Der Weltkrieg am 1. August 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

Cholm
Cholm

 Der deutsche Heeresbericht:

Einnahme von Cholm - Im Juli 221861 Russen gefangen - Erfolgreiche Luftkämpfe im Westen

Großes Hauptquartier, 1. August.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Ein englischer Angriff gegen unsere neue Stellung bei Hooge brach völlig zusammen. Ebensowenig Erfolg hatten nächtliche Vorstöße der Franzosen gegen Souchez. In den Argonnen heftiges Artilleriegefecht. Am späten Abend wurden unsere Stellungen auf dem Reichsackerkopf in den Vogesen angegriffen; der Feind wurde zurückgeschlagen.
Die Tätigkeit in der Luft war auch gestern rege, der englische Flugplatz St. Pol bei Dünkirchen wurde mit 30 Bomben belegt. Ein deutscher Flugplatz bei Douai wurde ergebnislos von einem feindlichen Geschwader angegriffen, einer unserer Kampfflieger schoß hier ein feindliches Flugzeug ab. Ein französischer Flugplatz bei Nancy wurde heute früh mit 103 Bomben beworfen, 18 Treffer sind in den Zelten beobachtet, die zur Abwehr aufgestiegenen feindlichen Flugzeuge konnten den Angriff nicht hindern. Sechs deutsche Flugzeuge griffen über Chateau-Salins fünfzehn französische an; in dreiviertelstündigem Kampf wurden mehrere feindliche Flugzeuge zu Notlandungen gezwungen. Als ein weiteres feindliches Geschwader in das Gefecht eingriff, zogen sich unsere Flieger ohne Verluste zurück. Nördlich von Saargemünd mußte ein französisches Flugzeug landen. Die Insassen sind gefangen.
In den Argonnenkämpfen vom 20. Juni bis 20. Juli nahmen wir 125 Offiziere, 6610 Mann gefangen und erbeuteten 52 Maschinengewehre sowie sehr zahlreiches sonstiges
Material.
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Nördlich des Njemen finden örtliche Kämpfe statt.
Nordöstlich von Rozan machten wir weitere Fortschritte; feindliche Gegenangriffe wurden abgeschlagen.
Im Juli wurden zwischen Ostsee und Pilica 95023 Russen gefangen genommen, 41 Geschütze (darunter zwei schwere), 4 Minenwerfer und 230 Maschinengewehre erbeutet.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unsere nördlich von Iwangorod über die Weichsel vorgegangenen Truppen wiesen feindliche Gegenangriffe ab. Beim Nachstoß eroberten wir die Höhen bei Podzamcze und machten mehr als 1000 Gefangene.
Zwischen oberer Weichsel und Bug stellte sich der Feind gestern erneut. Deutsche Truppen warfen ihn im Laufe des Tages aus seinen Stellungen bei Kurow (östlich von Nowo-Alexandrija), südlich von Lenczna, südwestlich und südlich von Cholm sowie südwestlich von Dubienka. Der Feind hat darauf beiderseits des Bug und auf der Front zwischen Bug und südlich Lenczna den Rückzug fortgesetzt. Cholm ist in der Verfolgung bereits durchschritten.
Auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz fielen im Juli in die Hände der deutschen Truppen:
323 Offiziere. 75719 Mann, 10 Geschütze, 126 Maschinengewehre.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der König von Sachsen an seine Truppen

