Der Weltkrieg am 27. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Neue französische Durchbruchsversuche zurückgeworfen

Großes Hauptquartier, 27. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Ungeachtet ihres gänzlichen Mißerfolges vom 25. Mai erneuerten die Franzosen ihre Durchbruchsversuche zwischen Vermelles und der Lorettohöhe. Sehr starke Kräfte wurden auf dem schmalen Raum von 10 Kilometer zum Sturm angesetzt, die Angreifer aber überall zurückgeworfen. Wir sind im vollen Besitz unserer Stellungen. Eine ungemein große Zahl französischer Gefallener liegt vor den deutschen Gräben. Ein weiterer französischer Angriff richtete sich am späten Abend gegen die Linie Souchez-Neuville. Hier ist dicht südlich Souchez der Kampf noch nicht völlig abgeschlossen. Beim Friedhof von Neuville schanzten Franzosen aufrechtstehend, indem sie zur Deckung in vorhergegangenen Kämpfen gefangene Deutsche verwendeten. Bei einer Erkundung nördlich Dixmuiden nahmen wir einen Offizier und 25 Belgier gefangen. Kleinere feindliche Vorstöße bei Soissons und im Priesterwalde wurden abgewiesen. Ein Luftangriff wurde mit Erfolg auf die Befestigungen von Southend an der unteren Themse gemacht.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage ist unverändert.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Sowohl nordöstlich Przemysl als auch in der Gegend von Stryj schritt der Angriff unserer Truppen rüstig vorwärts. Die Beute und seine sonstigen Ergebnisse sind noch nicht zu übersehen.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die russische Front bei Stryj durchbrochen

Wien, 27. Mai.
Amtlich wird verlautbart:
Nordöstlicher Kriegsschauplatz:
Im Raume um Przemysl dringen die verbündeten Armeen in erbitterten Kämpfen weiter vor. Östlich Radymno eroberten Truppen unseres sechsten Korps den von den Russen hartnäckig verteidigten Ort Nienowice und die Höhe Horodysko im Sturm, machten neuerdings über 2000 Gefangene und erbeuteten 6 Geschütze. Südöstlich Przemysl gelang es den verbündeten Truppen, in der Gegend bei Hussakow in die feindliche Hauptverteidigungsstellung einzudringen, die Russen zurückzuwerfen, 2800 Mann wurden gefangen, 11 Maschinengewehre erobert. Die Kämpfe dauern fort. Gleichzeitig haben gestern unsere und deutsche Truppen der Armee Linsingen südöstlich Drohobycz und bei Stryj nach schweren Kämpfen die befestigte feindliche Frontlinie durchbrochen und die Russen zum Rückzug gezwungen. Der Angriff wird auch hier fortgesetzt An der Pruthlinie und in Russisch-Polen ist die Situation unverändert. 
Südwestlicher Kriegsschauplatz:
In Tirol begann der Feind an einzelnen Punkten südlich Trient unsere Grenzwerke mit schwerer Artillerie zu beschießen. Bei Caprile im Cordevoletal wurden zwei italienische Kompagnien durch unser Maschinengewehrfeuer vernichtet. An der kärntnerischen Grenze nur erfolgloses feindliches Artilleriefeuer. Im Küstenlande haben die Italiener an mehreren Stellen die Grenze überschritten. Feindliche Abteilungen, die bis an unsere Stellungen vorgedrungen sind, wurden zurückgeworfen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Der türkische Heeresbericht:

Abgeschlagener französischer Landungsversuch bei Bodrum

Konstantinopel, 27. Mai.
Das türkische Große Hauptquartier gibt bekannt: 
An der Dardanellenfront bei Ari Burun und Sed-ül-Bahr schwaches Geschütz- und Gewehrfeuer auf beiden Seiten. Ein Panzer, der unsere rumelischen Stellungen von der Bucht von Morto her beschoß, zog sich unter dem Feuer unserer anatolischen Batterien zurück. 
Heute schickte der Kreuzer "Jules Michelst" nach dem Hafen Bodrum ein mit Soldaten besetztes Schiff mit Geschütz ab, um eine Landung zu versuchen. Er beschoß gleichzeitig die Stadt. Durch unser Feuer wurden 1 feindlicher Offizier und 16 Mann getötet und 5 verwundet. In dem von uns genommenen Schiff, das auf Land gezogen wurde, erbeuteten wir ein Geschütz und acht Gewehre sowie eine Kiste mit Munition. Auf unserer Seite wurden 3 Soldaten und 2 Bewohner verletzt. 
Auf den anderen Kriegsschauplätzen hat sich nichts Wichtiges ereignet.
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H. M. S. "Triumph"
H. M. S. "Triumph"

Die Torpedierung des "Triumph"

