Der Weltkrieg am 15. Mai 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

Der deutsche Heeresbericht:

Englischer Gegenangriff bei Hulluch abgeschlagen

Großes Hauptquartier, 15. Mai. 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
In vielen Abschnitten der Front war die beiderseitige Artillerie- und Patrouillentätigkeit lebhaft. 
Versuche des Gegners, unsere neugewonnene Stellung bei Hulluch wiederzunehmen, wurden, soweit sie nicht schon in unserem Artilleriefeuer zusammenbrachen, im Nahkampf erledigt. 
Im Kampfgebiet der Maas wurden Angriffe der Franzosen am Westhange des "Toten Mannes" und beim Caillettewalde mühelos abgeschlagen.
Östlicher und Balkankriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Ein neuer Erfolg am Tolmeiner Brückenkopf - Luftangriff auf Valona 

Wien, 15. Mai. 
Amtlich wird verlautbart:
Russischer und südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unverändert.

Italienischer Kriegsschauplatz: 
Gestern nachmittag entwickelten sich in mehreren Abschnitten lebhafte Artilleriekämpfe, die auch heute fortdauern. 
Nachts belegten unsere Flieger die Adriawerke bei Monfalcone, den Bahnhof von Cervignano und sonstige militärische Anlagen ausgiebig mit Bomben. Alle Flugzeuge kehrten unversehrt zurück. 
Westlich von San Martino warf unsere Infanterie den Feind aus seinen vorgeschobenen Gräben und schlug mehrere Gegenangriffe ab. Vorstöße der Italiener nördlich des Monte San Michele brachen zusammen. Die Stadt Görz stand abends unter Feuer. Auch nördlich des Tolmeiner Brückenkopfs drangen unsere Truppen mehrfach in die italienischen Gräben ein.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See:
Am 13. Mai nachmittags hat ein Geschwader von Seeflugzeugen militärische Anlagen Valonas und der Insel Saseno erfolgreich mit Bomben belegt und ist trotz sehr heftigen Abwehrfeuers wohlbehalten eingerückt.

Flottenkommando. 1)

 

Österreichischer Protest gegen Gewalttaten feindlicher U-Boote

Zerstörung des Dampfers "Dubrovnik"

