Der Weltkrieg am 6. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

Ostfront Erster Weltkrieg: Deutsche Truppen auf der Dukla-Paß-Straße im Vormarsch gegen den San
Deutsche Truppen auf der Dukla-Paß-Straße im Vormarsch gegen den San

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Übergang über die Wisloka erzwungen

Großes Hauptquartier, 6. Mai. 
Westlicher Kriegsschauplatz:
Auf der ganzen Front fanden heftige Artilleriekämpfe statt. 
Bei Ypern wurden weitere Fortschritte, so durch Einnahme der Ferm Vauheule, und an der Bahn Messine-Ypern gemacht. Es wurden einige Hundert Gefangene und 15 Maschinengewehre erbeutet. 
Im Waldgelände westlich Combres fielen bei einem Vorstoß 4 französische Offiziere, 135 Mann, 4 Maschinengewehre und 1 Minenwerfer in unsere Hand. 
Unser gestriger Angriff im Aillywalde führte zu diesem erstrebten Erfolge. Der Feind wurde aus seiner Stellung geworfen. Mehr als 2000 Franzosen, darunter 21 Offiziere, 2 Geschütze sowie mehrere Maschinengewehre und Minenwerfer blieben unsere Beute. Auch die blutigen französischen Verluste waren sehr schwer. 
Nördlich Flirey bei Croix des Carmes griff der Feind an. Nördlich des genannten Ortes drang er an einer Stelle bis in unseren Graben. Um ein kleines Stück wird noch gekämpft; an anderer Stelle wurden die Franzosen zurückgeworfen. 
In den Vogesen wurde ein Vorstoß gegen unsere Stellung nördlich Steinabrück abgewiesen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Südwestlich Mitau, südlich Szadow und östlich Rossieny dauern die Kämpfe noch an. Nördlich und südwestlich Kalwarja sind unsere Stellungen im Laufe des gestrigen Tages mehrfach von starken russischen Kräften angegriffen worden; sämtliche Angriffe scheiterten unter sehr großen Verlusten des Feindes. Ebensowenig Erfolg hatten feindliche Vorstöße gegen unsere Brückenköpfe an der Pilica. 
Die Festung Grodno wurde heute Nacht mit Bomben belegt.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
In Westgalizien versuchten die Nachhuten des flüchtenden Feindes den unter Befehl des Generalobersten v. Mackensen stehenden verbündeten Truppen gestern verzweifelten Widerstand zu leisten, der aber auf der Höhe des linken Wisloka-Ufers ober- und unterhalb der Ropa-Mündung mit wuchtigen Schlägen gebrochen wurde. Noch abends war nicht nur an mehreren Stellen der Übergang über die Wisloka erzwungen, sondern auch feste Hand auf die Dukla-Paß-Straße durch Besetzung des Ortes gleichen Namens gelegt. In Gegend östlich von Tarnow und nördlich bis zur Weichsel wurde auf dem rechten Ufer des Dunajec bis in die Nacht hinein gefochten. Die Zahl der gemachten Gefangenen ist auf über 40000 gestiegen, wobei zu beachten ist, daß es sich um reine Frontalkämpfe handelt.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der 1. Weltkrieg: Eine erstürmte russische Stellung bei Gorlice
Eine erstürmte russische Stellung bei Gorlice