Konstantinopel, 27. Mai.
Das Hauptquartier teilt über die Torpedierung des "Triumph" folgendes mit:
Am 25. Mai um ½1 Uhr nachmittags fuhr das englische Panzerschiff "Triumph", nachdem es seine Torpedofangnetze aufgespannt hatte, in langsamer Fahrt vor Ari Burun vorüber. Es war klar, daß der "Triumph" beabsichtigte, die Stellung unserer Truppen, die dort mit dem Ende des vergangenen Monats gegen die Engländer kämpfen, zu bombardieren. Zwei Torpedobootszerstörer begleiteten das Panzerschiff. Ein zweites Panzerschiff vom Typ "Vengeance" hielt sich etwas weiter entfernt. Mehrere Torpedobootszerstörer und Avisos kreuzten auf dem offenen Meere, um die Panzerschiffe gegen Angriffe von Unterseebooten zu schützen. Trotz dieser scharfen Schutzmaßnahmen gelang es einem zur Marine des mit uns verbündeten Deutschland gehörenden Unterseeboot, ohne von irgendeiner Seite entdeckt zu werden, den "Triumph" anzugreifen. Der Torpedo, den es abschoß, drang durch die Fangnetze hindurch und explodierte im Mittelteil des Schiffes; nachdem es torpediert war, neigte sich das Panzerschiff sogleich auf die Seite, bis sein Verdeck ins Wasser tauchte. Neun Minuten später kenterte es. Nachdem es noch zwanzig Minuten lang kieloben geschwommen war, verschwand es völlig. Ein Teil der Besatzung war auf das Verdeck gestürzt und von den Torpedobootszerstörern und anderen an Ort und Stelle herbeigeeilten Schiffen gerettet worden. Während es sehr leicht gewesen wäre, durch Schrapnellfeuer die im Wasser schwimmenden feindlichen Matrosen zu töten und die Rettungsboote zu zerstören, hinderten unsere Artilleristen, ihrem edlen Gefühl der Menschlichkeit folgend, die Rettungsarbeiten nicht. Das Unterseeboot wurde lange von englischen Torpedobootzerstörern verfolgt, entkam aber unbeschädigt. Der "Triumph" war ein Panzerschiff von 12000 Tonnen mit einer Besatzung von 800 Mann. Anscheinend wurde der größte Teil der Besatzung durch die Wirkung der Explosion getötet. Zu Beginn des Krieges nahm dieses Panzerschiff unter dem Kommando eines japanischen Admirals an der Beschießung von Tsingtau teil. Es wurde damals von den deutschen Batterien ernstlich beschädigt. Am 2. April feuerte unser Panzerschiff "Torgud Reiß" eine Granate gegen das Schiff ab, die ein Volltreffer war. Das Erscheinen deutscher Unterseeboote hat unter den übrigen feindlichen Kriegsschiffen vor den Dardanellen große Unruhe hervorgerufen. Der Vertreter von Wolffs Telegraphischem Bureau erfährt folgende Einzelheiten: Die Torpedierung des Schiffes, das tagelang in den Gewässern von Ari Burun gekreuzt und die türkischen Stellungen beschossen hatte, erfolgte am 25. Mai um ½1 Uhr nachmittags vor Ari Burun. Eine furchtbare Explosion legte den "Triumph" innerhalb einer Minute auf die Seite, und in weiteren sieben Minuten lag das Schiff mit dem Kiel nach vorn, worauf es so rasch sank, daß nach genauen Beobachtungen nur ein kleiner Teil der Besatzung gerettet werden konnte. Die durch die Torpedierung des "Goliath" geschaffene Nervosität unter der Flotte der Alliierten hat infolge des Unterganges des "Triumph" sichtlich zugenommen. Die feindlichen Schilfe meiden den Aufenthalt in den Meerengen, die "Queen Elizabeth" hält sich meist versteckt. Die Schiffe werden von einem Ring von Torpedobooten umgeben. 1)

 

H. M. S. "Majestic"
H. M. S. "Majestic"

Wieder ein englisches Linienschiff torpediert

Konstantinopel, 27. Mai.
Die "Agence Milli" meldet:
Das englische Linienschiff "Majestic" ist heute früh vor Sed-ül-Bahr in den Grund gebohrt worden. 1)

 

