Der Weltkrieg am 27. Januar 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

Deutsche Gräben in den Dünen bei Westende (Flandern)
Deutsche Gräben in den Dünen bei Westende (Flandern)

 Der deutsche Heeresbericht:

Erstürmung französischer Stellungen bei Vimy-Neuville

Großes Hauptquartier, 27. Januar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
In Verbindung mit einer Beschießung unserer Stellungen im Dünengelände durch die feindliche Landartillerie belegten feindliche Monitoren die Gegend von Westende mit ergebnislosem Feuer.
Beiderseits der Straße Vimy-Neuville stürmten unsere Truppen nach vorangegangener Sprengung die französische Stellung in einer Ausdehnung von 500 bis 600 Meter, machten 1 Offizier, 52 Mann zu Gefangenen und erbeuteten 1 Maschinengewehr und 3 Minenwerfer. Nach fruchtlosen Gegenangriffen des Feindes entspannen sich hier und an anderen in den letzten Tagen eroberten Gräben lebhafte Handgranatenkämpfe.
Die Stadt Lens lag unter starkem feindlichen Feuer.
In den Argonnen zeitweise heftige Artilleriekämpfe.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Abgesehen von erfolgreichen Unternehmungen kleinerer deutscher und österreichisch-ungarischer Abteilungen bei der Heeresgruppe des Generals v. Linsingen ist nichts von Bedeutung zu berichten.
Balkankriegsschauplatz:
Nichts Neues.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Völlige Ruhe in Montenegro

Wien, 27. Januar.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Gestern ließ die Kampftätigkeit allgemein nach. Bei Oslavia brachte unser Geschützfeuer noch 50 Überläufer ein.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
In allen Teilen Montenegros herrscht, ebenso wie im Raume von Skutari, völlige Ruhe. Der größte Teil der montenegrinischen Truppen ist entwaffnet. Die Bevölkerung verhält sich durchaus entgegenkommend.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Die Bedingungen der montenegrinischen Waffenstreckung

