Die
"Deutschland" in Baltimore
Kapitän
Paul König |
Direktor
Alfred Lehmann |
Die
"Frankfurter Zeitung" schreibt:
Jules Verne ist lebendig geworden. Ein historisches Abenteuer: das
erste deutsche Handels Tauchboot "Deutschland" hat den
Atlantischen Ozean durchmessen und die Küste Amerikas mit
wertvoller Ladung wohlbehalten erreicht. Ein Abenteuer? Mehr noch
als dies: vor kurzen Monaten noch ein Stück verwegenster Phantasie.
Aber zugleich auch weniger: nackteste Wirklichkeit, der Anfang einer
neuen Zeit, in der es selbstverständlich sein wird daß uns nur
noch die Fahrzeit, die Pünktlichkeit der Ankunft oder die Menge der
Warenlast dieser Boote interessieren wird; das Wunder selbst wird
zur Natürlichkeit. Der große Zerstörer Krieg
hat einen mächtigen Tempel des Fortschritts errichtet. Das
Handels-Tauchboot, das an 4½ Tausend Meilen durchlaufen hat, ist
eines seiner Prunkstücke, ebenbürtig den großen Kriegserfindungen
unserer Chemiker. Ein Stück Technik freilich leblos und starr. Aber
zeugt es nicht zugleich auch für den Fortschritt des Lebenden, des
Geistes. Wird in diesem großem Auftrieb, den der Krieg den Rüstigen
unseres Volkes gegeben hat und noch mehr zu geben verspricht, nicht
das Geistige, das innerlich Bildende am allerstärksten mit
emporgetragen werden. Wir hoffen es. Der Triumph der Technik sei uns
ein Symbol, das Wahrzeichen einer kommenden Zeit.
Der Ausgangspunkt ist Bremen. Die "Deutsche
Ozean-Reederei", an deren Spitze Alfred Lehmann, Philipp
Heineken und ein Direktor der Deutschen Bank stehen, ist kaum mehr
als acht Monate alt. "Deutschland" und "Bremen"
sind ihre beiden ersten Übersee-Tauchboote, Schiffe von 2000
Tonnen, die also eine sehr bedeutende Nutzlast tragen können.
Farbstoffe und Arzneien waren die Fracht auf der Fahrt nach
Baltimore, Nickel und namentlich Rohgummi soll, nach der Meinung
Reuters, die Rückfracht nach Deutschland sein. Man kann sich
denken, was es für uns und für unsere Gegner zu bedeuten hat, wenn
von jenem leichten und wenig Raum beanspruchenden Rohmaterial große
Transporte in unsere Häfen gelangen. Man darf diese praktische
Seite natürlich zunächst nicht überschätzen, es handelt sich ja
erst um den Anfang eines Unternehmens. Die Zukunftsmöglichkeiten
sind aber außerordentlich groß. Wir haben die englische Blockade
bisher schon dank unserer glänzenden Wissenschaft und Technik und
dank der Fruchtbarkeit unseres deutschen Bodens für uns ungefährlich
gemacht. Durch den systematischen Aufbau des neuen Verkehrmittels können
wir ihre Wirkungen noch ganz erheblich verringern. Die Entente wird
uns dabei nicht zu stören vermögen. Vor Cartagena hat das
Kurierboot des Kaisers die Probe aufs Exempel gemacht: eine wahre
Meute von Kreuzern und Zerstörern, englische und französische,
hatte sich im Halbkreis vor dem spanischen Hafen aufgestellt, Tag
und Stunde der Abfahrt waren bekannt, und das deutsche Boot fuhr
unbesorgt und mit wehender Flagge aus dem Hafen, tauchte unter und
verschwand. Im freien Ozean vermag uns der Feind die Durchfahrt
nicht zu versperren, da lassen sich keine Netze legen. Es ist ja überdies
bekannt, daß der Atlantische Ozean sogar einer "Möve"
und "Appam" ungestört zur Verfügung stand. Man muß also
schon zu anderen Angriffsmitteln greifen. Reuter ist bereit: die
englische Agentur beschreibt bereits die Kanonen, die auf der
"Deutschland" aufgestellt seien, mit allen Einzelheiten.
