(22.
Juni 1915)
Veröffentlicht
durch Wolffs Telegraphisches Bureau
am 1. Juli 1915.
Aus
der Linie Chatas-Saales vorbrechend, hatten unsere Truppen Mitte September
vorigen Jahres das Vordringen der Franzosen bei Senones, Ménil und Ban
de Sapt zum Stehen gebracht. In dieser Linie verwehrten unsere tapferen
Bayern zusammen mit ihren preußischen und badischen Kameraden seither
dem Feinde jedes Vordringen. Indessen hatte im September unsere Kraft
nicht ausgereicht, auch die beherrschende Höhe von Ban de Sapt den Franzosen
zu entreißen. Seitdem bildete sie den Brennpunkt der Kämpfe auf dieser
Front.
Die Franzosen verstärkten ihre Anlagen oben auf dem Berge immer mehr und
machten aus ihm nach und nach eine regelrechte Festung. Von dort aus hielten
sie das Gelände bis weit hinter unsere Stellungen dauernd unter Infanterie-
und Maschinengewehrfeuer, so daß wir unsere vorderen Linien nur durch
Laufgräben oder bei Nacht erreichen konnten. Wir lagen unten auf dem halben
Hange des Berges, entschlossen, nicht einen Schritt breit zurückzuweichen,
sondern, sobald die Kräfte reichten, die Höhe in unseren Besitz zu bringen.
So entspann sich ein zäher Kampf, der seit Ende des Jahres 1914 ein Stück
der französischen Stellung nach dem anderen in unseren Besitz brachte.
Alle Mittel des Nahkampfes kamen zur Anwendung. Man bekämpfte sich Tag
und Nacht über und unter der Erde. Vielfach lagen die Schützengräben auf
20 Meter und weniger einander gegenüber. Ungewöhnlich starke Drahthindernisse,
bis zu 1½ Meter Höhe, umgaben die Bollwerke der Franzosen, und trennten
so Freund und Feind. Nur durch ein Gewirr von Gräben der nach und nach
vorgetriebenen Infanteriestellungen konnte man unsere vorderen Linien
erreichen. Ihrer Eigenart entsprechend hatten hier die unermüdlichen Bayern
fast jedem Graben und jedem Waldstück Namen nach einem der ihnen liebgewordenen
Führer gegeben. Einen französischen Stützpunkt, in dem eingebaut und wohlverborgen
hinter Sandsäcken französische Scharfschützen auf der Lauer lagen, um
jeden, der sich unvorsichtig zeigte, abzuschießen, hatten sie "Sepp"
getauft. Ihm gegenüber stand der bayerische "Antisepp " mit
seiner das Ziel nicht verfehlenden Büchse auf der Lauer.
Endlich war die Angriffsarbeit so weit gediehen, daß dem Feinde die Höhe
endgültig entrissen werden konnte. Lange und eingehende Vorbereitungen
waren dazu erforderlich gewesen. Der Feind sollte überrascht werden. Unbedingte
Geheimhaltung und genaues Zusammenwirken von Artillerie und Infanterie
waren Vorbedingung für ein glückliches Gelingen des beabsichtigten Planes.
Der Erfolg war glänzend. Am 22. Juni 1915, Punkt 3 Uhr nachmittags, nach
vorher genau gestellten Uhren, wurde die Höhe von Ban de Sapt und das
dahinterliegende Dorf Fontenelle , in dem die französischen Reserven vermutet
wurden, planmäßig unter Feuer genommen. Gleichzeitig erhob die "ultima
ratio regis" vom leichten Feldgeschütz bis zum schweren Mörser ihre
eherne Stimme, um die verderbenbringenden Geschosse in die feindlichen
Stellungen zu schicken. Preußische, bayerische, sächsische und badische
Artillerie arbeiteten Seite an Seite. Ein schauerlich schöner Anblick
bot sich hier dem Beobachter. Bald sah man eine schwarze Rauchsäule haushoch
emporsteigen, bald wirbelten die einschlagenden Geschosse braune Erdwolken,
untermischt mit Balken und Brettern, durch die Luft; zeitweise war der
ganze Berg in Rauch und Staub gehüllt. Kein lebendes Wesen war zu erkennen.