König Friedrich August III. von Sachsen

König Friedrich August III. von Sachsen

Dresden, 1. Aug. (W. B.)
Der König, der gegenwärtig bei seinen Truppen auf dem westlichen Kriegsschauplatz weilt, hat folgende Kundgebung erlassen:
"Soldaten! Heute vor einem Jahre war es, daß eine ganze Welt von Feinden in frevelhaftem Übermute unser geliebtes deutsches Vaterland zwang, zum Schwert zu greifen. Am 2. August 1914 begann auf Befehl des Kaisers die Mobilmachung der deutschen Armee. In heller Begeisterung eilten die Söhne meines Landes, wie die aller deutschen Gaue zu den Waffen. In den ersten Wochen des Krieges haben meine Truppen im unaufhaltsamen Vormarsch durch Belgien nach Frankreich hinein, zumeist in einem sächsischen Heeresverbande vereinigt, Taten verrichtet, die in der ganzen Geschichte der Armee mit unauslöschlichen Buchstaben verzeichnet sind. Wenn auch meine braven Sachsen dann viele Monate in Frankreich wie in Rußland einem starken Gegner gegenüber im Schützengraben liegen mußten und zum Teil noch liegen, so haben sie doch auch in diesem langen Stellungskrieg, wie vorher, ihre glänzenden Soldatentugenden immer in heldenhaftem Sturmangriff, wie in hartnäckiger Verteidigung gezeigt.
Es ist mir ein wahres Herzensbedürfnis, allen Angehörigen meiner Armee meinen tiefgefühltesten, wärmsten Dank und meine vollste Anerkennung auszusprechen für ihr ausgezeichnetes Verhalten während des langen Krieges. Gott der Allmächtige, der Lenker aller irdischen Dinge, segne auch im zweiten Kriegsjahr uns und unsere Waffen und lasse uns weiter dem Feinde zeigen, daß wir stärker sind als er. Wenn sie in diesem Sinne, furchtlos und tapfer, den schweren Krieg bis zum endlichen Siege durchführen, dann werden in noch viel höherem Maße das Vaterland und ich, ihr König, mit berechtigtem Stolze auf sie blicken. Es gereicht mir zur besonderen Freude, am heutigen Tage in der Mitte meiner Truppen zu weilen und von hier aus diese Worte an sie richten zu können."
2)

 

Großer Kreuzer "Hindenburg"

Berlin, 1. Aug. (W. B.)
Der heute auf der kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven vom Stapel gelaufene große Kreuzer "Ersatz Hertha" erhielt auf Befehl des Kaisers und Königs den Namen "Hindenburg". Die Taufe ist von Frau v. Hindenburg vollzogen worden. Generalfeldmarschall v. Hindenburg richtete anläßlich des Stapellaufes folgendes Telegramm an den Kaiser: "Euere Kaiserliche und Königliche Majestät bitte ich heute, als am Tage des Stapellaufes des großen Kreuzers "Ersatz Hertha" meinen tiefempfundenen ehrerbietigen Dank dafür alleruntertänigst zu Füßen legen zu dürfen, daß ein stolzes Schiff Eurer Majestät Marine meinen Namen tragen soll. Meine innigen Wünsche werden den Kreuzer stets in fester Zuversicht geleiten, daß er überall, wo er auftritt, als ein treuer Diener seines kaiserlichen Herrn über Wohlfahrt, Sicherheit und Ehre des Vaterlandes wachen wird. Feldmarschall v. Hindenburg."
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 1. August, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Zwischen Weichsel und Bug entbrannte gestern erneuert an zahlreichen Punkten heftiger Kampf. Unsere Verbündeten warfen den Feind südwestlich Dubienka, südlich von Cholm und südlich von Lenczna. Nördlich Lublin wiesen unsere Truppen starke Gegenstöße ab und setzten seither ihren Angriff fort. Bei Kurow stürmte eine im Verbande der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand stehende deutsche Division zwei hintereinanderliegende feindliche Linien. Österreich-ungarische Truppen erkämpften sich den Weg bis Nowo-Alexandrija. Während hier am Ostufer der Weichsel und bei Lublin der Gegner noch Widerstand leistet, setzt er weiter östlich im Raume bis zum Bug seit heute früh den Rückzug fort. Deutsche Regimenter haben bei seiner Verfolgung vormittags Cholm durchschritten.
In Ostgalizien ist die Lage unverändert.
Nordöstlich Iwangorod entrissen gestern die auf das östliche Ufer vorgedrungenen deutschen Truppen den Russen einen wichtigen Stützpunkt.
Bei den unter österreichisch-ungarischem Oberbefehl sehenden Streitkräften der Verbündeten wurden im Juli 527 russische Offiziere und 126311 Mann als Gefangene eingebracht, 16 Geschütze und 202 Maschinengewehre erbeutet.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Kleinere Gefechte im Tiroler und Kärntner Grenzgebiete waren auch gestern für uns von günstigem Ausgange. In der Gegend von Castell Tesino wurden zwei feindliche Kompagnien überfallen und erlitten starke Verluste. Angriffe von Bersaglieri gegen unsere Stellungen gegenüber dem Hohen Trieb (Grenzhöhe östlich des Plöcken) gelangten stellenweise bis in die eigenen Linien; der Sturm unserer Reserven warf jedoch den Feind, welcher namentlich durch unser Artilleriefeuer schwere Verluste erhielt, wieder zurück.
An der küstenländischen Front herrschte vom Krngebiet bis einschließlich des Görzer Brückenkopfes - abgesehen von Artilleriefeuer und kleineren feindlichen Angriffsversuchen - im großen Ruhe.
Dagegen unternahm der Feind im Laufe des gestrigen Tages und der heutigen Nacht wiederholte starke Angriffe gegen den nach Westen vorspringenden Teil unserer Stellungen am Rande des Karstplateaus; östlich Polazzo ist der Kampf noch nicht abgeschlossen.
Ein von Selz und drei von Vermigliano angesetzte feindliche Nachtangriffe wurden unter schweren italienischen Verlusten abgeschlagen.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 1. August.
Auf der Dardanellenfront nichts von Bedeutung. Am 31. Juli erbeuteten unsere Erkundungskolonnen, welche bei Sed ul Bahr in die feindlichen Gräben eingedrungen waren, eine Menge Gewehre und Munition.
Einer unserer Flieger warf mit Erfolg vier Bomben über Tenedos, von denen eine ihr Ziel auf dem feindlichen Flugplatz traf. Unser Flieger wurde von zwei feindlichen Fliegern verfolgt, die ein wirkungsloses Maschinengewehrfeuer auf ihn eröffneten.

