Der Weltkrieg am 29. Juni 1917

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - BULGARISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Deutsche Sturmerfolge an der Maas und bei Cerny - 
Ein englischer Luftstoß bei Lens

Großes Hauptquartier, 29. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
In Flandern war in wenigen Abschnitten die Feuertätigkeit lebhaft.
Heftige Kämpfe spielten sich gestern zwischen La Bassée-Kanal und der Scarpe ab. In dem seit längerer Zeit von uns als Kampfgelände aufgegebenen, in den Feind vorspringenden Raum westlich und südwestlich von Lens wurde ein frühmorgens längs der Straße nach Arras vorbrechender Angriff starker englischer Kräfte zum Luftstoß. Abends griffen mehrere Divisionen zwischen Hulluch und Mericourt und von Fresnoy bis Gavrelle nach Trommelfeuer an. Bei Hulluch sowie zwischen Loos und der Straße Lens-Liévin wurde der Feind durch Feuer und im Gegenstoß zurückgetrieben. Westlich von Lens kam nach heftigen Kämpfen mit unseren Vorfeldtruppen ein neuer Angriff des Gegners nicht mehr zur Ausführung. Bei Avion scheiterte sein mit besonderem Nachdruck geführter erster Ansturm völlig. Hier griff er erneut nach Heranziehen von Verstärkungen an. Auch dieser Angriff wurde durch Feuer und im Gegenstoß zum Scheitern gebracht.
Zwischen Fresnoy und Gavrelle nährte der Feind seine anfangs verlustreich in unserer Artilleriewirkung zusammenbrechenden Sturmwellen dauernd durch Nachschub frischer Truppen. Nach erbitterten Nahkämpfen setzten sich die Engländer zwischen Oppy und der Windmühle von Gavrelle in unserer vordersten Linie fest.
Unsere Truppen haben sich vortrefflich geschlagen. Der Feind hat in der gut zusammenwirkenden Abwehr und im Kampf Mann gegen Mann hohe blutige Verluste erlitten.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz:
Am Chemin-des-Dames hatten bei Fort de Malmaison südlich von Courtecon und südöstlich von Ailles örtliche Vorstöße, östlich von Cerny ein größeres Unternehmen westfälischer Regimenter vollen Erfolg. Hier wurde die französische Stellung in über 1000 Meter Breite und ein zähe verteidigter Tunnel gestürmt und gegen heftige Gegenangriffe gehalten. Im ganzen sind bei diesen Kämpfen über 150 Gefangene und einige Maschinengewehre eingebracht worden.
Auf dem Westufer der Maas kam ein sorgfältig vorbereiteter Angriff am Westhang der Höhe 304 zur Durchführung. Nach kurzer Feuervorbereitung nahmen posensche Regimenter in kräftigem Anlauf die französische Stellung beiderseits der Straße Malancourt-Esnes in 2000 Meter Breite und 500 Meter Tiefe. Bald einsetzende feindliche Angriffe wurden vor den gewonnenen Linien zurückgeschlagen.
Heute früh stürmte ein württembergisches Regiment im Walde von Avocourt einen 300 Meter breiten Stellungsteil der französischen Befestigungen.
Bisher sind an beiden Einbruchstellen über 550 Gefangene gezählt worden; die Beute steht noch nicht fest.
Heeresgruppe Herzog Albrecht: 
Keine besonderen Ereignisse.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz und an der mazedonischen Front ist die Lage unverändert.

Der Erste Generalquartiermeister
    Ludendorff.
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Gesteigerter Geschützkampf in Ostgalizien

Berlin, 29. Juni, abends. (Amtlich.)
Im Westen keine größeren Kampfhandlungen. 
Im Osten löste gesteigerte Angriffstätigkeit der russischen Artillerie zwischen Strypa und Dnjestr unsere starke Gegenwirkung aus.
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Der gescheiterte englische Umfassungsversuch im Lens-Bogen

