Der Weltkrieg am 27. Juni 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

Der deutsche Heeresbericht:

Erstürmung russischer Linien bei Sokul

Großes Hauptquartier, 27. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz: 
An der englischen und dem Nordflügel der französischen Front ist es mehrfach zu Patrouillengefechten gekommen. Zahlreiche Gas- und Rauchwolken strichen zu uns herüber; sie schädigten die deutschen Truppe nicht und schlugen teilweise in die feindlichen Gräben zurück
Das gegnerische Feuer richtet sich mit besonderer Heftigkeit gegen unsere Stellungen beiderseits der Somme. Durch die Beschießung von Nesle durch die Franzosen sind 23 ihrer Landsleute getötet oder verwundet worden. 
Rechts der Maas blieben französische Angriffe nordwestlich und westlich des Panzerwerkes Thiaumont sowie südwestlich der Feste Vaux ergebnislos. Im Chapitre-Walde wurde eine feindliche Abteilung in Stärke von 2 Offizieren und einigen Dutzend Leuten überrascht und gefangengenommen. Ein englischer Doppeldecker wurde östlich von Arras im Luftkampf abgeschossen; die Insassen sind verwundet gefangen.
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg: 
Deutsche Abteilungen, die in die russischen Stellungen vorstießen, brachten südlich von Kekkau 26 Gefangene, 1 Maschinengewehr, einen Minenwerfer und nördlich vom Miadziol-See 1 Offizier, 188 Mann, 6 Maschinengewehre, 4 Minenwerfer ein. Feindliche Patrouillen wurden abgewiesen. Der Güterbahnhof von Dünaburg wurde ausgiebig mit Bomben belegt. 
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: 
Die Lage ist unverändert.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen: 
Südwestlich von Sokul stürmten unsere Truppen russische Linien und machten mehrere hundert Gefangene. Feindliche Gegenangriffe hatten nirgends Erfolg. 
Balkankriegsschauplatz: 
Keine besondere Ereignisse.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Italienische Beschießung verlassener Stellungen 

Wien, 27. Juni.  
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz: 
Bei Jakobeny nördlich von Kuty und westlich von Nowo-Poczajew wurden russische Angriffe abgeschlagen; der Feind erlitt überall große Verluste. Bei Sokul schreitet der Angriff der Deutschen fort. Sonst bei unveränderter Lage keine Ereignisse von Belang.
Italienischer Kriegsschauplatz: 
Die Verkürzung unserer Front im Angriffsraum zwischen Brenta und Etsch wurde gestern beendet. Alle aus diesem Anlaß von italienischen Seite verbreiteten Nachrichten über Eroberungen und sonstige Erfolge sind, wie die folgende aus militärischen Gründen erst heute mögliche Darstellung beweist, vollkommen unwahr. In der Nacht zum 25. Juni begann die seit einer Woche vorbereitete teilweise Räumung der durch unsere Angriffe gewonnenen, im Gelände jedoch ungünstigen vordersten Linien. Den folgenden Vormittag setzte der Feind die Beschießung der von unseren Truppen verlassenen Stellungen fort. Erst mittags begannen italienische Abteilungen an einzelnen Frontteilen zwischen Astach- und Suganer-Tal zaghaft vorzufühlen. Im Abschnitt zwischen Etsch- und Astach-Tal hielt die erwähnte Beschießung gegen die längst verlassenen Stellungen den ganzen Tag, die nächste Nacht und stellenweise noch gestern morgen an. An beiden Tagen wurde an der ganzen Front nicht gekämpft. Unsere Truppen verloren weder Gefangene, noch Geschütze, Maschinengewehre oder sonstiges Kriegsmaterial. Nunmehr gehen die Italiener an unsere neuen Stellungen heran. Heute früh erst griffen sie den Monte Seste an, wo sie unter schweren Verlusten abgewiesen wurden. Im Posina-Tal zwang unser Geschützfeuer mehrere Patrouillen zur Flucht. An der küstenländischen Front scheiterten feindliche Angriffe am Krn und dem Mrzli Vrh. 
Südöstlicher Kriegsschauplatz: 
Unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der Wirtschaftskrieg