Wien, 27. Januar.
Das k. u. k. Armeeoberkommando veröffentlicht im folgenden die am 25. Januar, 6 Uhr abends, unterzeichneten Bestimmungen über die Waffenstreckung des montenegrinischen Heeres. Diese lauten:
1. Alle im Lande befindlichen Kriegswaffen samt Munition und Zubehör inklusive Geschütze und Maschinengewehre, Handgranaten, Bomben usw., Kriegsmaterialien jeder Art, Schiffahrtsmittel, ob Privat- oder Staatsbesitz, werden den k. u. k. militärischen Kommandanten übergeben.
2. Art der Waffenablieferung: Jeder Montenegriner liefert die bei ihm befindlichen Waffen und dergleichen in nachstehenden Orten ab: Podgorica, Niksic, Kolasin, Danilovgrad, Savnik, Andrejevica, Coransko. Die montenegrinische Regierung trägt die Verantwortung, daß niemand der Ablieferung fernbleibt. Durchführung der Hauptsache nach binnen drei Tagen, die kommunikationsarmen Gebirgsgegenden längstens sechs Tage nach Unterzeichnung des Protokolls. Von diesen Orten werden die Waffen und dergleichen durch montenegrinische Transportmittel - wenn diese nicht ausreichen, österreichisch-ungarische - in die Orte Niksic, Danilovgrad, Podgorica geschafft, wo sie nach Ermessen der k. u. k. militärischen Stellen bewacht und gesichert werden.
Notwendige Transportmittel spricht die montenegrinische Regierung unter Angabe des Ortes und des Transportgewichtes bei den k. u. k. Besatzungsdetachements an; Offiziere dürfen ihre Seitenwaffen behalten. Mit Schußwaffen können ausgerüstet werden: die notwendigsten Polizei- und Gendarmerieorgane aller Bezirke, die Grenzwache gegen Albanien. Weiter wird es gestattet, daß in dem Grenzgebiete gegen Albanien und teilweise gegen den Sandschak Vertrauensleute der Behörden Revolver tragen. Jeder zum Tragen von Waffen berechtigte Montenegriner muß stets eine von der montenegrinischen Regierung auf die Person ausgestellte Legitimation bei sich tragen, widrigenfalls er nach Ablauf der im Punkt 2 genannten Termine als feindlich Gesinnter bekämpft oder nach Entwaffnung der militärstrafgerichtlichen Behandlung zugeführt wird. Die montenegrinische Regierung wird über die Anzahl der in Waffen zu belassenden Personen dem k. u. k. militärischen Kommando in Cetinje einen konkreten Vorschlag machen und auch bekanntgeben, wie diese Organe äußerlich gekennzeichnet sind bzw. sein werden.
3. Da die k. u. k. Truppen bereits fast das ganze montenegrinische Territorium besetzt haben, steht es ihnen frei, bis zum Friedensschluß ihre Operationen fortzusetzen. Hierbei werden sie seitens der Montenegriner weder behindert noch beunruhigt werden. Die montenegrinische Regierung wird ihrerseits den k. u. k. Truppen bei diesem Vorgehen jede mögliche Unterstützung angedeihen lassen, und zwar betreffend Unterkunft, Holz, Wasser und Transportmittel, insoweit dies die bescheidenen Verhältnisse des Landes zulassen werden.
4. Die montenegrinische Regierung übernimmt, soweit es in ihrer Macht liegt, die Garantie, daß alle wehrfähigen Männer ruhig in ihren Wohnsitzen verbleiben werden und keinerlei Agitation gegen Österreich-Ungarn geschürt wird. Im Falle irgendwo solche Agitationen oder andere Unruhen ernstlichen Charakters vorkommen sollten, kann das k. u. k. militärische Kommando diesbezüglich eine militärische Überwachung einführen. Die montenegrinische Regierung wird aus eigenem Antriebe von den k. u. k. Truppen bewaffnete Hilfe in jenen Fällen verlangen, in denen sie es für notwendig erachtet. Alle Häfen, Landungsplätze, Eisenbahnen und Befestigungen sind bereits in den Händen der k. u. k. Truppen und können bis zum Friedensschluß gehalten werden. Die montenegrinische Regierung erklärt, daß im Lande keine weiteren Befestigungen existieren, und im Falle solche sein sollten, steht es den k. u. k. Truppen frei, diese zu besetzen.
5. Alle österreichisch-ungarischen und deutschen Kriegsgefangenen werden am 25. Januar des laufenden Jahres freigelassen und sind in Podgorica dem k. u. k. militärischen Kommando zu übergeben. Die montenegrinischen Kriegsgefangenen werden beim Friedensschluß übergeben. Die montenegrinischen Delegierten bitten jedoch, daß ihre Kriegsgefangenen auch schon vor dem Friedensschluß freigelassen werden. Jene Montenegriner, welche sich seit dem Einstellen der Feindseligkeiten, 17. Januar, 8 Uhr 30 Minuten vormittags, den k. u. k. Truppen ergeben haben, gelten nicht als Kriegsgefangene und werden in ihre Heimat ehestens zurückgestellt.
6. Die Verwaltung in Montenegro wird durch die montenegrinischen Behörden ausgeübt. Die österreichisch-ungarischen Kommandanten können deren Mitwirkung jederzeit in Anspruch nehmen.
7. Alle am Skutarisee vorhandenen Schiffahrtsmittel und deren Standorte sind mittels Verzeichnisses dem k. u. k. Kommandanten in Cetinje bekanntzugeben und, soweit die Möglichkeit besteht, von der montenegrinischen Regierung nach Virbazar zu dirigieren. Nichtbenötigte Transportmittel werden von den k. u. k. militärischen Stellen den Besitzern zurückgestellt werden.
8. Die königlich montenegrinische Regierung wird vom 25. Januar an, wenn tunlich täglich, über den Stand der Waffenablieferungen dem k. u. k. militärischen Kommandanten in Cetinje berichten.
9. Die montenegrinischen Delegierten werden zur Kenntnis bringen, wo sich die verantwortliche Regierung Montenegros jeweilig befindet, dermaliger Aufenthaltsort ist Podgorica.
10. Die montenegrinischen Delegierten bitten, die Friedensverhandlungen möglichst bald zu beginnen, da hierdurch auf die Bevölkerung beruhigend eingewirkt werden würde.

Beschlossen und gefertigt von den beiderseitigen bevollmächtigten Delegierten. Cetinje, am 25. Januar 1916.