Und Herr Lake will sogar dem Schiff, das er nicht kennt, einen
Patentprozeß machen. Es wird also nicht an den hitzigsten Versuchen
der Ententefreunde fehlen, den deutschen Schiffen in den
amerikanischen Häfen alle nur erdenklichen Schwierigkeiten zu
machen. Aber bei dem bloßen Versuch wird es auch bleiben, denn
selbstverständlich ist bei dem deutschen Unternehmen alles aufs
beste überlegt, und noch selbstverständlicher ist, daß unsere
Schiffe, der deutschen Auffassung über den Begriff
"Handelsschiff" entsprechend, nicht die geringste
Bewaffnung an Bord haben. Allerdings einen Schutz haben sie: sie können
tauchen. Alles weitere würde nur den Frachtraum unnötig
verkleinern.
Man kann sich den Eindruck einigermaßen vorstellen, den es gerade
auf die Amerikaner gemacht hat, als sie die Inserate lasen, in denen
ihnen offeriert wird, Poststücke und Papiere sicher und unzensiert
nach Deutschland zu befördern. Was wird die Welt dazu sagen, daß
es den Deutschen gelungen ist, gegen den Willen der Engländer
Farbstoffe und Medikamente mitten im Kriege und trotz der Blockade
nach Amerika einzuführen und sich höchst nützliche Rückfracht zu
besorgen. Hat es sich wirklich gelohnt, daß England mit allen
Neutralen in Streit kam, weil die neutrale Briefpost aufgebrochen
und beschlagnahmt wurde, um die Verschiffung von Wertpapieren aus
Deutschland nach Amerika zu verhindern. Dieser Sorgen sind jene und
wir ein für allemal enthoben: unsere Handels-Tauchboote holen alles
gründlich nach.
Seit dem denkwürdigen Tag, an dem "U 9" die erste, glänzende
Probe von der Leistungsfähigkeit der deutschen Tauchboote abgelegt
hat, sind noch keine zwei Jahre vergangen. Seitdem sind diese Boote
zu einem unentbehrlichen Kriegsmittel geworden, wichtig für den
Kampf gegen die feindliche Kriegsflotte und von hohem Nutzen für
den Handelskrieg. Nun bewähren sich deutsche Tauchboote überdies
als ein unübertreffliches Verkehrsmittel der friedlichen
Handelsschiffahrt während des Kriegs und des Blockadezustands. Viel
weniger als zwei Jahre haben also genügt, um eine vordem ungeahnte
Entwicklung herbeizuführen und neue Erfindungen des Schiffsbaues
praktisch zur Ausführung zu bringen. Die Zeit ist mit uns gewesen:
in gleicher Weise wie die Entente, die besonders England durch die längere
Dauer des Kriegs, ohne gleichzeitig entscheidenden Vorteil zu
gewinnen - weil die Blockade versagt - immer mehr Mißerfolg erlitt:
Dardanellen, Salonik, Kut-el-Amara, Skagerrak, hat sich die deutsche
Stellung zur See zusehends mit der fortschreitenden Zeit verbessert.
Wir haben die Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. Die
deutschen Tauchboote beweisen das. Das Auftauchen der
"Deutschland" vor der Küste Amerikas konnte wohl die
Machthaber in London daran erinnern, daß es nicht nur Boote für
die Handelsschiffahrt sind, die man auf deutschen Werften während
des Kriegs auf Stapel gelegt hat.
Wenn aber so auch die kriegerischen Mittel unseres Reiches gewachsen
sind und noch weiter anschwellen, so kann sich doch Deutschland rühmen,
in diesem Krieg ein Werk geschaffen zu haben, das nicht ein
Sondergut der Deutschen sein soll, sondern durch dessen Gestaltung
sich Wissenschaft und Technik ein unvergängliches Verdienst für
die Fortschritte aller Völker erworben haben.
