Der Weltkrieg am 18. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Übergang über den San erkämpft

Großes Hauptquartier, 18. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich von Ypern am Kanal bei Steenstraate und Het Sas herrschte gestern Ruhe. Auf dem östlichen Kanalufer südöstlich Boesinghe entwickelten sich an einzelnen Stellen Kämpfe, die noch fortdauern.
Südlich von Neuve Chapelle versuchten die Engländer gestern und heute nacht vergeblich weiteren Boden zu gewinnen. Alle Angriffe wurden unter starken Verlusten für den Feind abgewiesen.
Erneute französische Angriffe an der Lorettohöhe, bei Ablain und westlich Souchez scheiterten, 170 Gefangene blieben in unserer Hand.
Bei Ailly kam der Infanteriekampf zum Stillstand, ein französischer Vorstoß im Priesterwalde brach in unserem flankierenden Feuer zusammen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
An der Dubissa wurden in Gegend Eiragola wiederum starke feindliche Angriffe abgewiesen. Gegen die südlich des Njemen herangeführten russischen Kräfte gingen unsere Truppen in allgemeiner Richtung Gryszkabuda, Syntowty, Szaki zum Angriff vor. Die Kämpfe dauern noch an.
Gestern wurden 1700 Russen gefangen. Nördlich der Wysoka warf unsere Kavallerie die feindliche. Russische Angriffe auf Mariampol scheiterten.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich Przemysl, von südlich Jaroslau bis zur Einmündung des Wislok in den San, haben sich deutsche und österreichisch-ungarische Truppen den Übergang über den San erkämpft. Der Gegner geht hier weiter nach Osten und Nordosten zurück. Zwischen Pilica und oberer Weichsel (bei Ilza und Lagow), südöstlich Przemysl, sowie in der Gegend von Stryj sind seit gestern größere Kämpfe im Gange.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Kaiser bei den Kämpfen am San

Berlin, 18. Mai. (Amtlich.) 
Seine Majestät der Kaiser wohnte am 16. d. M. den Kämpfen bei Überschreiten des Sanabschnittes auf den Gefechtsständen eines Generalkommandos und später einer Division bei.
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

174000 Russen in Galizien seit Anfang Mai gefangen

Wien, 18. Mai. 
Amtlich wird verlautbart: 
Die verbündeten Truppen hatten nach erbitterten Kämpfen an mehreren Stellen den San forciert und am Ostufer des Flusses Fuß gefaßt. Gegenangriffe der Russen wurden überall blutig abgewiesen, der Feind in östlicher Richtung zurückgeworfen.
Am oberen Dnjestr sind heftige Kämpfe im Gange. An der Pruthlinie keine besonderen Ereignisse. Vereinzelte Vorstöße der Russen nördlich Kolomea wurden abgewiesen.
Die Gesamtsumme der in der ersten Hälfte des Mai eingebrachten Gefangenen hat sich auf 174000 Mann erhöht. Hierzu kommen 128 erbeutete Geschütze und 368 Maschinengewehre.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der Reichskanzler über das österreichisch-ungarische Angebot an Italien

Der 1. Weltkrieg: Reichskanzler v. Bethmann Hollweg

Reichskanzler v. Bethmann Hollweg

Berlin, 18. Mai 1915.
Der Reichstag ist heute wieder zu einer kurzen Sitzung zusammengetreten. Nach einer Begrüßungsansprache des Präsidenten Dr. Kämpf hielt der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg folgende Rede:

Meine Herren!
Ihnen ist bekannt, daß sich die Beziehungen zwischen Italien und Österreich-Ungarn in den letzten Monaten stark zugespitzt haben. Aus der gestrigen Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Grafen Tisza werden Sie entnommen haben, daß das Wiener Kabinett, in dem aufrichtigen Bestreben, die ständige Freundschaft zwischen der Doppelmonarchie und Italien zu sichern und den dauernden großen Lebensinteressen beider Reiche Rechnung zu tragen, sich zu weitgehenden Konzessionen, auch territorialer Natur, an Italien entschlossen hat. Ich halte es für zweckmäßig, Ihnen diese Konzessionen zu bezeichnen:
1. Der Teil von Tirol, der von Italienern bewohnt ist, wird an Italien abgetreten.
2. ebenso das westliche Ufer des Isonzo, soweit die Bevölkerung rein italienisch ist, und die Stadt Gradisca.
3. Triest soll zur kaiserlichen freien Stadt gemacht werden, eine den italienischen Charakter der Stadt sichernde Stadtverwaltung und eine italienische Universität erhalten,
4. die italienische Souveränität über Valona und die dazu gehörige Interessensphäre soll anerkannt werden;
5. Österreich-Ungarn erklärt seine politische Uninteressiertheit hinsichtlich Albaniens,
6. die nationalen Interessen der italienischen Staatsangehörigen in Österreich-Ungarn werden besonders berücksichtigt;
7. Österreich-Ungarn erläßt eine Amnestie für militärische oder politische Verbrechen die aus den abgetretenen Gebieten stammen;
8. wohlwollende Berücksichtigung von weiteren Wünschen Italiens über die Gesamtheit der das Abkommen bildenden Fragen wird zugesagt,
9. Österreich-Ungarn wird nach dem Abschluß des Vertrages eine feierliche Erklärung über die Abtretungen geben,
10. gemischte Kommissionen zur Regelung der Einzelheiten der Abtretung werden eingesetzt;
11. nach Abschluß des Abkommens sollen die Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee, die aus den besetzten Gebieten stammen, nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen. (Hört, hört!)
Ich kann hinzusagen, daß Deutschland, um die Verständigung zwischen seinen beiden Bundesgenossen zu fördern und zu festigen, dem römischen Kabinett gegenüber im Einverständnis mit dem Wien die volle Garantie für die loyale Ausführung dieser Anerbietungen ausdrücklich übernommen hat. Österreich-Ungarn und Deutschland haben hiermit einen Entschluß gefaßt, der, wenn er zum Ziele führt, nach meiner festen Überzeugung auf die Dauer von der überwältigenden Mehrheit der drei Nationen gutgeheißen werden wird. Mit seinem Parlament steht das italienische Volk vor der freien Entschließung, ob es die Erfüllung alter nationaler Hoffnungen in weitestem Umfange auf friedlichem Wege erreichen oder ob es das Land in den Krieg stürzen und gegen seine Bundesgenossen von gestern und heute morgen das Schwert ziehen will. Ich mag die Hoffnung nicht ganz aufgeben, daß die Wagschale des Friedens schwerer sein wird als die des Krieges. Wie aber Italiens Entschließung auch ausfallen möge: In Gemeinschaft mit Österreich-Ungarn haben wir alles im Bereiche der Möglichkeit Liegende getan, um ein Bundesverhältnis zu stützen, das im deutschen Volke feste Wurzel gefaßt hatte und das den drei Reichen Nutzen und Gutes gebracht hat. Wird der Bund von einem der Partner zerrissen, so werden wir in Gemeinschaft mit dem anderen auch neuen Gefahren unerschrockenen und zuversichtlichen Mutes zu begegnen wissen. (Lebhafter stürmischer Beifall und allgemeines Händeklatschen.) 

Der Reichskanzler verneigt sich mehrmals. Wiederholter stürmischer Beifall und Händeklatschen.)

 

Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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