Die
siegreichen Schlachten in Lothringen
(Vom
Berichterstatter der "Frankfurter Zeitung" auf dem westlichen
Kriegsschauplatz.)
Großes
Hauptquartier, 23. August.
Die gewaltigen Kämpfe an unserer Westfront sind als eine Reihe selbständiger
Operationen anzusehen, die von den einzelnen Armeegruppen durchgeführt
wurden. Die Franzosen hatten scheinbar die Absicht, in breiter Front
zwischen Metz und Straßburg vorzustoßen und gleichzeitig durch
Vorbrechen in der Linie Delle-Belfort den linken Flügel der deutschen
Aufstellung zu umfassen und so diese aufzurollen. Der erste isolierte
Versuch einer französischen Armeeabteilung wurde durch die Schlacht bei Mülhausen
abgewiesen, er war verfrüht, da die französische Heeresleitung noch
nicht ihre Massen für den zwischen Metz und Straßburg zu führenden
Hauptstoß heran hatte. Jetzt wurde dieser Plan wieder aufgenommen, und
die französische Heeresleitung setzte zum großen Offensivstoß an.
Inzwischen war auch der deutsche Aufmarsch beendet, und dem Vorstoß der
Franzosen kam die Offensive der Deutschen entgegen. Die größte Schlacht
begann, die je die Welt gesehen hatte. Die Franzosen, die teilweise zu den
besten französischen Truppen gehörten, den Bretonen und Normannen,
schlugen sich teilweise gut, aber in dem furchtbaren mehrtägigen Ringen
erlahmten ihre Nerven rascher als die der kühleren Nordländer. Mit der
den Franzosen eigentümlichen Geschicklichkeit im Ortsgefecht hatten sie
die Ortschaften und Häuser zur Verteidigung eingerichtet, Straßen und
Wege durch Verhaue gesperrt. Mit Löwenmut gingen die Deutschen drauf, zum
überwiegenden Teil Mitglieder süddeutscher Stämme: Bayern, Schwaben,
Badener. In unwegsamem Gebirgsgelände, wo auf bewaldeten Höhen die
Artillerie keinen Platz zum Auffahren und kein Schießfeld fanden, gingen
die Schützenlinien allein vor, und wo im Waldesdickicht man nahe auf den
Gegner stieß, da halfen Bajonett und Kolben, dieses Lieblingsinstrument
der Bayern, den Gegner werfen. Linientruppen und Reserven fochten famos,
mit wildem Berserkerzorn gingen auch die Landwehren drauf. Wo aber
deutsche Batterien Raum zum Auffahren und Schußfeld fanden, da fegten sie
das Gelände mit einem Eisenhagel, in dem nichts Lebendes ausdauern
konnte. Die französischen Gefangenen erzählten auch nach der Schlacht
von der mörderischen Wirkung der Artilleriegeschosse und der fabelhaften
Treffsicherheit der deutschen Batterien.
Am 20. wurden die Franzosen zurückgedrückt, und am 21. wurde die
feindliche Hauptstellung, darunter auch der bekannte Donon, erstürmt, von
dessen Gipfel aus die Franzosen im Paß von Schirmeck die von Straßburg
aus vorgehende kleine Festungsabteilung zusammengeschossen hatten. Nun gab
es kein Halten mehr, die französische Armee mußte den Rückzug antreten,
der unter dem vernichtenden deutschen Verfolgungsfeuer zur Flucht
ausartete. Geschütze und Gefangene fielen in großer Zahl in die Hände
der Deutschen. Die Gefangenen zeigten teilweise gute Haltung und Benehmen
sowie auch Schamgefühl und Schmerz darüber, unverwundet in die Hände
der Deutschen gefallen zu sein. Inzwischen drängten die Deutschen
unaufhaltsam dem Gegner nach. Unter gewaltigen Marschleistungen eilte
alles vorwärts, und nicht einmarschierte Landwehr-Regimenter rangen sich
Marschleistungen ab, die jeder Linientruppe im Augenblick des höchsten
Marschtrainings Ehre gemacht hätten. Der Vormarsch
ging in der Richtung Lunéville-Blamont. Mit dem Siege im Zentrum war aber
das ganze französische Angriffsgebäude eingestürzt, und auch die auf
dem rechten Flügel in der Gegend von Mülhausen stehenden französischen
Truppenteile zogen sich in südlicher Richtung zurück. In kurzer Zeit dürfte
daher das Elsaß ganz vom Feinde verlassen werden.
Inzwischen war auch die Armee des Kronprinzen vorgegangen und bei Longwy
auf den Gegner gestoßen. Der Ansturm der Deutschen erwies sich als so
gewaltig, daß die Franzosen an verschiedenen Stellen in voller Auflösung
geworfen wurden. Eine sofort vorstoßende Kavalleriedivision fand das Gelände
mit weggeworfenen Gewehren, Ausrüstungsstücken und Käppis übersät.
Die Verfolgung dauert noch an.
Der Sieg ist vollständig und glänzend, wie er nicht schöner gedacht
werden kann. Er gewinnt aber auch dadurch an Bedeutung, weil diese
Schlacht die größte gewesen ist, die je geschlagen wurde, da in ihr sich
auf der Gesamtausdehnung des Kampffeldes von Longwy bis Mülhausen über
zwei Millionen Menschen gegenüberstanden. 2)
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