Der Weltkrieg am 24. Januar 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Keine besonderen Ereignisse

Großes Hauptquartier, 24. Januar. 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Keine besonderen Ereignisse.
Rege Erkundungstätigkeit unserer Infanterie brachte an vielen Stellen der Front Gefangene ein. An der Bahn Bosinghe-Staden wurden 6 Maschinengewehre erbeutet. 
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Nichts Neues. 
Mazedonische Front: 
In einzelnen Abschnitten Artillerietätigkeit. Südwestlich vom Dojransee scheiterte ein englischer Vorstoß.
Italienische Front: 
Die Lage ist unverändert.

Der Erste Generalquartiermeister
   Ludendorff.
1)

 

Reichskanzler Graf Hertling über Wilsons 14 Punkte


Graf v. Hertling
Wilson
Wilson

Berlin, 24. Januar.
Im Hauptausschuß des Reichstages hielt Reichskanzler Graf v. Hertling eine längere Rede über die auswärtige Lage, in der er unter anderem die in Wilsons letzter Botschaft enthaltenen 14 Punkte besprach. Er sagte unter anderem:
Der erste Punkt verlangt, es sollen keine geheimen internationalen Vereinbarungen mehr stattfinden. Meine Herren, die Geschichte lehrt, daß wir uns am ehesten mit einer weitgehenden Publizität der diplomatischen Abmachungen einverstanden erklären könnten. Ich erinnere daran, daß unser Defensivbündnis mit Österreich-Ungarn seit dem Jahre 1889 aller Welt bekannt war, während die Offensivabmachungen zwischen den feindlichen Staaten erst im Laufe des Krieges und zuletzt durch die Enthüllungen der russischen Geheimakten das Licht der Öffentlichkeit erblickten. (Sehr richtig!) Auch die Verhandlungen in Brest-Litowsk vor aller Öffentlichkeit beweisen, daß wir durchaus bereit sein könnten, auf diesen Vorschlag einzugehen und die Publizität der Verhandlungen als allgemein politischen Grundsatz zu erklären.
Im zweiten Punkt fordert Wilson Freiheit der Meere. Die vollkommene Freiheit der Schiffahrt auf dem Meere in Krieg und Frieden wird auch von Deutschland als eine der ersten und wichtigsten Zukunftsforderungen aufgestellt. Hier besteht also keine Meinungsverschiedenheit. Die von Wilson am Schlusse eingefügte Einschränkung - ich brauche sie nicht wörtlich anzuführen - ist nicht recht verständlich und scheint überflüssig, würde also am besten wegfallen. In hohem Grade aber wichtig wäre es für die Freiheit der Schiffahrt in Zukunft, wenn auf die stark befestigten Flottenstützpunkte an wichtigen internationalen Verkehrsstraßen, wie sie England in Gibraltar, Malta, Aden, Hongkong, auf den Falklandinseln und an manchen anderen Stellen unterhält, verzichtet werden könnte.
3. Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken. Auch wir sind mit der Beseitigung wirtschaftlicher Schranken, die den Handel in überflüssiger Weise einengen, durchaus einverstanden. Auch wir verurteilen einen Wirtschaftskrieg, der unausweichlich die Ursachen künftiger kriegerischer Verwicklungen in sich tragen würde.
4. Beschränkung der Rüstungen. Wie schon früher von uns erklärt wurde, ist der Gedanke einer Rüstungsbeschränkung durchaus diskutabel. Die Finanzlage sämtlicher europäischen Staaten nach dem Kriege dürfte einer befriedigenden Lösung den wirksamsten Vorschub leisten. (Sehr richtig!) Man sieht also, meine Herren, über die vier ersten Programmpunkte könnte man ohne Schwierigkeit zu einer Verständigung gelangen.
Ich wende mich zum 5. Punkt: Schlichtung aller kolonialen Ansprüche und Streitigkeiten. Die praktische Durchführung des von Wilson aufgestellten Grundsatzes in der Welt
der Wirklichkeit wird einigen Schwierigkeiten begegnen. Jedenfalls glaube ich, daß es
zunächst dem größten Kolonialreich - England - überlassen bleiben kann, wie es sich mit diesem Vorschlag seines Verbündeten abfinden will. Bei der unbedingt auch von uns geforderten Neugestaltung des "Weltkolonialbesitzes" wird von diesem Programmpunkte seinerzeit zu reden sein.
6. Räumung des russischen Gebietes. Nachdem die Ententestaaten es abgelehnt haben, innerhalb der von Rußland und den vier verbündeten Mächten vereinbarten Frist sich den Verhandlungen anzuschließen, muß ich im Namen der letzteren eine nachträgliche Einmischung ablehnen, wir stehen hier vor Fragen, die allein Rußland und die vier verbündeten Mächte angehen. Ich halte an der Hoffnung fest, daß es unter Anerkennung der Selbstbestimmung der westlichen Randvölker des ehemaligen russischen Kaiserreichs gelingen wird, zu einem guten Verhältnis sowohl mit diesen als mit dem übrigen Rußland zu gelangen, dem wir aufs dringendste die Rückkehr geordneter, die Ruhe und Wohlfahrt des Landes gewährleistender Zustände wünschen.