Wien, 15. Mai.
Das Ministerium des Äußeren überreichte heute den am Wiener Hofe beglaubigten Vertretungen der verbündeten und neutralen Staaten eine Note, in der bei den neutralen Mächten gegen die barbarische Zerstörung des österreichischen Dampfers "Dubrovnik" protestiert wird. Die Note sagt darüber: Dieses der "Navigaztone a Vapore, Ragusa" gehörige Schiff wurde am 9. Mai um 10 Uhr 30 Minuten vormittags im Narentakanal zwischen San Georgio auf der Insel Lesina und Kap Gomena auf der Halbinsel Sabioncello von einem feindlichen Unterseeboot ohne jede vorherige Warnung durch zwei Torpedoschüsse vernichtet. Der erste Torpedo traf den Dampfer auf der Steuerbordseite und hatte zur Folge, daß das Schiff rasch zu sinken begann. Alle Personen an Bord eilten in die ins Wasser gelassenen Rettungsboote. Als diese Boote abzustoßen im Begriffe waren, explodierte ein zweiter Torpedo, welcher aus der gleichen Richtung kam wie der erste, achter Steuerbord unter dem Decksalon. Infolge der Explosion wurde das Steuerbordrettungsboot samt den Insassen in die Luft geschleudert und ging in Trümmer. Ein zweites Boot fuhr mit 16 Personen gegen Land und nahm unterwegs zwei Schiffbrüchige auf. Die zur Hilfe herbeigeeilten Barken holten noch einige Personen aus dem Wasser. Auf dem Schiffe befanden sich im Augenblicke der Torpedierung außer der Besatzung des Dampfers, die einschließlich des Kapitäns aus 19 Mann bestand, Passagiere in der gleichen Zahl, darunter zwei Priester und mehrere Frauen und Kinder. Drei Leichen ertrunkener Frauen sind bereits geborgen und begraben. Von der Bemannung und den Fahrgästen werden je vier Personen vermißt.
Die Meldung der Agenzia Stefani vom 10. Mai gibt die Tatsache der Versenkung des Schiffes zu, als deren Urheber sie ein den italienischen Seestreitkräften beigegebenes französisches Tauchboot bezeichnet, fügt aber bei, der Dampfer sei ein Transportschiff und mit Kriegsmaterial beladen gewesen. Diese Angabe ist glatt erfunden. Das Schiff, ein kleiner Lokaldampfer von 51 Meter Länge und 480 Tonnen Raumgehalt, konnte selbstverständlich weder Truppen noch Kriegsmaterial an Bord haben; ebensowenig war dies bei irgendeinem der früher genannten Dampfer der Fall.
Stellt sich sonach die tückische Beschießung des kleinen Fahrzeuges schon an und für sich als ein brutaler, durch nichts zu entschuldigender, der Menschlichkeit hohnsprechender Gewaltstreich dar, so konnte das Abfeuern des zweiten Torpedos auf den bereits im Sinken begriffenen, von Rettungsbooten umgebenen Dampfer nur bezwecken, die Rettung der Personen, deren Leben andernfalls hätte bewahrt werden können, zu verhindern. Dieses Vorgehen läßt sich daher nur als vorbedachter Mord bezeichnen. Die Verantwortung dafür trifft auch die italienische Regierung, da das Unterseeboot, um das es sich handelt, im Verbande der italienischen Seestreitkräfte operierte.
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Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 15. Mai. 
Eins unserer Wasserflugzeuge überflog in der Nacht des 13. Mai die Insel Imbros und warf mit Erfolg Bomben auf zwei große feindliche Schiffe, die in der Bai von Keptelos ankerten. Unser Wasserflugzeug kehrte trotz des Feuers der feindlichen Artillerie unversehrt zurück. Ein feindlicher Monitor, der in einen Hafen an der Nordwestküste der Insel Kensten einlaufen wollte, geriet in das Überraschungsfeuer unserer Artillerie. Ihre Volltreffer ließen den Monitor in Flammen gehüllt und rauchend scheitern. Während der mehrere Stunden andauernden Feuersbrunst wurden deutlich die Explosionen gehört, die von der in dem Schiffe befindlichen Munition herrührten. Ein feindliches Flugzeug, das inzwischen erschienen war, warf 6 Bomben auf das Gestade von Ourla, tötete 1 Mann und 2 Frauen der Zivilbevölkerung und verletzte 1 Kind.

 

