Der Weltkrieg am 21. September 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Armee Eichhorn im fortschreitenden Angriff - Der Übergang über den Molczadz erzwungen

Großes Hauptquartier, 21. September.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Im Abschnitt Souchez-Arras unterhielt die französische Artillerie fast ununterbrochen starkes Feuer; in der Gegend von Neuville kam es zu Handgranatenkämpfen. Das gestern in Trümmer geschossene Schleusenhaus von Sapigneul (am Aisne-Marnekanal nordwestlich von Reims) wurde nachts nach Sprengung der Überreste planmäßig und ohne Berührung mit dem Feinde von uns geräumt.
Westlich von Perthes (in der Champagne) und in den Argonnen wurden mit Erfolg Minen in der feindlichen Stellung gesprengt.
Mehrere Handgranatenangriffe am Hartmannsweilerkopf wurden abgeschlagen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Die Truppen des Generalobersten v. Eichhorn sind nordwestlich und südwestlich von Oschmajana im fortschreitenden Angriff.
Der rechte Flügel der Heeresgruppe erreichte unter Nachhutgefechten die Gegend östlich von Lida bis westlich von Nowo-Grodek.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Der Übergang über den Molczadz bei und südlich Dworzec ist erzwungen. Weiter südlich gelangten unsere Truppen unter Verfolgungskämpfen bis in Linie südöstlich Molczadz -Nowaja-Mysch - westlich Ostrow.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Die Lage ist unverändert.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Bei den deutschen Truppen hat sich nichts ereignet.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Kaiser in Kowno und Nowo-Georgiewsk

Berlin, 21. September.
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns geschrieben:
Seine Majestät der Kaiser begab sich vor einigen Tagen an die Ostfront zu erneuter Besichtigung der Festung Nowo-Georgiewsk und der Festung Kowno.
Im Hafen von Nowo-Georgiewsk lag, über die Toppen geflaggt, unsere Weichselflotte. Unter Glockengeläut und den Klängen der Nationalhymne erfolgte der Einzug in die Stadt, deren Mittelpunkt die im größten Stil angelegte Zitadelle mit ihren für die Unterbringung von 10000 Mann ausreichenden Kasernements bildet. Im Wohngebäude der Kommandantur hatte eine deutsche Granate den Weg in das Arbeitszimmer des ehemaligen Kommandanten gefunden und dort arge Verwüstungen angerichtet.
Nach einer Besichtigung des Parks, der über 1600 erbeutete russische Geschütze enthielt, wurde die Fahrt zu den Forts angetreten, wobei namentlich Fort 2, von deutscher Landwehr gestürmt, eingehend angesehen wurde. Vor der Weiterreise fanden Besprechungen mit dem Generalgouverneur von Warschau, General der Infanterie v. Beseler, und dem Chef der dortigen Zivilverwaltung, Exzellenz v. Kries, statt.
Auf der Fahrt nach Kowno wurden in Nasielsk deutsche Truppen besichtigt, eine große Anzahl tapferer Kämpfer durch die Hand des obersten Kriegsherrn mit der wohlverdienten Auszeichnung des Eisernen Kreuzes geschmückt.
Am Bahnhof Kowno empfingen Seine Majestät der Kaiser Generalfeldmarschall v. Hindenburg und Generaloberst v. Eichhorn, aus deren Munde er den Vortrag über die Kriegsereignisse entgegennahm. Seine Majestät bestieg darauf mit dem Feldmarschall den Kraftwagen zur Fahrt über die von deutschen Pionieren im feindlichen Feuer über den Narew geschlagene schwimmende Kriegsbrücke in die mit Fahnen und Blumen geschmückte Stadt durch das Spalier der in begeisterten Jubel ausbrechenden Truppen und Krankenschwestern. Glockengeläut und Salut aus den eroberten russischen Batterien begleiteten die Fahrt. Auch die Häuser der einheimischen Bevölkerung waren vielfach geschmückt, Kinder streuten Blumen vor dem kaiserlichen Kraftwagen. Nach einer Parade auf dem Marktplatz wurde die römisch-katholische Kirche besucht, vor der unter Glockengeläut und Orgelklängen großer Empfang durch die gesamte katholische Geistlichkeit von Kowno stattfand. Es folgte eine Besichtigung der Festungsanlagen, wo besonders ein Volltreffer im Munitionsmagazin der Anschlußbatterie des Forts 4 die verheerende Wirkung unserer 42 cm-Haubitzen deutlich vor Augen führte; auf Hunderte von Metern waren die Granaten aus dem Munitionsmagazin und große Betonblöcke herumgeschleudert.
Zur Abendtafel waren der Generalfeldmarschall v. Hindenburg, General v. Eichhorn und der deutsche Gouverneur der Festung Kowno geladen.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russische Angriffe bei Luck