London,
11. Juli.
Reuter meldet aus Baltimore, daß die "Deutschland"
gestern abend unterhalb Baltimore vor Anker gegangen sei, nachdem
sie eine Reise von 4000 Meilen über den Atlantischen Ozean zurückgelegt
hatte. Das Boot ist unter dem Schutze der Dunkelheit zwischen
Kap Charles und Kap Henry hindurchgeschlüpft und begann am Sonntag
morgen in der Frühe durch Zeichen mit der Sirene um einen Lotsen zu
bitten. Dies lenkte die Aufmerksamkeit des Schleppbootes "Timmin"
auf sich, das bereits seit vierzehn Tagen ununterbrochen Wache
hielt, um das Tauchboot nach dem Hafen zu begleiten. Die
"Deutschland" führte, als sie zwischen den beiden Kaps
hindurchfuhr, keine Flagge, hißte jedoch die deutsche
Handelsflagge, als sie mit
eigener Kraft in die Bucht einfuhr. Wie der Lotse, der das Boot in
die Bucht gelotst hatte, erklärte, trugen der Kapitän, die
Offiziere und die Mannschaften alle die gewohnte Uniform der
deutschen Kauffahrteiflotte. Die Mannschaft wird an Bord bleiben,
bis die Hafenbehörden an Bord der "Deutschland" gewesen
sein werden. Weiter will der Lotse vom Kapitän des Tauchbootes
vernommen haben, der Zweck der Reise der "Deutschland"
sei, Handel zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten zu
treiben. Sobald die Fracht gelöscht sei, werde Nickel und Rohgummi
an Bord gebracht werden. Während das Tauchboot an die Agenten des
Nord-Deutschen Lloyd konsigniert ist, ist die Ladung bestimmt für
die Eastern Forwarding Co., die hier vor kurzem gegründet ist,
angeblich ausschließlich für den Verkehr der unterseeischen
Frachtschiffahrt. H. G. Hilken von der Schumacher Co. versichert, daß
die "Deutschland" ausschließlich zu Handelszwecken
ausgeschickt worden sei und der Reederei "Ozean" in Bremen
gehöre. Der Plan, derartige Boote zu bauen, sei vor neun Monaten
durch den Sohn des früheren Direktors des Norddeutschen Lloyd,
Lohmann, entworfen worden, der die Gesellschaft "Ozean"
gegründet hat. Wie Hilken weiter mitteilt, ist die
"Deutschland" 315 Fuß lang, die größte Breite ist 30 Fuß.
Das Boot wird durch zwei Diesel-Ölmotoren betrieben.
Haag, 11 Juli.
Holländische Blätterberichte aus in London eingetroffenen
amerikanische Telegrammen:
Der Kapitän des Schleppboot, der dem Tauchboot entgegenfuhr, sagte,
daß das Boot den größten Teil der Reise auf der Oberfläche fuhr.
Die Seereise betrug 4380 Meilen, wovon 1800 Meilen unter dem Wasser
gefahren wurden. Andere Tauchboote sollen diesem Boote nachfolgen,
so daß ein geregelter Verkehr Deutschlands mit Amerika betrieben
werden könnte. Die Mannschaft besteht aus 29 Köpfen. Die
Schnelligkeit des Bootes beträgt 14 Knoten. Der Kapitän will
angeblich für 600000 Dollars Nickel und Kautschuk an Bord nehmen
London, 11. Juli.
Die "Morning Post" meldet aus Washington:
"In einem großen halbseitigen Inserat der Transatlantischen
Preßgesellschaft wird die Ankunft eines deutschen Tauchbootes auf
der Reede von Baltimore bekannt gemacht. Mittels des Tauchbootes können
Geld und Korrespondenzen auf sicherem Wege ohne Gefahr britischer Übergriffe
nach Deutschland zurückgesandt werden. Der österreichische
Generalkonsul in New York, der einer der Mitdirektoren der Preßgesellschaft
ist, hat das Inserat mit unterzeichnet. Falls das Tauchboot wirklich
in Baltimore eingetroffen ist, würde das die Richtigkeit der vor
einigen Tagen aus Madrid kommenden Meldung, daß ein deutsches
Tauchboot nach den Vereinigten Staaten unterwegs sei, bestätigen.
Berlin, 11. Juli. (Priv.-Tel.)
Die "Voss. Ztg." schreibt:
"Im Herbst des letzten Jahres ist in Bremen auf Veranlassung
von Herrn Alfred Lohmann, damals Präsident der Bremer
Handelskammer, eine besondere Reederei gegründet worden, die den
Verkehr durch Handelstauchboote mit Übersee aufnehmen sollte. In
das Handelsregister Bremen wurde am 8. November 1915 eingetragen:
Deutsche Ozean-Reederei G. m. b. H. Bremen, gegründet durch den
Norddeutschen Lloyd, die Deutsche Bank und Herrn Alfred Lohmann Dem
Aufsichtsrat gehören an: Alfred Lohmann als Vorsitzender,
Generaldirektor Philipp Heinecken vom Norddeutschen Lloyd,
Kommerzienrat Paul Millington, Herrmann von der Deutschen Bank in
Berlin, Geschäftsführer ist Direktor Karl Stapelfeldt vom
Norddeutschen Lloyd. Es sind verschiedene Tauchboote im Bau. Die
beiden ersten, die "Deutschland" und "Bremen",
schwimmen bereits auf dem Ozean. Die Größe der Boote beträgt etwa
2000 Tonnen. Weitere Mitteilungen über die Fahrt kann die Reederei
aus begreiflichen Gründen nicht bekanntgeben. Die Erbauerin der
"Deutschland" ist die Germaniawerft in Kiel. Deutschen
Schiffsbauingenieuren ist es vorbehalten geblieben, diese in die
Geschichte der Seeschiffahrt tief einschneidende Neuerung zu
schaffen. "Deutschland" und "Bremen" heißen die
ersten Boote, mit denen Englands Aushungerungskrieg gegen
Deutschland und Österreich-Ungarn und die rechtswidrige
Handelsblockade der gesamten Nordsee, die der bisherigen Praxis des
Völkerrechts widerspricht, durchbrochen wird.