Die k. u. k. Delegierten: v. Weber, m. p., Feldmarschalleutnant;
Schuppich, m. p., Major des Generalstabes. 
Die montenegrinischen Delegierten: General Becir, m. p., Major Lompar, m. p.
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Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 27. Januar.
An der Kaukasusfront in der Mitte außer Vorpostengefechten nichts von Bedeutung. Nördlich vom Muradfluß dauerten gestern Zusammenstöße zwischen unseren Abteilungen und feindlicher Kavallerie in gleicher Weise an.
An der Irakfront verschanzt sich der Feind in der Gegend von Felahie. Schwacher Artilleriezweikampf mit Unterbrechungen. Bei Kut el Amara keine Veränderungen.
An der Kaukasusfront dauerten im Zentrum die zeitweiligen Artilleriekämpfe und Scharmützel zwischen den Vorposten an.
An der Dardanellenfront feuerte am 25. Januar ein feindlicher Monitor etwa 30 Granaten in der Richtung auf Akbach, ohne eine Wirkung zu erzielen. Unsere Flieger warfen zwei Bomben gegen den Monitor, der das Feuer einstellte und sich entfernte.

  

 

Auch San Giovanni di Medua besetzt

Bern, 27. Januar.
Eine Meldung des "Secolo" aus Rom besagt:
Nachrichten aus Durazzo zufolge sind in Mittelalbanien die ersten serbischen von Skutari geflüchteten Kolonnen aufgetaucht und San Giovanni di Medua von den Österreichern bereits besetzt. Aus Tirana wird ein bei Elbassan erfolgter Zusammenstoß albanischer Truppen unter Essad Pascha mit der bulgarischen von Ochrida vorstoßenden Vorhut gemeldet.
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Deutschfeindliche Kundgebungen in Lausanne

Bern, 27. Januar.
Heute mittag wurden in der Rue Pichard in Lausanne vor dem deutschen Konsulat, das aus Anlaß des Geburtstages des Kaisers die deutsche Flagge gehißt hatte, Demonstrationen veranstaltet. Eine Anzahl von Schülern, Studenten und Arbeitern sammelte sich unter dem Fenster des Konsulats auf der Straße an, wobei sich die Menge durch zufällig des Weges kommende Passanten rasch vergrößerte. Es wurden Rufe laut "Nehmen Sie dieses Banner weg, hissen Sie die Schweizer Flagge!" Trotz der Anstrengungen mehrerer Polizisten, die inzwischen herbeigeeilt waren, gelang es einem Manifestanten, die Fahne herunterzureißen. Die Polizei konnte sich der Fahne bemächtigen, die in das Regierungsgebäude gebracht wurde.
Der Bundesrat hat beschlossen, den Chef des politischen Departement zu beauftragenden deutschen Gesandten aufzusuchen, um ihm das lebhafte Bedauern über diesen Zwischenfall aufsprechen. Zu gleicher Zeit wurde der schweizerische Gesandte in Berlin telegraphisch beauftragt, auf dem Kaiserlichen Auswärtigen Amt vorzusprechen und dem tiefen Bedauern der Schweizer Regierung Ausdruck zu geben. Die Bundesbehörden haben Maßnahmen ergriffen zur Einleitung einer Strafuntersuchung gegen die Schuldigen. Betreffs der Konsulatsfahne wurde verfügt, daß sie von neuem gehißt und mit aller nötigen Sorgfalt beschützt werde.
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Thronrede des Königs von England

London, 27. Januar.
Die Parlamentssession wurde geschlossen. In der Thronrede wird gesagt: 18 Monate lang stehen meine Flotte und Armee zusammen mit den tapferen Verbündeten Englands im Kampfe um die gemeinsame Freiheit und das öffentliche Recht Europas gegen die unmotivierten Angriffe des Feindes. Ich unterstütze die Entschlossenheit meines Volkes daheim und über See, unsere Flagge zum schließlichen entscheidenden Siege zu führen. Ich danke Ihnen für die willige Freigebigkeit, mit der Sie für die schweren Anforderungen des Krieges Vorsorge getroffen haben, in diesem Kampfe, der uns aufgezwungen wurde von jenen, welche die Freiheit und Verträge, die wir heilig halten, leicht nehmen. Wir werden unsere Waffen nicht niederlegen, bis wir der Sache, die die Zukunft und Zivilisation auf ihrer Seite hat, zum Triumph verhelfen haben. Ich verlasse mich voller Vertrauen auf die loyalen vereinigten Anlegungen aller meiner Untertanen, die mich niemals im Stich gelassen haben. Ich bete, daß der allmächtige Gott uns seinen Segen gebe.
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Der 1. Weltkrieg im Januar 1916

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Liller Kriegszeitung" (1916)

 

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