
Schon bald hinter der deutschen Grenze zeigten sich Spuren des erbitterten
Kampfes, den die Grenzbevölkerung gegen die deutschen Truppen geführt
hatte. Einzelne Dörfer sind total eingeäschert; mit Kolben und Bajonett
hatten sich unsere Truppen den Durchmarsch erzwingen müssen. Dieser
Widerstand war von den Behörden organisiert. Ich war zugegen, als man den
Bürgemeister von Clermont einbrachte, auf dessen Veranlassung die
Einwohner auf Deutsche geschossen hatten.
Bei Lüttich besichtigte ich zunächst das Fort Fléron, wo die
hervorragende Wirkung unserer Feldartillerie deutlich zu sehen war, dann
das Fort Loncin, worin sich auch General Leman befunden hatte. Dieses Fort
ist ein Trümmerhaufen, in dessen Mitte sich ein 50 Meter großer rund 30
Meter tiefer Trichter befindet. Gegen dieses Fort hatten vom anderen
Maas-Ufer aus zwei 42 Zentimeter-Geschütze auf eine Entfernung von 12
Kilometer gefeuert. Die dritte Granate durchschlug die Betondecke des
Munitionsraums und das Fort flog in die Luft, 150 seiner Verteidiger unter
sich begrabend.
General Leman wurde bewußtlos aufgefunden und gefangen genommen. Er ließ
sofort ein Protokoll darüber aufnehmen, daß er bei seiner Gefangennahme
bewußtlos gewesen sei, und daß er sich sonst nicht ergeben hätte. Das Fort bietet einen fürchterlichen
Anblick. Die Panzertürme sind eingestürzt, die dicken Betonmassen
aufeinander getürmt. Als das Fort Hologne, das letzte, das die Belgier in
Händen hatten, diese entsetzliche Wirkung unserer schweren Geschütze
sah, ergab es sich schon nach den ersten Schüssen der Feldartillerie.
Über den Sturm auf Lüttich werden noch folgende Einzelheiten bekannt.
Prinz Lippe fiel an der Spitze seines Regiments mit der Fahne in der Hand.
Vor einem Fort lag im Morgengrauen des Sturmtages ein Häuflein von einem
General, vier Stabsoffizieren, einigen Hauptleuten und 80 Mann. Diese
Heldenschar drang trotz wütender Gegenwehr der Belgier dann durch das
Hindernis in das Fort und überwältigte die Besatzung.
In Lüttich liegt zur Zeit ein komplettes Armeekorps. Da die Pont des
Arches gesprengt ist, fuhr ich über die sehr geschickt auf Lastkähnen
hergestellte Notbrücke und dann weiter auf Namur. Unterwegs zeigten
ausgebrannte und noch brennende Häuser, daß die Bevölkerung noch immer
nicht Vernunft annehmen wollte. In Andenne erhielten wir die Nachricht, daß
Namur gefallen sei und nur noch einige Forts Widerstand leisteten. Bereits
bei Lives erblickten wir Anzeichen, daß der Gegner in voller Flucht war.
Weggeworfene Gewehre, Käppis und Tornister lagen in Haufen herum. An
einer Straßensperre waren zwei Geschütze mit Munition stecken geblieben.
Unaufhaltsam drängten unsere Truppen dem Gegner nach, dessen Verluste außerordentlich
groß sein müssen. In Jambes, gegenüber Namur, machte ich Halt, während
der Geschützkampf zwischen unserer Artillerie und einigen Forts
fortdauerte. Der Erfolg bei Namur ist außerordentlich groß. 2)
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