Die Durchbruchsschlacht in Westgalizien

Berlin, 6. Mai.
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns über die Durchbruchsschlacht in Westgalizien folgendes geschrieben:
Völlig überraschend für den Feind hatten sich Ende April größere deutsche Truppentransporte nach Westgalizien vollzogen. Diese Truppen, den Befehlen des Generals v. Mackensen unterstellt, hatten die russische Front zwischen dem Kapathenkamm und dem mittleren Dunajec im Verein mit den benachbarten Armeen unseres österreichischen Verbündeten zu durchbrechen. Das Problem war ein neues, die Aufgabe keine leichte. Der Himmel bescherte unseren Truppen wundervollen Sonnenschein und trockene Wege. So konnten Flieger und Artillerie zu voller Tätigkeit gelangen und die Schwierigkeiten des Geländes, das hier den Charakter der Vorberge der deutschen Alpen oder des Hörselberges in Thüringen trägt, überwunden werden. Unter den größten Mühsalen mußten an verschiedenen Stellen Munition auf Tragtieren herangeschafft und Kolonnen und Batterien über Knüppeldämme vorwärts gebracht werden. Alle für den Durchbruch nötigen Erkundungen und Vorbereitungen vollzogen sich reibungslos in aller Stille. Am 1. Mai nachmittags begann die Artillerie sich gegen die russischen Stellungen einzuschießen. Diese waren seit fünf Monaten mit allen Regeln der Kunst ausgebaut. Stockwerkartig lagen sie auf den steilen Bergkuppen, deren Hänge mit Hindernissen wohl versehen waren, übereinander. An einzelnen für die Russen besonders wichtigen Geländepunkten bestanden bis zu sieben Schützengrabenreihen hintereinander. Die Anlagen waren sehr geschickt angelegt und vermochten sich gegenseitig zu flankieren. Die Infanterie der verbündeten Truppen hatte sich in den Nächten, die dem Sturm vorangingen, näher an den Feind herangeschoben und die Sturmstellungen ausgebaut. In der Nacht vom 1. zum 2. Mai feuerte die Artillerie in langsamem Tempo gegen die feindlichen Anlagen. Eingelegte Feuerpausen dienten den Pionieren zum Zerschneiden der Drahthindernisse. Am 2. Mai um 6 Uhr morgens setzte auf der ausgedehnten, viele Kilometer langen Durchbruchsfront ein überwältigendes Artilleriefeuer von Feldkanonen bis hinauf zu den schwersten Kalibern ein, das vier Stunden lang ununterbrochen fortgesetzt wurde. Um 10 Uhr morgens schwiegen plötzlich die Hunderte von Feuerschlünden, und im gleichen Augenblick stürzten sich die Schwarmlinien und Sturmkolonnen der Angreifer auf die feindlichen Stellungen. Der Feind war durch das schwere Artilleriefeuer derart erschüttert, daß an manchen Stellen sein Widerstand nur ein sehr geringer war. In kopfloser Flucht verließ er, als die Infanterie der Verbündeten dicht vor seine Gräben gelangte, seine Befestigungen, Gewehre und Kochgeschirre fortwerfend und ungeheure Mengen Infanteriemunition und zahlreiche Tote in seinen Gräben zurücklassend. An einer Stelle durchschnitt er selbst die Drahthindernisse, um sich den Deutschen zu ergeben. Vielfach leistete er in seinen nahegelegenen zweiten und dritten Stellungen keinen nennenswerten Widerstand mehr, dagegen wehrte sich der Feind an anderen Stellen der Durchbruchsfront verzweifelt. Mit den österreichischen Truppen griffen bayerische Regimenter den 250 Meter über ihren Sturmstellungen gelegenen Zameczyko-Berg, eine wahre Festung, an. Ein bayerisches Infanterieregiment errang sich dabei unvergleichliche Lorbeeren. Links der Bayern stürmten schlesische Regimenter die Höhen von Selowa und Sokol. Junge Regimenter entrissen dem Feinde die hartnäckig verteidigte Friedhofshöhe von Gorlice und den zäh gehaltenen Eisenbahndamm von Komienitza. Von den österreichischen Truppen hatten galizische Bataillone die steilen Höhenstellungen des Pustki-Berges angegriffen und erstürmt, ungarische Truppen in heißem Kampfe die Wiatrowkahöhen genommen. Preußische Garde-Regimenter warfen den Feind aus seinen Höhenstellungen östlich Biala und stürmten bei Staszkowka sieben hintereinander gelegene, erbittert verteidigte russische Linien. Entweder von den Russen angesteckt, oder von einer Granate getroffen, entzündete sich eine hinter Gorlice gelegene Naphthaquelle. Haushoch schlugen die Flammen aus der Tiefe, Rauchsäulen von mehreren hundert Meter stiegen gegen den Himmel.
Am Abend des 2. Mai, als die heiße Frühlingssonne allmählich der Kühle der Nacht zu weichen begann, war die erste Hauptstellung ihrer ganzen Linie und Tiefe nach in einer Ausdehnung von etwa 16 Kilometern durchbrochen und ein Geländegewinn von durchschnittlich vier Kilometern erzielt. Mindestens 20000 Gefangene, mehrere Dutzend Geschütze und 50 Maschinengewehre blieben in der Hand der verbündeten Truppen, die im Kampfe um die Siegespalme gewetteifert hatten. Außerdem wurde eine noch unübersehbare Menge von Kriegsmaterial erbeutet, darunter große Massen von Gewehren und Munition.
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Die 1. Weltkrieg: Der erstürmte starke russische Stellung an der Friedhofsmauer von Gorlice
Die erstürmte starke russische Stellung an der Friedhofsmauer von Gorlice