Wien, 21. September.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Erneuerte russische Angriffe auf unsere Stellungen im Raume östlich von Luck wurden abgeschlagen. An der Ikwa zersprengte das Kreuzfeuer unserer Batterien einige feindliche Abteilungen, die auf dem Westufer des Flusses Fuß zu fassen versuchten. Sonst verlief der gestrige Tag im Nordosten ruhig. Die Lage ist völlig unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
In Südtirol eröffneten unsere schwersten Geschütze das Feuer gegen die vom Feinde belegten Ortschaften sowie gegen seine Stellungen und Batterien im Raume von Seravalle nördlich von Ala. Vor unserer Grenzstellung auf dem Coston (Hochfläche von Vielgereuth) wurden die Italiener wie immer abgewiesen. Ein feindlicher Doppeldecker warf auf Trient höchst einfältige Flugschriften aus der Feder des Leutnants d´Annunzio ab. An der Kärntner Front hat sich nichts von Bedeutung ereignet. Im Raume von Flitsch ist nun nach dem vollständig gescheiterten italienischen Angriffe der vergangenen Woche wieder Ruhe eingetreten; nur die feindliche Artillerie feuert noch weiter. An den anderen Teilen der küstenländischen Front beschränkte sich die Kampftätigkeit gestern auf Geschützfeuer und kleinere Unternehmungen des Schützengrabenkrieges.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unsere Artillerie störte serbische Befestigungsarbeiten an der unteren Drina.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Mobilmachung Bulgariens

Sofia, 21. September.
(Meldung des Wiener k. u. k. Telegraphen-Korrespondenz-Bureaus.)
(Verspätet eingetroffen.)
In einer Versammlung der der Regierungspartei angehörenden Abgeordneten der Sobranje erklärte Ministerpräsident Radoslawow, angesichts der rasch fortschreitenden Ereignisse könne Bulgarien nicht untätig bleiben und müsse für alle Möglichkeiten gewappnet sein.
Die Mobilmachung werde demnächst folgen, nachdem die Interessen Bulgariens die Annahme einer bewaffneten Neutralität notwendig machten.

Berlin, 21. September.
Die königl. bulgarische Gesandtschaft in Berlin bringt zur Kenntnis aller im Deutschen Reiche sich aufhaltenden bulgarischen Staatsangehörigen, daß die königliche bulgarische Regierung heute, am 8./.21. September, allgemeine Mobilmachung angeordnet hat. Infolgedessen werden sämtliche bulgarische Staatsangehörige, die sich in Deutschland befinden und militärpflichtig sind, aufgefordert, sich unverzüglich nach der Heimat über Wien und Rumänien zu begeben. Um etwaige nähere Auskünfte über die Reisebedingungen können sich die bulgarischen Staatsangehörigen mündlich oder schriftlich an die königliche bulgarische Gesandtschaft in Berlin, Kurfürstendamm 37, wenden.