Berlin, 29. Juni.
Ein neuer großer englischer Angriff an der Arras-Front, den schweres Zerstörungsfeuer und zahlreiche Patrouillenvorstöße in den letzten Tagen ankündigten, hat in der Nacht vom 28. zum 29. Juni eingesetzt. Am 28. Juni, 6 Uhr abends, begannen die Engländer mit allen Kalibern auf die deutsche Front von Hulluch bis Gavrelle zu trommeln. Um 8 Uhr abends ballte sich das Feuer auf die Strecken Hulluch-Mericourt und Fresnoy-Gavrelle zusammen. Eine viertel bis eine halbe Stunde später griffen die Engländer an.
Das Ziel des englischen Angriffs war augenscheinlich eine Umfassung und Abschnürung des Lens-Bogens im größten Maßstabe. Während zwei starke Angriffskolonnen den Lens-Bogen zu umfassen versuchten, die erste östlich und südöstlich von Loos, die zweite zwischen Fresnoy und Gavrelle, griff eine dritte im Zentrum zu beiden Seiten des Souchezbaches an. Seit der deutschen Frontberichtigung zu Beginn des Arras-Angriffes hat der deutsche Lens-Bogen allen wütenden englischen Angriffen standgehalten. Die hier massierten deutschen Batterien haben immer wieder durch verheerendes Flankenfeuer den gegen die Linie Mericourt-Gavrelle anstürmenden Massen schwerste Verluste zugefügt. Die ehemals blühende Bergwerksstadt ist heute ein Trümmerhaufen. Zwischen den Schlackenhaufen sind in den zerstörten Arbeiterkolonien und Vorstädten neue Schuttberge gewachsen.
Die Wahrzeichen des Landes, die Schachttürme, sind zerschossen, die Fordermaschinen vernichtet, die Schächte ersoffen. Millionenwerte französischen Nationalvermögens sind von den Engländern zerstört.
Da auch die deutschen Stellungen entsprechend gelitten hatten, war die Hauptverteidigungslinie hier seit längerer Zeit zurückgenommen. So wurde der englische Angriff gegen Lens am Morgen des 28. Juni zum Luftstoß, und auch am Abend kamen die Engländer nicht weiter als bis an die vorher gewählte Linie. Schwache Postierungen hatten die ganze Zeit über verstanden, die Engländer zu täuschen und ihnen überdies noch schwere Verluste zuzufügen.
Auch nördlich von Lens scheiterte der Angriff unter schweren blutigen Verlusten. An einer Stelle gelang es den Engländern, in den vordersten Graben einzudringen, sie wurden aber in erbitterten Nahkämpfen wieder hinausgeworfen.
8 Uhr 35 Minuten abends setzten die Infanterieangriffe auf der Front Fresnoy - Gavrelle ein. Seit Mitte April steht hier der englische Angriff auf dem alten Fleck. Der wüstzerschossene Park von Oppy und die Windmühle von Gavrelle, die heute nichts mehr ist als ein flacher Steinhaufen, sind Wahrzeichen deutschen Heldentums, denn jeder englische Angriff, der hier hat Raum gewinnen können, war stets in elastischem Gegenstoß wieder zurückgeworfen worden. Trotz aller Verluste führten die Engländer immer neue Reserven heran. Allein die deutschen Bereitschaften fingen jeden Stoß auf. Lediglich zwischen dem Westrand des Parkes von Oppy und der Windmühle von Gavrelle gelang es dem Engländer, in etwa 1000 Meter Breite das beim Ansturm genommene Gelände zu halten. Die verlustreiche Taktik des Generals Haig hat einen neuen schweren Mißerfolg zu buchen.
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Die Sturmerfolge der posenschen und württembergischen Regimenter

Berlin, 29. Juni.
Während die Arras-Front gegen einen schweren britischen Stoß gehalten wurde, setzten die Deutschen gegen die Franzosen die Taktik der erfolgreichen Teilangriffe fort. In der Gegend von Jouy, südlich des Forts Malmaison, wurde eine Sandgrube in der feindlichen Linie gesäubert. Von der Besatzung fielen 20 Mann, 5 wurden gefangen zurückgeführt. Eine andere schwache Patrouille drang am Rande der Bergnase der Hurtebise-Ferme südöstlich von Ailles in ein Maschinengewehrnest ein und kehrte mit Gefangenen, einem Maschinengewehr und drei Schnelladegewehren ohne Verluste in die eigene Linie zurück. Bei dem Vorstoß östlich Cerny, der nach kurzer Artillerie- und Minenfeuervorbereitung am 28. Juni, 9 Uhr 15 Minuten abends, durchgeführt wurde, fielen außer den im Heeresbericht angeführten Gefangenen sechs Maschinen- und Schnelladegewehre in deutsche Hände. Die Franzosen versuchten bis spät in die Nacht hinein durch immer neue Gegenangriffe die verlorenen Stellungen wieder zurückzuerobern; sie wurden jedoch jedesmal abgeschlagen.
Westlich der Maas liegen jetzt die deutschen Stellungen südlich vor der im April und Mai vorigen Jahres so heiß umkämpften Höhe 304. Am 28. Juni, 5 Uhr 25 Minuten nachmittags, stürmten posensche Regimenter den kahlen blutgetränkten Hang hinunter und warfen die Franzosen in 1000 Meter Breite und 500 Meter Tiefe zurück. Den Abend und die Nacht über rannten die Franzosen in wütenden, aber vergeblichen Gegenangriffen gegen die neuen deutschen Stellungen an. Die Beute an Maschinengewehren, Waffen und Munition ist noch nicht gezählt. Der schöne Erfolg an der Höhe 304 wurde ergänzt durch einen Vorstoß der Württemberger, die bei Tagesgrauen des 29. Juni die französischen Gräben am Südostteile des Avocourtwaldes in einer Ausdehnung von 150 Meter Tiefe bei 300 Meter Breite stürmten und 60 Gefangene einbrachten.
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Neuerdings 53442 Schiffstonnen versenkt