Die furchtbaren englischen Verluste bei Krithia

London, 27. Mai.
Das Reutersche Bureau meldet von den Dardanellen über Tenedos vom 23. Mai: Der Angriff auf Krithia wurde fast bis an den Rand des Dorfes durchgedrückt. Wie Soldaten sagen, sind einige Truppeneinheiten tatsächlich eingedrungen, aber es war unmöglich, das Gelände zu behaupten. Die Verluste sind so schwer, wie in den härtesten Kämpfen dieses Krieges. Als die Offiziere begannen, die erschöpften Mannschaften wieder zu sammeln, befanden sie sich etwa 1000 Yards von Krithia entfernt, hier kam das Vorrücken zum Stehen. Eine beklagenswerte Erscheinung in den Verlustlisten ist der hohe Prozentsatz an gefallenen und verwundeten Offizieren. Die Türken legen ein besonderes Geschick an den Tag, die Offiziere wegzuschießen. Nach jedem Vorrücken sind Tage vergangen, bis das besetzte Gelände von einzelnen Scharfschützen gesäubert werden konnte. Sie verstecken sich mit einer Wochenration von 1000 Patronen in Erdhöhlen und richten viel Schaden an. Einige haben Hände und Gesicht grün gefärbt und ihre Uniformen mit Blättern behängt, um sich der Farbe der Umgebung anzupassen. 1)

 

Italien verhängt die Blockade über die österreichisch-ungarische und albanische Küste

Rom, 27. Mai.
Die "Agencia Stefani" meldet:
Da die italienische Regierung der Ansicht ist, daß einige Häfen der albanischen Küste Österreich-Ungarn zur heimlichen Verproviantierung seiner kleinen Schiffseinheiten dienen, erklärte sie am 26. Mai den Blockadezustand über:
1. die österreichisch-ungarische Küste von der Grenze im Norden bis zur montenegrinischen Grenze im Süden, einschließlich aller Inseln, Häfen und Buchten,
2. die albanische Küste von der montenegrinischen Küste im Norden bis zum Kap Kephali einschließlich im Süden. Die Erklärung bezeichnet die geographischen Blockadegrenzen in ihrer Länge und Breite und fügt hinzu, daß die Schiffe befreundeter und neutraler Mächte eine vom Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte festgesetzte Frist haben, um frei aus der Blockadezone zu fahren. Gegen Schiffe, welche die Sperrlinie Kap Otranto - Kap Kephali zu durchfahren versuchen oder durchfahren, wird gemäß den Regeln des internationalen Rechtes und der bestehenden Verträge verfahren werden.
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Abreise des Königs von Italien zum Heere

König Viktor Emanuel III. von Italien
Viktor Emanuel III.

Rom, 27. Mai.
Der König, der den Oberbefehl über das Landheer und die Marine übernommen hat, ist in der Nacht vom 25. zum 26. nach dem großen Hauptquartier abgereist. Das Amtsblatt veröffentlicht einen königlichen Erlaß, der den Prinzen Thomas von Savoyen, Herzog von Genua, einen Onkel des Königs, zum Generalstellvertreter während der Abwesenheit des Königs von der Hauptstadt ernennt. Der König hat folgenden Tagesbefehl erlassen: Soldaten zu Lande und zur See! Die feierliche Stunde der Verwirklichung der nationalen Ansprüche hat geschlagen. Nach dem Vorbilde meines großen Vorfahren übernehme ich heute den Oberbefehl über die Land- und Seestreitkräfte im sicheren Vertrauen auf den Sieg, den eure Tüchtigkeit, eure Opferfreude und eure Disziplin zu erlangen wissen werden. Der Feind, den zu bekämpfen ihr euch anschickt, ist kriegserprobt und eurer würdig. Begünstigt vom Boden und durch kluge Kunstvorrichtungen wird er euch zähen Widerstand entgegensetzen, aber euer unbezwungener Vorwärtsdrang wird ihn sicherlich zu überwinden vermögen. Soldaten! Euer wird der Ruhm sein, Italiens Trikolore an den heiligen Grenzen aufzupflanzen, die die Natur unserem Vaterlande gesetzt hat. Euer der Ruhm, endlich das Werk zu vollenden, welches unsere Väter mit so viel Heldentum begannen. Großes Hauptquartier, 24. Mai 1915. Viktor Emanuel. 1)

 

Torpedierte Dampfer

London, 27. Mai.
"Lloyds" meldet aus Milfordhaven:
Der Dampfer "Norwenne" aus Shields ist 160 Meilen südwestlich von Stannshead torpediert worden. Von der Besatzung sind 1 Mann getötet, 3 verwundet worden. Die Besatzung wurde von einem Fischdampfer in Milfordhaven gelandet. - Der dänische Dampfer "Betty" ist gestern in der Nordsee torpediert worden. Die Besatzung ist nach Shields gebracht worden. - "Lloyds" meldet aus Browhead: Der amerikanische Dampfer "Nebraska" von Liverpool nach Delaware Breakwater unterwegs, wurde 40 Meilen von Fastnet torpediert. Die Besatzung ging in die Boote und blieb in der Nahe des Schiffes. Das Wetter ist schön und windstill.
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Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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