Paris, 27. Juni. (W. B.) 
Meldung der Agence Havas. 
Der Ministerrat hat die Beschlüsse der wirtschaftlichen Konferenz der Alliierten geprüft und den Beitritt der französischen Regierung zu allen ihren Entschließungen ausgesprochen. Die parlamentarischen Handels-Ausschüsse der alliierten Mächte werden sich in dieser Woche gleichzeitig mit den Vorarbeiten für die nächste interparlamentarische Konferenz beschäftigen. Der Vorstand des französischen Ausschusses hat bereits einen Einfluß der abgehaltenen Konferenz auf die Wirtschaftspolitik der Alliierten festgestellt. Auf dem Programm der nächsten Konferenz steht die Vereinheitlichung der beim ersten Male den parlamentarischen Vereinigungen in Paris vorgelegten Fragen und die Ausarbeitung von Maßregeln, welche die Handelsbeziehungen zwischen den jetzt Kriegführeden regeln sollen, besonders: 1. Verbot des Handels mit dem Feinde; 2. Ausführung bestehender Verträge; 3. Eintreibung von Schuldforderungen bei dem Feinde; 4. Einziehung feindlichen Eigentums; 5. Patent- und Fabrikmarkenrecht; 6. Einfuhr- und Ausfuhrverbote; 7. Handelsorganisation nach dem Kriege: Zolleinigungen zwischen den Alliierten, Aufsicht über naturalisierte Ausländer usw. Außerdem wird eine Vereinheitlichung der Gesetze über Vergütung der Kriegsschäden in den verschiedenen Ländern erwogen. Die nächste Konferenz wird über einheitliche Grundsätze gegenüber falscher Warenbezeichnung, über internationale Maßregeln zur Überwachung deutscher Versicherungsgesellschaften, über Durchsicht der Brüsseler Akte betreffend den Waffen- und Alkoholhandel in den Kolonien der Entente und über eine Vereinheitlichung von Zollbezeichnungen zu beschließen haben. Im Dezember wird eine Konferenz der Alliierten in Paris zusammentreten, um die Grundlagen für ein Kartell ihrer Handelsmarinen festzulegen.
2)

 

Ein englisch-schwedisches Postabkommen

Stockholm. 27. Juni. (W. B.) 
Nach langwierigen Verhandlungen der schwedischen Regierung mit der englischen
ist eine Einigung dahin erzielt worden, daß die Frage der Rechtmäßigkeit der englischen Maßnahmen betr. die Paketpost, die seinerzeit die Zurückhaltung der Transitpostpakete zwischen England und Rußland hervorrief, bis zur Entscheidung durch ein internationales, unmittelbar nach Kriegsende zu erwartendes Schiedsgericht verschoben wird, vorausgesetzt, daß die englischen Maßnahmen in ordentlicher Weise von einem englischen Prisengericht geprüft werden. In gleicher Weise drückt die englische Regierung ihre Geneigtheit aus, über gewisse andere Fragen, bezüglich deren eine neutrale Regierung sich mit der Entscheidung des Prisengerichts nicht zufriedengeben kann, weiter zu verhandeln oder sie gegebenenfalls einem internationalen Schiedsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Infolgedessen hat die schwedische Regierung beschlossen, die Beschlagnahme der Transitpakete nicht weiter aufrechtzuerhalten. Dagegen wird künftig von Seiten Schwedens der Transitverkehr solcher Pakete nicht zugelassen, bevor eine zufriedenstellende Ordnung von Schweden nach dem Westen tatsächlich durchgeführt ist.
2)

 