Sir Edward Grey über Englands Friedensbedingungen

Rotterdam, 15. Mai.
In einer Unterredung mit dem Londoner Vertreter von "Chicago Daily News" am 10. Mai erklärte Staatssekretär Grey u. a.:
Die preußische Tyrannei in Westeuropa mit Einschluß Englands wird nicht standhalten. Was Preußen beabsichtigt, ist die preußische Oberherrschaft. Es beabsichtigt ein von Preußen geformtes und beherrschtes Europa. Wir bekämpfen auch die deutsche Idee von der Nützlichkeit, ja von der Erwünschtheit eines immer wiederkehrenden Krieges. Wir haben den Glauben an internationale Konferenzen.
Nachdem Grey die Weigerung Deutschlands, einer Konferenz über die österreichischen Forderungen an Serbien zuzustimmen, besprochen hatte, fuhr er fort: Die Konferenz, die wir vorschlugen, oder das vom Zaren vorgeschlagene Haager Schiedsgericht hätten den Streit in einer Woche etwa beendet, und all dieses Unglück wäre abgewendet worden.
Auf die Frage des Korrespondenten, ob Grey glaube, daß die Neutralen zum Frieden verhelfen könnten, antwortete Grey: Wenn die Leute mit friedlichen Ratschlägen zu mir kommen, sollen sie mir sagen, welche Art Frieden sie im Sinne haben. Sie sollen mich wissen lassen, auf welcher Seite sie stehen. Friedliche Ratschläge, die rein abstrakt sind und keinen Unterschied zu machen versuchen zwischen Recht und Unrecht des Krieges, sind ohne Wirkung und unerheblich.
Mit Nachdruck bestritt dann Grey, daß vor dem Kriege irgendeine Koalition gegen Deutschland bestand oder daß ihm der Krieg aufgezwungen wurde.
Grey fuhr fort: Auf alles dies sagen wir zu Deutschland: Erkennet den Grundsatz an, den diejenigen, die die Freiheit lieben, überall betonen, gebet den Nationalitäten wirkliche Freiheit, nicht eine sogenannte Freiheit, die den unterworfenen Völkern von der preußischen Tyrannei als Almosen zugeteilt wird, und leistet Ersatz für das zugefügte Unrecht, soweit er geleistet werden kann. Grey fuhr fort, daß die Grundlage der britischen Annäherungen in den letzten Jahren darin bestand, gute Beziehungen zu sichern und den Streitigkeiten der anderen Mächte ein Ende zu setzen. Das Abkommen mit Frankreich und dann mit Rußland geschah nicht in feindseliger Absicht gegen Deutschland oder irgendeine andere Macht, sondern nur in der Absicht, einem dauernden Frieden eine Bahn zu schaffen.
In bezug auf die deutsche Behauptung, das einzige wirkliche Hindernis des Friedens sei England, erklärte Grey: Niemand wünscht den Frieden mehr als wir.
Als der Vertreter des Blattes fragte, ob Grey bemerkt habe, daß der Reichskanzler behaupte, daß England das geeinigte und freie Deutschland zu zerstören wünsche, erwiderte Grey: Wir waren niemals für eine solche Tollheit eingenommen. Wir würden uns freuen, das deutsche Volk frei zu sehen, wie wir frei zu sein wünschen und wie wir auch wünschen, daß die anderen Nationen in Europa frei in der Welt seien. Wir glauben, daß, wenn einmal die Träume von der Weltherrschaft, die der Pangermanismus großgezogen hat, zunichte gemacht sind, das deutsche Volk darauf bestehen wird, seine Regierung zu beaufsichtigen, und darin liegt die Hoffnung, die Freiheit und die nationale Unabhängigkeit Europas zu schaffen. Denn die deutsche Demokratie wird keine Kriegspläne schmieden, wie der preußische Militarismus Kriege geschmiedet hat, die zu einem in der Zukunft gewählten Zeitpunkt stattfinden sollten. Wenn die Menschheit aus diesem Kriege nicht lernt, Kriege zu vermeiden, so wird der Kampf vergeblich gewesen sein.
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Poincarés Friedensbedingungen

Präsident Poincaré
Präsident Poincaré

Bern, 15. Mai.
Bei einem Besuche in Nancy hat Poincaré eine Ansprache an die lothringischen Flüchtlinge gehalten, in der er sie der Zuneigung von ganz Frankreich versicherte und Erfüllung der Wünsche der armen verjagten Landeskinder nach Herstellung von Ruhe und Sicherheit in ihrer alten Heimat zusagte. Er sagte u. a.: Frankreich wird seine Söhne nicht den Gefahren neuer Angriffe aussetzen. Die Mittelmächte suchen, gequält von Gewissensbissen wegen der Entfesselung dieses Krieges und entsetzt über die Entrüstung und den Haß, den sie sich bei der ganzen Menschheit zugezogen haben, die Welt glauben zu machen, daß die Alliierten allein für die Verlängerung des Krieges verantwortlich sind: eine plumpe Ironie, die niemand täuschen kann. Weder direkt noch indirekt haben unsere Feinde uns jemals Frieden angeboten; aber wir wollen auch nicht, daß sie ihn uns anbieten, wir wollen, daß sie uns darum bitten. Wir wollen uns ihren Bedingungen nicht unterwerfen, wir wollen ihnen die unseren diktieren. Wir wollen keinen Frieden, der dem kaiserlichen Deutschland die Bestimmung darüber ließe, von neuem Krieg zu beginnen, was für ganz Europa eine dauernde Drohung bedeuten würde; wir wollen einen Frieden, der von dem wiederhergestellten Rechte eine ernsthafte Gewähr für das Gleichgewicht und seine Dauer empfängt. Solange dieser Friede nicht gesichert ist, solange unsere Gegner sich nicht für besiegt erklären, werden wir nicht aushören zu kämpfen.
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Ein französisches Lenkluftschiff ins Meer gestürzt

Toulon, 15. Mai. (Meldung der Agence Havas.)
Ein französisches Lenkluftschiff ist an der Küste von Sardinien ins Meer gestürzt. Die aus sechs Mann bestehende Besatzung ist ertrunken.
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Der 1. Weltkrieg im Mai 1916

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1) TEXTQUELLEN:
Amtliche Kriegs-Depeschen
Nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus
4. Band
Nationaler Verlag, Berlin SW 68
(1916)

 

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