Der österreichisch-ungarische
Heeresbericht:
Die
russische Nidafront und Karpathenfront erobert
Wien,
13. Mai.
Amtlich wird verlautbart:
Die in den November- und Dezemberschlachten von Lodz und Limanowa
erfochtenen Siege der verbündeten deutschen und österreichisch-ungarischen
Truppen zwangen die damals russische Front in Polen und Westgalizien in einer
Ausdehnung von nahezu 400 Kilometern zum Rückzug. Damals zerschellte der vom
Feinde geplante Vormarsch nach Deutschland an der erprobten Schlagkraft der treu
verbündeten Truppen.
Vom Januar 1915 bis Mitte April haben die Russen ihre Übermacht vergeblich
aufgeboten, um über die Karpathen nach Ungarn einzubrechen. Unter ungeheuren
Verlusten ist dieser Plan an dem Heldenmut und der Beharrlichkeit unserer
Truppen in monatelangen erbitterten Kämpfen vollkommen gescheitert. Damit war
der Zeitpunkt gekommen, mit den machtvoll vereinten Truppen beider Reiche den
Feind im gemeinsamen Angriff niederzuringen.
Der Sieg von Tarnow und Gorlice hat nicht nur Westgalizien vom Feinde befreit,
sondern auch die ganze russische Nidafront und Karpathenfront zum Weichen
gebracht. In Ausnutzung des ersten Erfolges haben die siegreichen Truppen in
zehntägigen Kämpfen die russische dritte und achte Armee bis zur Vernichtung
geschlagen, den Raum vom Dunajec und den Beskiden bis an den San durcheilt,
dadurch 130 Kilometer heimatlichen Bodens erkämpft. Reiche Beute fiel in die Hände
der Sieger. Vom 2. bis 12. Mai nachmittags beträgt die Gesamtsumme der von
allen Armeen eingebrachten Gefangenen 143500 Mann, ferner etwa 100 Geschütze
und 350 Maschinengewehre.
Hinzu kommen noch alle jene, die, durch die Ereignisse überrascht, den Anschluß
an die zurückgehenden Truppen versäumten und in den Wäldern der Karpathen
vereinzelt umherirren. So hat sich der Stab der russischen 48.
Infanteriedivision mit General der Infanterie Korniloff gestern im Rücken
unserer Armee bei Odrzechowa unseren Truppen ergeben. Das Maß der Zerrüttung
beim Rückfluten des Feindes kennzeichnet sich dadurch, daß unser neuntes Korps
in den letzten drei Tagen durcheinander gewürfelte Mannschaften von 51
russischen Regimentern gefangennahm. Die seit Monaten vom Feinde aufgestapelten
Ausrüstungen, Vorräte aller Art, Munition und sonstiges Kriegsmaterial blieben
beim raschen Vordringen der Verfolger in den russischen Etappenstationen zurück
und werden erst jetzt gesammelt werden können.
Nördlich der Weichsel dringen österreichisch-ungarische Truppen über Stopnica
vor. Deutsche Truppen haben die Gouvernementshauptstadt Kielce erobert.
Östlich des Uzsoker Passes erstürmten deutsche und Honvedtruppen gestern
mehrere Höhenstellungen der Russen, drangen bis südlich Turka vor und machten
4000 Mann zu Gefangenen. Der Angriff wird hier und in der Richtung auf Skole
fortgesetzt.
In Südostgalizien greifen starke feindliche Truppen über Horodenka an.
Schließlich sei erwähnt, daß die russischen Communiqués der letzten Tage,
sichtlich bemüht, unsere und die deutschen Erfolge abzuschwächen, alles
verneinen und als absichtlich falsch wiedergegeben bezeichnen. Dies ist ein
schlagender Beweis für die Größe der russischen Niederlage, denn sie verwirrt
nun nicht allein die Aktionen der Truppen am Schlachtfelde, sondern auch die
offizielle Berichterstattung der obersten russischen Heeresleitung.
Der Stellvertreter des
Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)
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