Der
Reichskanzler über die Kriegslage
v. Bethmann Hollweg
Berlin,
29. März.
Im Reichstage hielt bei der Beratung über den Etat des Reichskanzlers
und des Auswärtigen Amts der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg eine
Rede, in der er n. a. sagte: Uns ist die Stellung zu den russischen Vorgängen
klar vorgezeichnet. Wir werden auch weiterhin den Grundsatz verfolgen,
uns in die inneren Verhältnisse anderer Länder nicht einzumischen.
Wie sich das russische Volk sein Haus einrichtet, ist ausschließlich
seine eigene Angelegenheit (Sehr richtig!), in die wir uns nicht einmengen.
Das einzige, was wir wünschen, ist, daß sich in Rußland
Zustände entwickeln möchten, die es zu einem festen und gesicherten
Bollwerk des Friedens machen. (Beifall.) Trägt die Neuordnung der
Dinge dazu bei, die Wiederannäherung der beiden, auf gute Nachbarschaft
angewiesenen Völker zu erleichtern, so begrüßen wir das
mit Freuden. (Beifall) Wir begehren nichts anderes, als möglichst
bald wieder in Frieden mit ihm zu leben (Beifall), in einem Frieden, der
auf einer für alle Teile ehrenvollen Grundlage aufgebaut ist. (Lebhafter
Befall.) England hat seine ungesetzliche und nicht zu verteidigende Blockadepolitik
nicht nur nicht aufgegeben, sondern andauernd verschärft, es hat
in der Gemeinschaft mit seinen Verbündeten unser Friedensangebot
hochmütig abgelehnt und Kriegsziele proklamiert, die aus unsere und
unserer Verbündeten Vernichtung hinauslaufen. Da haben wir zum unbeschränkten
U-Boot-Krieg gegriffen und zu ihm greifen müssen. Sieht das amerikanische
Volk hierin einen Grund, dem deutschen Volke, mit dem es 100 Jahre in
Frieden gelebt hat, den Krieg zu erklären, und will es dadurch das
Blutvergießen verlängern, wir sind es nicht, die die Verantwortung
dafür tragen. (Sehr gut!) Das deutsche Volk, das gegenüber Amerika
weder Haß noch Feindschaft empfindet, wird es auch zu ertragen und
zu überwinden wissen. (Lebhafter Beifall.) Die chinesische Regierung
hat ihre Beziehungen zu uns abgebrochen, der chinesische Gesandte hat
seine Pässe verlangt. Unsere Beziehungen zu China sind stets der
freundschaftlichsten Natur gewesen, und wenn sie jetzt ein Ende gefunden
haben, so brauche ich Ihnen nicht zu sagen, daß hier nicht ein freier
Entschluß der chinesischen Regierung vorliegt (Zustimmung), sondern
daß sie unter dem Druck unserer Gegner gehandelt hat.
Den Heeresberichten über die militärische Lage habe ich wenig
hinzuzufügen. An unserer Ostfront kommen größere Operationen
zurzeit nicht in Frage. Schon die Jahreszeit und die grundlosen Wege würden
eine größere Offensive verhindern. An der Westfront verlaufen
die ausweichenden Bewegungen planmäßig und führen zu einer
täglich wachsenden Operationsfreiheit. Das ganze Volk wird dafür
unseren Truppen und der genialen Führung des Feldmarschalls Hindenburg
und des Generals Ludendorff seinen Dank wissen. (Stürmischer Beifall.)
Alle anderen Fronten halten wir mit unverminderter Zähigkeit. Beweis
dafür liefert die mazedonische Front, wo bulgarische und deutsche
Truppen sich in der Abwehr der Angriffe größten Stils in glänzender
Form gezeigt haben. Über den U-Boot-Krieg hat der Staatssekretär
des Reichsmarineamts, soviel ich unterrichtet bin, heute morgen im Hauptausschuß
eingehende Ausführungen gemacht. Ich will meinerseits nur hinzufügen,
daß der U-Boot-Krieg sich im März ebenso günstig entwickelt
hat wie im Februar. (Beifall.)
Der Reichskanzler sagte dann u. a. noch: Was Ihnen auf der Linken ja besonders
angelegen ist, worum sich für Sie alles dreht, ist die Reform des
preußischen Wahlrechts. Und Sie verlangen, daß ich sofort
die Reform in Angriff nehme. Soll ich einen Wahlkampf hervorrufen, wenn
die große Zahl der Wähler draußen im Schützengraben
ist? Mir wäre es am liebsten, wenn ich die Reform morgen machen könnte.
Aber in diesem Moment, wo der Krieg auf den Höhepunkt gestiegen ist,
wo es sich darum handelt, alle letzten Kräfte heranzuholen, da muß
ich ganz nüchtern abwägen, ob die Vorteile einer sofortigen
Inangriffnahme einer solchen Aktion größer sind als die Nachteile,
die unbedingt mit ihr verbunden sind. 1) |