Punkt 7 kommt auf die belgische Frage. Was die belgische Frage betrifft, so ist von meinen Amtsvorgängern wiederholt erklärt worden, daß zu keiner Zeit während des Krieges die gewaltsame Angliederung Belgiens an Deutschland einen Programmpunkt der deutschen Politik gebildet habe. Die belgische Frage gehört zu dem Komplex der Fragen, deren Einzelheiten durch die Friedensverhandlungen zu ordnen sein werden. Solange unsere Gegner sich nicht rückhaltlos auf den Boden stellen, daß die Integrität des Gebiets der Verbündeten die einzige mögliche Grundlage von Friedensbesprechungen bieten kann, muß ich an dem bisher stets eingenommenen Standpunkt festhalten und eine Vorwegnahme der belgischen Angelegenheit aus der Gesamtdiskussion ablehnen.
8. Befreiung des französischen Territoriums. Die okkupierten Teile Frankreichs sind ein wertvolles Tauschpfand in unserer Hand. Auch hier bildet die gewaltsame Angliederung keinen Teil der amtlichen deutschen Politik. Die Bedingungen und Modalitäten der Räumung, die den vitalen Interessen Deutschlands Rechnung tragen müssen, sind zwischen Deutschland und Frankreich zu vereinbaren. Ich kann nur nochmals ausdrücklich betonen, daß von einer Abtretung von Reichsgebiet nie und nimmer die Rede sein kann. Das Reichsgebiet, das sich seitdem immer mehr dem Deutschtum innerlich angegliedert hat, das sich in hocherfreulicher Weise immer mehr wirtschaftlich fortentwickelt, von dem mehr als 87 pCt. die deutsche Muttersprache sprechen, werden wir uns von den Feinden unter irgendwelchen schönen Redensarten nicht wieder abnehmen lassen. (Lebhaftes Bravo!)
9., 10. und 11. Italienische Grenzen. Nationalitätenfrage der Donaumonarchie, Balkanstaaten. Was die von Wilson unter 9., 10. und 11. behandelten Fragen betrifft, so berühren sie sowohl mit den italienischen Grenzfragen als mit denen der künftigen Entwicklung der österreichisch-ungarischen Monarchie und den Fragen der Zukunft der Balkanstaaten Punkte, bei denen zum großen Teile die politischen Interessen unseres Verbündeten Österreich-Ungarn überwiegen. Wo deutsche Interessen im Spiele sind, werden wir sie aufs nachdrücklichste wahren, doch möchte ich die Beantwortung der Wilsonschen Vorschläge in diesen Punkten in erster Linie dem Auswärtigen Minister der österreichisch-ungarischen Monarchie überlassen. Die enge Verbindung mit der verbündeten Donaumonarchie ist der Kernpunkt unserer heutigen
Politik und muß die Richtlinie für die Zukunft sein. Die treue Waffenbrüderschaft, die sich
im Kriege so glänzend bewährt hat, muß auch im Frieden nachwirken, und so werden wir auch unserseits alles daran setzen, daß für Österreich-Ungarn ein Frieden zustandekommt, der den berechtigten Ansprüchen Rechnung trägt.
Türkei. Ebenso möchte ich in den unter 12. von Wilson berührten Angelegenheiten, die unseren treuen, tapferen und mächtigen Bundesgenossen, die Türkei, betreffen, in keiner Weise der Stellungnahme ihrer Staatsmänner vorgreifen. Die Integrität der Türkei und die Sicherung ihrer Hauptstadt, die mit den Meerengenfragen eng zusammenhängt, sind wichtige Lebensinteressen auch des Deutschen Reiches. Unser Verbündeter kann hierin stets auf unseren nachdrücklichsten Beistand zählen.
Punkt 13 behandelt Polen. Nicht die Entente, die für Polen nur inhaltlose Worte fand und vor dem Kriege nie bei Rußland für Polen eingetreten ist, sondern das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn waren es, die Polen von dem seine nationale Eigenart unterdrückenden zaristischen Regiment befreiten. So möge man es auch Deutschland, Österreich-Ungarn und Polen überlassen, sich über die zukünftige Gestaltung des Landes zu einigen. Wie die Verhandlungen und Mitteilungen des letzten Jahres beweisen, sind wir durchaus auf dem Wege hierzu.
Der letzte Punkt behandelt den Verband der Völker. Was diesen Punkt betrifft, so stehe