 

Die Eröffnung der Duma


Rodzianko


Goremykin


Poliwanow

Petersburg, 1. August.
Gestern nachmittag 1 Uhr ist die Duma gemäß dem Ukas des Zaren unter dem Vorsitz Rodziankos in Gegenwart aller Minister und des diplomatischen Korps eröffnet worden.
Ministerpräsident Goremykin sagte u. a.: Die polnische Frage kann offenbar in vollem Umfange erst nach dem Kriege gelöst werden, aber in diesen Tagen ist es wichtig, daß das polnische Volk weiß, daß seine künftige Organisation endgültig und unwiderruflich entschieden worden ist durch den Aufruf des Großfürsten Oberbefehlshabers am Beginn des Krieges. Das polnische Volk, das ritterlich, edel, treu und tapfer ist, verdient unbegrenzte Hochachtung. Heute hat mich der Kaiser beauftragt, Ihnen zu erklären, daß Seine Majestät dem Ministerrat befohlen hat, Gesetzentwürfe auszuarbeiten, die Polen nach dem Kriege das Recht gewähren, frei sein nationales, soziales und wirtschaftliches Leben auf der Grundlage der Autonomie unter dem Zepter des Kaisers von Rußland auszugestalten. Mit den Polen haben die anderen Nationalitäten des großen ungeheuren Rußlands Beweis von ihrer Treue gegen das Vaterland abgelegt. Folglich muß unsere innere Politik durchdrungen sein von dem Grundsatze der Unparteilichkeit und des Wohlwollens gegenüber allen treuen russischen Bürgern ohne Unterschied der Nationalität, des Glaubens und der Sprache. (Beifall.)
Kriegsminister Poliwanow sagte u. a.: In diesem Augenblick hat der Feind gegen uns ungewöhnlich große Streitkräfte zusammengezogen, welche Schritt für Schritt das Gebiet des Militärbezirks von Warschau umkreisen, dessen strategische Grenzlinien immer den schwachen Punkt unserer westlichen Grenze bildeten. Unter diesen Umständen werden wir dem Feinde vielleicht einen Teil dieser Gegend überlassen und uns auf Stellungen zurückziehen, wo unser Heer die Wiederaufnahme seiner Offensive vorbereiten kann. Dies ist das Ende, das das seit 1812 erprobte Vorgehen krönt. Wir werden vielleicht heute Warschau dem Feind überlassen, wie wir seinerzeit Moskau räumten, um den schließlichen Sieg zu sichern. Der Minister schloß mit den Worten: Sie sehen, wie der Feind beschaffen ist, den wir bekämpfen. Er muß unbedingt und um jeden Preis besiegt werden. Sonst gerät Europa unter das teutonische Joch.
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Der 1. Weltkrieg im August 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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