Englische Gefangene in Deutschland


Lord Cecil

London, 27. Juni. (Priv.-Tel.) 
Lord Robert Cecil teilte im englischen Unterhause mit, daß durch Vermittlung der amerikanischen Botschaft ein neuer Bericht über die Nahrungsmittelfürsorge in Ruhleben eingelaufen sei. Es ergibt sich daraus, daß die Deutschen absichtlich die Rationen auf weniger als die Hälfte der vorgeschriebenen Quantitäten herabgesetzt haben und daß sie einen Betrag von 60000 und von 200000 Mark durch die Verminderung der Rationen aufgespart haben. Die englische Regierung hat daher, durch Vermittlung der amerikanischen Botschaft, eine telegraphische Note an die deutsche Regierung gelangen lassen, worin darauf hingewiesen wird, daß es die Pflicht der Deutschen sei, die Gefangenen, die sie nicht genügend ernähren könne, wieder in Freiheit zu setzen. Es wird dabei an den englischen Vorschlag erinnert, die bürgerlichen Gefangenen über 50 oder 45 Jahren, die militäruntauglich sind, entweder freizulassen oder auszutauschen. Weiter wurde vorgeschlagen, daß alle englischen bürgerlichen Gefangenen in Ruhleben in Freiheit gesetzt werden sollen in Austausch gegen eine gleiche Anzahl deutscher bürgerlicher Gefangenen in England. Schließlich haben wir erklärt, daß, wenn die Deutschen diesen Vorschlag nicht innerhalb einer Woche annehmen, wir genötigt sein würden zu erwägen, ob wir nicht die gleichen Maßnahmen bezüglich der Rationen auf die bürgerlichen deutschen Gefangenen in England anwenden sollten. (Beifall.)
Dazu wird von deutscher Seite amtlich bemerkt: "Die Voraussetzungen Englands sind gänzlich unzutreffend, da in Deutschland die Zivilgefangenen genau so wie die Kriegsgefangenen und zwar nach erprobten Grundsätzen ausreichend ernährt werden. Der britischen Regierung ist bereits ein dahingehender Bescheid erteilt worden, so daß die englischen Drohungen dadurch gegenstandslos werden. Der Austauschvorschlag ist in der von England angeregten Form für Deutschland unannehmbar, dagegen schweben zur Zeit Verhandlungen, die den Austausch von Zivilgefangenen auf anderer Grundlage zum Ziele habend.
2)

 

Der deutsche Besuch in Bulgarien

Matthias Erzberger
Matthias Erzberger

Sofia, 27. Juni. (W. B.)
Ministerpräsident Radoslawow gab gestern im Ministerium des Äußern zu Ehren der deutschen Abgeordneten ein Galafrühstück, bei dem er in einer längeren Rede folgende Worte sprach: "Wir Bulgaren sind sehr zurückhaltend in der Äußerung unserer Gefühle, aber wer uns einmal die Freundeshand gereicht hat, wer uns mit Achtung und Vertrauen einmal begegnet ist, kann sicher sein, in Bulgarien einen dauernden und wahren Freund gewonnen zu habend." Namens der deutschen Abordnung erwiderte Reichstagsabgeordneter Erzberger. Der Redner schilderte den herzlichen Empfang in Alt-Bulgarien, wie auch in den neu erworbenen Gebieten des Landes, sprach sodann von der deutschen Treue, die niemand anzutasten gewagt habe, und bezeichnete das vom Reichstag kurz vor seinem Auseinandergehen genehmigte Gesandtschaftshaus in Sofia als Haus der ewigen deutsch-bulgarischen Freundschaft; Bulgariens Ziele seien Deutschlands Ziele. Die Rede schloß mit einem Hoch auf den Zaren Ferdinand und das bulgarische Volk.
2)

 

Neuregelung der Kartoffelversorgung

Berlin, 27. Juni. (W. B.)
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 26. Juni die Kartoffelversorgung für 1916/17 neu geregelt. Die neue Verordnung hält im wesentlichen an dem bisherigen System der Kartoffelversorgung fest. Zu neuen Versuchen und neuen Risiken ist die Zeit nicht geeignet, umso weniger als sich die Kartoffelverordnung vom 7. Februar 1916 in Verbindung mit den landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen als ein gangbarer Weg erwiesen hat. Es ist also an dem bisherigen System der Anmeldung des Bedarfs und der Zwangsabnahme durch die Bedarfsverbände und der Umlegung auf die Überschußverbände mit Zwangslieferungen seitens der Kommunalverbände und der Kartoffelerzeuger festzuhalten. Der zu deckende Bedarf wird durch Sicherstellung bei dem einzelnen Erzeuger festgelegt und der freien Verfügung entzogen. Nur bei Anwendung dieses Verfahrens zugleich mit wiederholten Vorratserhebungen kann die Kartoffelernte planmäßig erfaßt und, soweit zur Deckung des Bedarfs erforderlich, gleichmäßig verteilt werden.
2)

 

