Deutsche
Antwort an Sasonow
Berlin,
2. Juli. (W. B.)
Die "Norddeutsche Allgemein Zeitung" schreibt:
In einer Unterredung mit einem Redakteur des "Rußkoje
Slowo" ist der russische Minister des Äußern von neuem auf
die Entstehungsgeschichte des Krieges zu sprechen gekommen. Die
Schuld Rußlands an der Entfesselung des Weltbrandes ist durch die
vom Reichskanzler bei verschiedenen Gelegenheiten abgegebenen Erklärungen
sowie durch die amtlichen deutschen Veröffentlichungen so klar und
unwiderleglich nachgewiesen, daß es überflüssig erscheint, auf
diese Unterredung näher einzugehen. Nur einige Punkte der Äußerungen
des Herrn Sasonow, welche mit den Tatsachen in direktem Widerspruch
stehen, seien hier richtig gestellt.
Herr Sasonow weist darauf hin, der Reichskanzler habe behauptet, daß
England, Frankreich und Rußland sich durch ein Bündnis gegen
Deutschland eng zusammengeschlossen hätten. Der Reichskanzler hat
von einem solchen Bündnis niemals gesprochen. Wie aus den Veröffentlichungen
der Kaiserlichen Regierung hervorgeht, sind ihr die Beziehungen, die
die Ententemächte vor dem Kriege verknüpften, genau bekannt
gewesen. Der Reichskanzler hat auf Grund dieser Kenntnis nur
wiederholt die Tatsache festgestellt, daß diese Beziehungen die
Einkreisung Deutschlands zum Ziele hatten Diese Feststellung wird
durch die Ausführungen des Herrn Sasonow nicht nur nicht widerlegt,
sondern direkt bestätigt. Der Minister erklärt selbst, "daß
Frankreich und Rußland trotz ihrer von Grund aus friedlichen
Gesinnung und ihres aufrichtigen Wunsches, ein Blutvergießen zu
vermeiden, sich entschlossen hätten, die Anmaßung Deutschlands
niederzuschlagen". Er bestätigt ferner, daß er bei diesem
Plane bestimmt auf die Unterstützung Englands gerechnet hat, und
liefert durch dieses Eingeständnis einen schlagenden Beweis für
die von deutscher Seite stets betonte Mitschuld Englands am Ausbruch
des Krieges. Herr Sasanow wirft dem Reichskanzler vor, er habe
sorgsam vermieden, zu erwähnen, daß die russische Mobilmachung
nach derjenigen der österreichisch-ungarischen Armee und eines beträchtlichen
Teiles der deutschen Armee erfolgt sei. Demgegenüber sei daran
erinnert, daß, als am 31. Juli 1914 die allgemeine Mobilmachung der
russischen Armee bekannt gegeben wurde, Österreich-Ungarn nur acht
nicht an der russischen Grenze garnisonierte Korps gegen Serbien
mobil gemacht hatte. Daß Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits
einen beträchtlichen Teil seiner Armee mobil gemacht habe, ist eine
gänzlich aus der Luft gegriffene Behauptung. Eine Teilmobilmachung
hat in Deutschland überhaupt nicht stattgefunden. Der
Mobilmachungsbefehl für die ganze deutsche Armee erging bekanntlich
erst am 1. August nachmittags 5 Uhr als Antwort auf die allgemeine
russische Mobilmachung. Mobilmachungsmaßnahmen irgendwelcher Art
sind vorher nicht getroffen worden.
Herr Sasonow behauptet, diese "Mobilmachung" sei durch den
"Lokalanzeiger" vorzeitig dem deutschen Volke bekannt
gegeben worden. Herrn Sasonow muß aus der Berichterstattung der
russischen Botschaft in Berlin bekannt sein, daß die am 30. Juli
von dem genannten Blatte infolge eines Irrtums durch ein Extrablatt
verbreitete falsche Nachricht von der deutschen Mobilmachung sofort
von amtlicher Seite widerrufen wurde und daß überdies die
Botschaft bereits eine Viertelstunde nach Ausgabe des Extrablattes
von einem Mitglied der Redaktion des "Lokal-Anzeigers"
telephonisch über den Sachverhalt aufgeklärt worden ist. Der
russische Minister scheut sich nicht, dem Redakteur des "Rußkoje
Slowo" das Märchen aufzubinden, es bestehe die feste
Sicherheit, die jetzt ganz Europa habe, daß das Ultimatum Österreich-Ungarns
an Serbien unter dem unmittelbaren Einfluß eines hervorragenden
deutschen Diplomaten ausgearbeitet und mit Übergehung des Leiters
der deutschen Politik dem Kaiser Wilhelm zur Billigung unterbreitet
wurde. Wir stellen hiermit fest, daß diese Behauptung in allen
Einzelteilen frei erfunden ist und jeder tatsächlichen Grundlage
entbehrt. 2)
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