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Vernichtung der dritten russischen Armee - Bisher 50000 Gefangene

Wien, 6. Mai, mittags. (Amtlich.)
Auf der ganzen Schlachtfront in Westgalizien dringen die Verbündeten weiter erfolgreich vor. Noch intakte Truppen des Feindes versuchen in günstigen Verteidigungsstellungen den schleunigen Rückzug zu decken. Starke russische Kräfte in den Beskiden sind durch den Flankenstoß der siegreichen Armeen schwer bedroht. Die Gegend von Jaslo und Dukla ist bereits erkämpft. Die im Gange befindlichen Kämpfe werden die Vernichtung der dritten russischen Armee vervollständigen. Die Zahl der Gefangenen ist auf über 50000 gestiegen. Die übrige Situation ist unverändert. Im Oravatale wurde ein starker russischer Angriff gegen die Höhe von Ostry blutig abgewiesen, 700 Russen gefangen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Tarnow wieder von den Verbündeten genommen

Wien, 6. Mai, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Auch die letzten russischen Stellungen auf den Höhen östlich des Dunajec und der Biala sind von unseren Truppen erkämpft. 
Seit 10 Uhr vormittags ist Tarnow wieder in unserem Besitz.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Ein Armeebefehl des Erzherzogs Friedrich

Der 1. Weltkrieg: Feldmarschall Erzherzog Friedrich

Feldmarschall Erzherzog Friedrich

Wien, 6. Mai. (W. B.)
Aus dem Kriegspressequartier wird gemeldet:
Der Armeeoberkommandant Feldmarschall Erzherzog Friedrich hat folgenden Armeebefehl erlassen:

"Seine Kaiserliche und Königliche apostolische Majestät, Kaiser und König Franz Josef I. geruhten folgendes allerhöchste Handschreiben allergnädigst an mich zu richten:
"In unwiderstehlichem Angriffe haben die unter Ihrem Oberbefehl vereinten österreichisch-ungarischen und deutschen Kräfte den tapferen Feind in Westgalizien geworfen, zahlreiche Gefangene gemacht und viel Kriegsmaterial erbeutet. Neuer Ruhm knüpft sich an ihre Fahnen. Mit wärmster Dankbarkeit gedenke ich all der braven brüderlich zusammenhaltenden Truppen. Bewundernd blickt das Vaterland auf seine Söhne. Ihnen, dem Armeeoberkommandanten, dem Generalobersten v. Mackensen, wie überhaupt allen Führern vom höchsten bis zum niedrigsten und all den wackeren Kriegern sage ich aus vollstem Herzen Dank und beauftrage Sie, meine Worte in dem Armeebereich zu verlautbaren.
Franz Josef."
Hochbeglückt durch diese allergnädigste Anerkennung gebe ich der festen Zuversicht Ausdruck, daß die energische und zielbewußte Fortführung der Angriffe und die Verfolgung durch die siegreichen verbündeten Trugen einen vollen entscheidenden Erfolg bringen und die Niederlage des Feindes vervollständigen werden. Diesen Befahl erhalten alle Armee- und Armeegruppenkommandanten mit dem Auftrage zur sofortigen Verlautbarung im unterstehenden Bereiche.

Feldmarschall Erzherzog Friedrich." 2)

 

Der türkische Heeresbericht:

Der Angriff auf die Dardanellen

Konstantinopel, 6. Mai. (W. B.)
Das Hauptquartier teilt mit:
An den Dardanellen wurde gestern infolge unseres Angriffs gegen den linken Flügel des Feindes, der sich bei Ari-Burun befindet, ein Bataillon des Feindes vernichtet und ein Teil seiner sehr stark ausgebauten Verschanzungen genommen. Mehr als 100 Gewehre und ein Maschinengewehr wurden von uns erbeutet. Ebenso kostete gestern Abend unsere Operation gegen Sedd-ül-Bahr den Engländern sehr schwere Verluste. Wir nahmen bei dieser Gelegenheit drei weitere Maschinengewehre und zahlreiche Munition. Bis jetzt haben wir im ganzen zehn Maschinengewehre erbeutet. - Auf den übrigen Kriegsschauplätzen nichts von Bedeutung.
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Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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