Berlin, 29. Juni. (Amtlich.)
Neuerdings sind von unseren Unterseebooten versenkt worden:
1. In den nördlichen Sperrgebieten 26400 Brutto-Registertonnen. Unter den versenkten Schiffen befanden sich unter anderem ein bewaffneter englischer Dampfer von etwa 5000 Brutto-Registertonnen, anscheinend von der P. & O.-Line, sowie ein großer unbekannter, durch Zerstörer gesicherter Dampfer. Ein anderer versenkter Dampfer hatte Lebensmittel nach England geladen.
2. Im Mittelmeer 27042 Brutto-Registertonnen. Unter den vernichteten Schiffen befanden sich der bewaffnete Dampfer "Cheltonian" und der bewaffnete italienische Dampfer „Montebello“. Soweit bekanntgeworden, bestanden die versenkten Ladungen aus Kohle, Lebensmitteln und Holz.

  Der Chef des Admiralstabes der Marine. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Erhöhte Gefechtstätigkeit in Galizien

Wien, 29. Juni. 
Amtlich wird verlautbart:
Östlicher und südöstlicher Kriegsschauplatz:
Außer erhöhter Gefechtstätigkeit in Galizien nichts zu melden.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Südöstlich von Görz und im Plöckenabschnitt war das feindliche Artilleriefeuer lebhafter.

  Der Chef des Generalstabes. 1)

 

Der bulgarische Heeresbericht:

Sofia, 29. Juni.
Mazedonische Front:
Schwache Artillerietätigkeit auf der ganzen Front. Auf der Cervena Stena wurde eine feindliche Erkundungsabteilung durch Feuer zurückgeworfen. Auf dem linken Ufer der unteren Struma durch englische Erkundungsabteilungen, die aus Kavallerie bestanden, durch unsere vorgeschobenen Stellungen zum Rückzug gezwungen Bei Drama wurde ein feindliches Flugzeug abgeschossen.
Rumänische Front:
Bei Tulcea und Mahmudia vereinzelte Kanonenschüsse.

 

Blick auf Jerusalem
Blick auf Jerusalem

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 29. Juni.
Am Euphrat gingen die Engländer bis Falludscha zurück. Kaukasusfront: Auf unserem äußersten rechten Flügel südlich des Wansees griff eine stärkere feindliche Aufklärungsabteilung unsere Posten an. Nach mehrstündigem Gefecht wurde der Gegner in östlicher Richtung zurückgedrängt. An der übrigen Front außer Patrouillengefechten an zwei Stellen lebhafteres gegenseitiges Artilleriefeuer. Seiten unserer Artillerie wurde gute Wirkung beobachtet, während die
feindliche Artillerie, die an einer Stelle mehr als 400 Schüsse abgab und keinerlei Wirkung erzielen konnte.
Sinaifront: Um sich für unsere im gestrigen Heeresbericht gemeldeten, in ehrlichem Luftkämpfe erzielten Erfolge zu rächen, bewarfen englische Fliege die den Mohammedanern und Christen heilige Stadt Jerusalem mit 50 Bomben, die erfreulicherweise keinen Schaden anrichteten.

 

Abbruch der Beziehungen Griechenlands zu den Mittelmächten

Paris, 29. Juni.
Wie "Temps" aus Athen meldet, hat die griechische Regierung ihren Gesandten in der Schweiz zur Weitergabe an die Gesandtschaften in Berlin, Wien, Sofia und Konstantinopel Weisungen übermittelt, durch die der Abbruch der Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien und der Türkei mitgeteilt wird.

Paris, 30. Juni. (Havas.)
Eine Depesche aus Athen vom 28. Juni bestätigt, daß die Regierung ihre diplomatischen Vertreter bei den Mittelmächten zurückberufen hat.
(Zusatz des W. T. B.: Eine Bestätigung dieser Meldung liegt hier an zuständiger Stelle bisher nicht vor.)
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Der 1. Weltkrieg im Juni 1917

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 6
Nationaler Verlag, Berlin (1917)

 

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