Von Amerika wurde gerade in letzter Zeit gemeldet, daß die Not an
Farbstoffen so groß sei, daß wichtige Textilindustrien zum
Stillstand kommen würden, Industrien, mit deren Fabrikaten Amerika
während des Krieges erfolgreich Manchester und Yorkshire verdrängen
konnte. England hat die Ausfuhr von Farbstoffen aus Deutschland nach
Amerika verweigert, trotzdem Deutschlands Kriegführung davon nicht
den geringsten Nutzen haben konnte, und Amerika hat sich seit über
einem Jahre vergeblich mit milden Protesten begnügt. Deutschlands
Initiative blieb es vorbehalten, den Weg zu zeigen um Amerika zu
helfen. Es wird an den Neutralen liegen, ob sie sich die
rechtswidrige Behandlung ihrer Seeschiffahrt durch England länger
bieten lassen wollen zum Schaden ihrer eigenen und zum Nutzen der
durch die Kriegführung schwer bedrängten englischen Industrie.
Baltimore, 11. Juli
Reuter meldet:
Kapitän König, der Kapitän der "Deutschland", erklärte
heute morgen, daß die "Deutschland" das erste Schiff
einer Flotte ähnlicher Schiffe sei, die gebaut werden, um regelmäßig
über den Ozean Handel zu treiben. Das Boot ist mit ungefähr 750
Tonnen kostbarer Farbstoffe von Bremen abgegangen Als sich das Boot
am Samstag abend dem Kap näherte, fand es den Weg frei. Das Schiff
lag beigedreht mit dem Deck auf gleicher Höhe wie das Wasser und
wartete, bis die Dunkelheit gekommen war, bevor es sich der Küste näherte
Als der helle Halbmond kurz nach Mitternacht untergegangen war, lief
das Boot mit voller Fahrt durch das Kap durch. Nachdem Kapitän König
das Bureau der Agenten des Norddeutschen Lloyd besucht hatte,
dementierte er den Bericht, daß er der Überbringer einer Botschaft
des Deutschen Kaisers an den Präsidenten Wilson sei. Er übergab
eine in Schreibmaschinenschrift hergestellte Mitteilung, nach der
andere Tauchboote für die Kauffahrtei in Deutschland gebaut werden.
Das nächste wird "Bremen" heißen. Er erklärte, daß er
den Ozean in direktem Kurs von Helgoland aus durchfahren und 90
Meilen unter dem Meeresspiegel zurückgelegt hat. Er hat wiederholt
den Rauch englischer Kreuzer und Torpedojäger in nördlicher
Richtung gesehen und tauchte, wenn er dachte, daß Gefahr der
Entdeckung vorhanden sei, unter. König sagte, daß der Frachtpreis,
der für den Transport der Ladung bezahlt wurde, mehr als genüge,
um alle Kosten für den Bau der "Deutschland" zu decken.
Paris, 11. Juli.
Havas meldet aus Washington, obgleich noch keine amtliche Erklärung
vorliege, glaube man doch, die "Deutschland" werde als
Handelschiff betrachtet werden. Nach anderweitigen Meldungen
habe der englische Botschafter darauf bestanden, daß das deutsche
Tauchboot als Kriegsschiff anzusehen sei und infolgedessen nur 24
Stunden verweilen dürfe. Staatssekretär
Lansing dagegen erklärte vor einigen Tagen, das Schiff werde als
Handelsschiff angesehen werden, wenn es den Charakter als
Handelsschiff aufweise. Die Entscheidung der amerikanischen Behörden
wird von dem Ergebnis der noch vorzunehmenden Untersuchung abhängen
New York, 11. Juli.
Die Ankunft der "Deutschland" erregt das allergrößte
Aufsehen und wird in allen Blättern als epochemachend dargestellt.
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