Den Franzosen war der Angriff derart überraschend gekommen, daß es über
eine halbe Stunde dauerte, bis ihre Artillerie das Feuer eröffnete. Wie
später ihre Gefangenen aussagten, ist alles bei Beginn des Feuers in die
Unterstände geflüchtet. Jede Befehlserteilung und Übermittlung hatte aufgehört.
Die Überraschung bei der feindlichen Artillerie war derart, daß sie planlos
im Gelände herumstreute und nach unseren aus allen Richtungen dröhnenden
Feuerschlünden vergeblich tastete. So währte ein heftiger Artilleriekampf
3½ Stunden lang. Punkt 6 Uhr 30 Minuten war der Sturm befohlen. In unaufhaltsamem
Vorwärts stürmten die tapferen bayerischen Reservetruppen, unterstützt
durch preußische Infanterie und Jäger, vor, preußische und bayerische
Pioniere und einzelne auf nächste Entfernung herangezogene Geschütze bahnten
ihnen den Weg, wo es noch nötig war. Sobald der Feind sich von der Wirkung
unseres Artilleriefeuers erholt hatte, leistete er zähen Widerstand mit
Handgranaten, Gewehr und Maschinengewehr. Es half ihm nichts. Die vordersten
Sturmabteilungen überrannten vier Grabenreihen des Feindes hintereinander
und richteten sich in dem eroberten Gelände mit schneller Spatenarbeit
ein, um das mit dem Blute ihrer Kameraden getränkte Gelände zu behaupten.
Die folgenden Linien holten aus den Unterständen heraus, was noch lebendig
war. Die meisten Gefangenen waren betäubt von der Wirkung der Beschießung.
Viele Franzosen lagen unter den Trümmern der zerschmetterten Unterstände
begraben. Um 8 Uhr abends war die beherrschende Höhe von Ban de Sapt fest
in unserem Besitz. Bald darauf nahm der Feind unsere neuen Stellungen
unter lebhaftes Artilleriefeuer, das die ganze Nacht anhielt und sich
gegen Morgen zu größter Heftigkeit steigerte.
Wohl gelang es den Franzosen, die in ein von ihrem überwältigenden Artilleriefeuer
beherrschtes Grabenstück eingedrungenen wackeren Schützen zu überraschen,
aber die beherrschende Höhe selbst blieb trotz aller Versuche des Feindes
ohne Unterbrechung in ihrem vollen Umfange fest in unsrer Hand.
Mit einem neuen Gegenangriff mußte gerechnet werden. Es war nicht anzunehmen,
daß der Feind die monatelang mit schweren Opfern gehaltene Höhe ohne eine
größere Kraftanstrengung uns überlassen würde. Am 23. Juni, gegen 9 Uhr
vormittags, setzte ein außerordentlich heftiges Feuer von zahlreicher
schwerer Artillerie gegen die neugewonnene Stellung ein. Das Heranziehen
von Verstärkungen wurde gemeldet, der beabsichtigte Gegenangriff stand
bevor. Woher er kommen mußte, war klar, die Geschütze standen feuerbereit,
um die feindlichen Linien zu empfangen. Nach 10 Uhr versuchten dichte
Schützenschwärme aus dem Dorfe Fontenelle und dem Walde westlich der Höhe
gegen unsere Stellung vorzubrechen, wurden jedoch bereits im Anlauf derart
mit Artilleriefeuer überschüttet, daß der Angriff blutig zusammenbrach.
Wer nicht tot oder verwundet liegen blieb, flüchtete in den Wald oder
in das Dorf Fontenelle zurück. Die dort sichtbaren Reserven wurden durch
unsere mitten hineinschlagenden Granaten zersprengt. Nach diesem mit großen
Verlusten abgewiesenen Versuch hat der Feind weitere Angriffe unterlassen.
Die in dem französischen amtlichen Bericht angegebene Eroberung von vier
Maschinengewehren ist glatt erfunden. Nicht ein einziges unserer Maschinengewehre
ist verloren gegangen. Dagegen erbeuteten wir 278 Gefangene, 2 Revolverkanonen,
4 Maschinengewehre, 7 Minenwerfer verschiedener Größe und eine große Menge
von Munition und Kriegsmaterial allerart, das die Franzosen während langer
Monate in ihren Stellungen aufgehäuft hatten. Wahrscheinlich liegt noch
vieles andere verschüttet in den französischen Unterständen.
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