ich, wie sich aus meiner bisherigen politischen Tätigkeit ergibt, jedem Gedanken sympathisch gegenüber, der für die Zukunft die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit von Kriegen ausschaltet und das friedliche und harmonische Zusammenarbeiten der Völker fördern will. Wenn der von Präsident Wilson angeregte Gedanke des Verbandes der Völker bei näherer Ausführung und Prüfung ergibt, daß er wirklich im Geiste vollkommener Gerechtigkeit gegen alle und vollkommener Vorurteilslosigkeit gefaßt ist, so ist die kaiserliche Regierung gern bereit, wenn alle anderen schwebenden Fragen geregelt sein werden, einer Prüfung der Grundlagen eines solchen Völkerbundes nahezutreten. Meine Herren, Sie haben die Reden von Lloyd George und die Vorschläge des Präsidenten Wilson kennen gelernt. Ich muß wiederholen, was ich zu Anfang sagte: wir müssen uns nun fragen, ob aus diesen Reden und Vorschlägen uns wirklich ein ernstlicher, ehrlicher Friedenswille entgegentritt.
Sie enthalten gewisse Grundsätze für einen allgemeinen Weltfrieden, denen auch wir zustimmen, und die die Ausgangs- und Zielpunkte für Verhandlungen bilden könnten. Wo aber konkrete Fragen zur Sprache kommen, Punkte, die für uns und unsere Verbündeten von entscheidender Bedeutung sind, da ist ein Friedenswille weniger bemerkbar. Unsere Gegner wollen Deutschland nicht "vernichten", aber sie schielen begehrlich nach Teilen unserer und unserer Verbündeten Länder. Sie sprechen mit Achtung von Deutschlands Stellung, aber dazwischen dringt immer wieder die Auffassung durch, als seinen wir die Schuldigen, die Buße tun und Besserung geloben müßten. So spricht immer noch der Sieger mit dem Besiegten, so spricht derjenige, der alle unsere früheren Äußerungen der Friedensbereitwilligkeit als bloße Zeichen der Schwäche deutet. Von diesem Standpunkte, von dieser Täuschung sollen sich auch die Führer der Entente zuerst losmachen. Um ihnen dies zu erleichtern, möchte ich daran erinnern, wie denn wirklich die Lage ist. Mögen sie sich gesagt sein lassen: unsere militärische Lage war niemals so günstig, wie sie jetzt ist. (Bravo!)
Unsere genialen Heerführer sehen mit unverminderter Siegeszuversicht in die Zukunft. Durch die ganze Armee, durch die Offiziere und Mannschaften geht ungebrochene Kampfesfreude. Ich erinnere an das Wort, das ich am 29. November im Hause sprach: unsere wiederholt ausgesprochene Friedensbereitschaft, der Geist der Versöhnlichkeit, der aus unseren Vorschlägen sprach, der darf kein Freibrief für die Entente sein, den Krieg immer weiter zu verlängern. Zwingen uns unsere Feinde hierzu, so haben sie die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen.
Wenn die Führer der feindlichen Mächte also wirklich zum Frieden geneigt sind, so mögen sie ihr Programm nochmals revidieren, oder, wie Lloyd George sagte, eine Rekonsideration eintreten lassen. Wenn sie das tun und mit neuen Vorschlägen kommen, dann werden wir sie auch ernstlich prüfen, denn unser Ziel ist kein anderes als die Wiederherstellung eines dauernden, allgemeinen Friedens. Aber dieser dauernde, allgemeine Friede ist solange nicht möglich, als die Integrität des Deutschen Reiches, als die Sicherung seiner Lebensinteressen und die Würde unseres Vaterlandes nicht gewahrt bleiben. Bis dahin heißt es: ruhig zusammenstehen und abwarten. Im Ziele, meine Herren, sind wir alle einig (Lebhaftes Bravo!), über die Methoden und Modalitäten kann man verschiedener Meinung sein. Aber lassen wir jetzt alle diese Meinungsverschiedenheiten zurücktreten. Streiten wir nicht über Formeln, die bei dem rasenden Lauf der Weltbegebenheiten immer zu kurz kommen, und behalten wir über trennende Parteigegensätze hinaus das eine gemeinsame Ziel im Auge, das Wohl des Vaterlandes. Stehen wir zusammen, Regierung und Volk, und der Sieg wird unser sein, ein guter Friede wird und muß kommen. Das deutsche Volk erträgt in bewundernswerter Weise die Leiden und Lasten des nun in seinem vierten Jahre währenden Krieges. Bei diesen Lasten und Leiden denke ich ganz besonders an die Leiden der kleinen Handwerker und der gering besoldeten Beamten. Aber sie alle, Männer und Frauen, wollen aufhalten und durchhalten. In politischer Reife lassen sie sich nicht von Schlagworten betören, wissen sie zu unterscheiden zwischen den Realitäten des Lebens und glückverheißenden Träumen. Ein solches Volk kann nicht untergehen. Gott ist mit uns und wird auch ferner mit uns sein. (Lebhaftes Bravo!)