Schluß des Preußischen Landtags

Berlin, 27. Juni. (Priv.-Tel.)
Durch die heute erfolgte Vertagung des Preußischen Landtags bis Mitte November ist die Sommerpause unserer Parlamente eingetreten, denn der Reichstag hat sich, wie bekannt, schon vor Pfingsten vertagt und wird sich wahrscheinlich erst Ende September wieder versammeln. 
Der Landtag hat zuletzt das Budget und erhöhte Zuschläge zur Einkommen- und Vermögenssteuer bewilligt; er hätte viel eher fertig werden können, und die Session ist auch nur deshalb bis in den Sommer hinein ausgedehnt worden, weil die im Preußischen Abgeordnetenhause herrschenden Konservativen, die gelegentlich, auch trotz des Reichstages sich bemühen, wie eine Art Kontrollinstanz über die auswärtige Politik und in Verbindung damit über die Kriegführung und über das verantwortliche Tun des Reichskanzlers zu wachen, sich diesmal in den Kopf gesetzt hatten, die steuerpolitische Tätigkeit des Reichsparlaments zu kontrollieren und ein Zurückgreifen der Reichsfinanzverwaltung auf direkte Steuern dadurch zu verhindern, daß sie ihre Zustimmung zu den erhöhten Zuschlägen der preußischen direkten Steuern nicht eher aussprechen wollten, als bis der Reichstag die Beschlüsse über die Kriegssteuern gefaßt habe. Dieser Kontrollversuch ist der von den Konservativen geführten Mehrheit des Abgeordnetenhauses mißglückt. Das Reich hat auf direkte Steuern zurückgegriffen und den formalen Ausweg gewählt, die Besteuerung des Vermögens als eine Besteuerung des Vermögenszuwachses zu frisieren. Viel unnütze Zeit ist durch diesen Kontrollversuch des Preußischen Abgeordnetenhauses vergeudet worden. Es hat sich unter der Führung des Herrn v. Heydebrand auch noch dadurch eine besondere Niederlage geholt, daß es versuchte, die von der Regierung für die Dauer des Krieges, d. h. bis zum nächsten Friedensetat verlangten höheren Steuerzuschläge nur auf ein Jahr zu bewilligen. Im Abgeordnetenhaus fand sich dafür leicht eine Mehrheit, denn die Parteien der Linken sind grundsätzlich für einjährige Steuerbewilligung, während die Konservativen selbst von "solcher Quotierung" der Steuer nichts wissen wollen; sie sind von dem Grundsatze nur abgewichen, um einen Druck auf die preußische Finanzverwaltung ausüben zu können, der sie ausgesprochenermaßen in Sachen der direkten Reichssteuern nicht trauen. Das Herrenhaus, sonst so willfährig, wenn es darauf ankommt, gegen Wünsche der Regierung wie gegen die ihm nahestehende Mehrheit des Abgeordnetenhauses, hat dieses Manöver nicht mitgemacht. Es hat die Steuervorschläge, trotz des "Unannehmbar" des Herrn v. Heydebrand, für die Dauer des Krieges bewilligt, wie die Regierung es vorschlug, und Herr v. Heydebrand hat mit seinen Leuten den Rückzug antreten müssen. Er ist vor den Konservativen des Herrenhauses erst in der Sache vollständig zurückgewichen, dann in der Form durch die jetzt als Kompromiß beschlossene Bewilligung der Steuerzuschläge auf zwei Jahre und, wenn dann der Krieg noch nicht zu Ende sein sollte, auf ein weiteres Jahr. Es ist also genau dasselbe, was die Regierung und mit ihr das Herrenhaus verlangt hatte. Eine immerhin bemerkenswerte Tatsache: die stolzen konservativen Herren des Abgeordnetenhauses in einem taktisch-politischen Unternehmen geschlagen vom Herrenhaus oder mit Hilfe des Herrenhauses, das sich bei dieser Gelegenheit finanzpolitisch weniger engherzig, vor allem gegen die Reichsregierung und die preußische Regierung weniger mißtrauisch erwiesen hat. Hat es doch auch, nebenbei bemerkt, trotz mancher verlockenden Vorstöße gegen den Reichskanzler als Leiter der auswärtigen und inneren Politik nicht mitgemacht.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Juni 1916

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TEXTQUELLEN:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen
Nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus
4. Band
Nationaler Verlag, Berlin SW 68
(1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1916)

 

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