Die
Durchbruchsschlacht in Westgalizien
Berlin,
6. Mai.
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns über die Durchbruchsschlacht
in Westgalizien folgendes geschrieben:
Völlig überraschend für den Feind hatten sich Ende April größere
deutsche Truppentransporte nach Westgalizien vollzogen. Diese
Truppen, den Befehlen des Generals v. Mackensen unterstellt, hatten
die russische Front zwischen dem Kapathenkamm und dem mittleren
Dunajec im Verein mit den benachbarten Armeen unseres österreichischen
Verbündeten zu durchbrechen. Das Problem war ein neues, die Aufgabe
keine leichte. Der Himmel bescherte unseren Truppen wundervollen
Sonnenschein und trockene Wege. So konnten Flieger und Artillerie zu
voller Tätigkeit gelangen und die Schwierigkeiten des Geländes,
das hier den Charakter der Vorberge der deutschen Alpen oder des Hörselberges
in Thüringen trägt, überwunden werden. Unter den größten Mühsalen
mußten an verschiedenen Stellen Munition auf Tragtieren
herangeschafft und Kolonnen und Batterien über Knüppeldämme vorwärts
gebracht werden. Alle für den Durchbruch nötigen Erkundungen und
Vorbereitungen vollzogen sich reibungslos in aller Stille. Am 1. Mai
nachmittags begann die Artillerie sich gegen die russischen
Stellungen einzuschießen. Diese waren seit fünf Monaten mit allen
Regeln der Kunst ausgebaut. Stockwerkartig lagen sie auf den steilen
Bergkuppen, deren Hänge mit Hindernissen wohl versehen waren, übereinander.
An einzelnen für die Russen besonders wichtigen Geländepunkten
bestanden bis zu sieben Schützengrabenreihen hintereinander. Die
Anlagen waren sehr geschickt angelegt und vermochten sich
gegenseitig zu flankieren. Die Infanterie der verbündeten Truppen
hatte sich in den Nächten, die dem Sturm vorangingen, näher an den
Feind herangeschoben und die Sturmstellungen ausgebaut. In der Nacht
vom 1. zum 2. Mai feuerte die Artillerie in langsamem Tempo gegen
die feindlichen Anlagen. Eingelegte Feuerpausen dienten den
Pionieren zum Zerschneiden der Drahthindernisse. Am 2. Mai um 6 Uhr
morgens setzte auf der ausgedehnten, viele Kilometer langen
Durchbruchsfront ein überwältigendes Artilleriefeuer von
Feldkanonen bis hinauf zu den schwersten Kalibern ein, das vier
Stunden lang ununterbrochen fortgesetzt wurde. Um 10 Uhr morgens
schwiegen plötzlich die Hunderte von Feuerschlünden, und im
gleichen Augenblick stürzten sich die Schwarmlinien und
Sturmkolonnen der Angreifer auf die feindlichen Stellungen. Der
Feind war durch das schwere Artilleriefeuer derart erschüttert, daß
an manchen Stellen sein Widerstand nur ein sehr geringer war. In
kopfloser Flucht verließ er, als die Infanterie der Verbündeten
dicht vor seine Gräben gelangte, seine Befestigungen, Gewehre und
Kochgeschirre fortwerfend und ungeheure Mengen Infanteriemunition
und zahlreiche Tote in seinen Gräben zurücklassend. An einer
Stelle durchschnitt er selbst die Drahthindernisse, um sich den
Deutschen zu ergeben. Vielfach leistete er in seinen nahegelegenen
zweiten und dritten Stellungen keinen nennenswerten Widerstand mehr,
dagegen wehrte sich der Feind an anderen Stellen der
Durchbruchsfront verzweifelt. Mit den österreichischen Truppen
griffen bayerische Regimenter den 250 Meter über ihren
Sturmstellungen gelegenen Zameczyko-Berg, eine wahre Festung, an.
Ein bayerisches Infanterieregiment errang sich dabei
unvergleichliche Lorbeeren. Links der Bayern stürmten schlesische
Regimenter die Höhen von Selowa und Sokol. Junge Regimenter
entrissen dem Feinde die hartnäckig verteidigte Friedhofshöhe von
Gorlice und den zäh gehaltenen Eisenbahndamm von Komienitza. Von
den österreichischen Truppen hatten galizische Bataillone die
steilen Höhenstellungen des Pustki-Berges angegriffen und erstürmt,
ungarische Truppen in heißem Kampfe die Wiatrowkahöhen genommen.
Preußische Garde-Regimenter warfen den Feind aus seinen Höhenstellungen
östlich Biala und stürmten bei Staszkowka sieben hintereinander
gelegene, erbittert verteidigte russische Linien. Entweder von den
Russen angesteckt, oder von einer Granate getroffen, entzündete
sich eine hinter Gorlice gelegene Naphthaquelle. Haushoch schlugen
die Flammen aus der Tiefe, Rauchsäulen von mehreren hundert Meter
stiegen gegen den Himmel.
Am Abend des 2. Mai, als die heiße Frühlingssonne allmählich der
Kühle der Nacht zu weichen begann, war die erste Hauptstellung
ihrer ganzen Linie und Tiefe nach in einer Ausdehnung von etwa 16
Kilometern durchbrochen und ein Geländegewinn von durchschnittlich
vier Kilometern erzielt. Mindestens 20000 Gefangene, mehrere Dutzend
Geschütze und 50 Maschinengewehre blieben in der Hand der verbündeten
Truppen, die im Kampfe um die Siegespalme gewetteifert hatten. Außerdem
wurde eine noch unübersehbare Menge von Kriegsmaterial erbeutet,
darunter große Massen von Gewehren und Munition. 1)
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