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 21. September.
An der Dardanellenfront hat unsere Artillerie in der Gegend von Anaforta am 19. September feindliche Truppen zerstreut, die vor unserem rechten Flügel schanzten. Bei Ari Burun zerstörte unsere Artillerie durch Feuer vom linken Flügel einen großen Teil einer Bombenwerferstellung
und feindliche Schützengräben; die feindliche Infanterie, die die Gräben verließ, wurde vernichtet. Bei Sed ül Bahr wurden schanzende feindliche Truppen vor unseren beiden Flügeln durch unser heftiges Feuer gezwungen, die Arbeit einzustellen. Der Feind machte unter einem Aufwand von Millionen von Geschossen einen Feuerüberfall auf unseren linken Flügel, konnte uns aber keinen Verlust beibringen.
Am 19. September zwangen wir ein feindliches Torpedoboot, das sich der Mündung des Kerevisdere näherte und unsere Stellung beschoß, zur Flucht; der Feind erwiderte unser Feuer vom Festlande und von der Insel Mavro her, aber wirkungslos. Ein feindlicher Flieger warf vier Bomben auf ein Lazarettschiff, das vor Degirmen Burun ankerte. Wir haben festgestellt, daß der Feind seine Lazarettschiffe zur Beförderung von Truppen benutzt und Beobachtungsposten auf ihren Masten hat. An der Irakfront machten wir am 18. September abermals einen Überfall auf Korna, weswegen der Feind sich gezwungen sah, seine gelandeten Geschütze wieder einzuschiffen. Ein Teil der ausgeschifften Truppen erlitt bei dieser Gelegenheit starke Verluste. Am 18. September machte unsere Kavallerie, durch freiwillige Reiter verstärkt, einen Streifzug bis hinter das feindliche Lager, führte die Erkundung erfolgreich durch und jagte den Feind bis ins Lager.
Ein Teil der osmanischen Seemacht torpedierte den beladenen englischen Dampfer "Patagonia" und versenkte ihn gerade vor dem Hafen von Odessa.
An der Front von Irak (Gebiet des Euphrat und Tigris) machten wir am 19. und 20. September einen Feuerüberfall auf ein zu beiden Seiten des Flusses gelegenes feindliches Lager und auf Motorboote des Feindes. Offiziere und Mannschaften einer feindlichen Reiterpatrouille wurden getötet und Pferde, Waffen und Munition erbeutet. Ein Motorboot wurde in Grund geschossen.
An der Dardanellenfront bei Anaforta hat sich nichts ereignet. Bei Ari Burun lenkten wir am 19. September unser Feuer auf zwei feindliche Geschütze, die östlich von Ari Burun aufgestellt waren, erzielten Volltreffer und brachten den fliehenden feindlichen Artilleristen schwere Verluste bei. Am gleichen Tage beschossen wir ein feindliches, bei Ari Burun sich aufhaltendes Schiff, auf dem wir einen Brand hervorriefen. Ebenso beschossen wir einen Schlepper, der von Transportschiffen begleitet war, die bei Kabatepe Ladungen löschten. Er wurde getroffen. Beide Schiffe zogen sich nach der Insel Imbros zurück. Im Abschnitt von Sed ül Bahr hat sich nichts verändert. Am 20. September beschossen unsere anatolischen Batterien wirkungsvoll Mortoliman, ferner feindliche Truppen bei Sed ül Bahr und feindliche Artilleristen bei Hissarlik. Der Feind gebraucht für die schweren Geschütze Geschosse, welche betäubende Gase verbreiten. Am 19. September, nachmittags, landeten zwei feindliche Schiffe, die ein Segelschiff begleiteten, 50 Soldaten bei Bozburun südwestlich von Mermeris. In dem darauf entstehenden Gefecht mit den Küstenwachen flüchtete der Feind trotz der Unterstützung durch das Feuer der Schiffe auf die Schiffe. Er verlor 3 Tode, wir ebenfalls. Die feindlichen Soldaten nahmen bei der Flucht Sachen aus den an der Küste gelegenen Häusern mit.

 

"Zeppelin" Erfolge gegen Munitionslagerhäuser

New York, 21. September.
(Durch Funkspruch des Privatkorrespondenten des W. T. B.)
Augenzeugen des "Zeppelin"-Angriffs auf London am 8. September, die mit den Dampfern "Orduna", "Rotterdam" und "Philadelphia" hier eingetroffen sind, schildern eingehend den hierbei angerichteten Sachschaden, dessen Umfang die englische Zensur bisher geheimhalten hat. Die Augenzeugen erklärten, eine "Zeppelin"bombe habe fast einen ganzen Block von Lagerhäusern mit Kriegsmunition zerstört. Der Sachschaden in der im Engros- und Schnittwarenviertel gelegenen Wood-Street betrage allein zehn Millionen Dollar. Die Zahl der Toten wird auf 100 bis 150 geschätzt.

 

Der 1. Weltkrieg im September 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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