 

Zwei deutsche Minensuchboote gesunken

Kopenhagen, 24. Januar.
Ritzaus Bureau meldet:
Aus Ringköbing wird gemeldet: Ein Schiffsboot mit 17 deutschen Marinesoldaten ist in Hodvig an der Westküste Jütlands angelangt. Einer der Insassen ist tot. Das Boot stammt von einem deutschen Kriegsschiff. Die Bootsinsassen sind sehr erschöpft. Sie haben vier Tage im offenen Boot zugebracht.
Aus Ringköbing wurde ihnen ärztliche Hilfe gesandt. Die Leute wurden zum Strandvogt geschafft und hier mit trockenen Kleidern versehen. Einer der Schiffbrüchigen ist indessen gestorben. Unter ihnen war ein deutscher Marineoffizier. Es steht fest, daß die Leute zu einem deutschen Torpedojäger gehören, der torpediert worden oder auf eine Mine gestoßen ist. Einzelheiten fehlen noch.
(Zusatz des W. T. B.: Wie wir an zuständiger Stelle erfahren, handelt es sich um die beiden Minenboote "A 73" und "A 77", die auf Minen gelaufen und gesunken sind. Infolge unsichtigen und schlechten Wetters gelang es anderen in der Nähe befindlichen Fahrzeugen, leider nur einen Teil der Besatzungen der gesunkenen Boote zu retten.)

 

Der 1. Weltkrieg im Januar 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 7
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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