Der Weltkrieg am 28. April 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

20 Kilometer russische Stellungen bei Suwalki erobert

Großes Hauptquartier, 28. April.
Westlicher Kriegsschauplatz:
In Flandern versuchten die Engländer auch gestern das verlorene Gelände wiederzuerobern. Nachmittags setzten sie beiderseits der Straße Ypern-Pilkem zum Angriff an, der 200 Meter vor unserer Stellung vollkommen zusammenbrach. Das gleiche Ergebnis hatte in den Abendstunden ein zweiter englischer Vorstoß weiter östlich. Auch hier hatte der Feind starke Verluste. Auf dem westlichen Kanalufer griff der Feind nicht an.
In der Champagne wurde heute Nacht nördlich von Le Mesnil eine umfangreiche französische Befestigungsgruppe von uns gestürmt und gegen mehrere feindliche Gegenangriffe siegreich behauptet und ausgebaut, der Feind erlitt starke Verluste. 60 unverwundete Franzosen, 4 Maschinengewehre und 13 Minenwerfer fielen in unsere Hand. Zwischen Maas und Mosel fanden am Tage nur heftige Artilleriekämpfe statt. Ein starker französischer Nachtangriff im Priesterwalde wurde blutig und für die Franzosen verlustreich abgeschlagen. Gegen unsere Stellung auf dem Hartmannsweilerkopf haben die Franzosen nach den mißglückten Vorstößen vom 26. April keine weiteren Angriffe versucht. 
Bei Altkirch schoß einer unserer Flieger ein französisches Flugzeug ab.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Durch Augriff setzten wir uns nordöstlich und östlich von Suwalki in Besitz russischer Stellungen auf einer Frontbreite von 20 Kilometern. Nördlich von Prasznysz wurden gestern zwei Offiziere, 470 Mann gefangengenommen und 3 Maschinengewehre erbeutet.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Richtigstellungen

Berlin, 28. April. (W. B.)
Aus dem Großen Hauptquartier wird mitgeteilt:
Unsere Gegner haben sich in ihren amtlichen Bekanntmachungen nie streng an die Wahrheit gehalten. Die Unwahrheiten nehmen aber jetzt von Tag zu Tag größeren Umfang an. Das Havas-Telegramm vom 25. April Uhr nachmittags enthält als Nachtrag den Satz: "Der Hartmannsweilerkopf, der uns gestern früh genommen wurde, ist von uns im Laufe des Abends wieder genommen worden, und wir haben Gefangene gemacht." Das Telegramm von 11 Uhr abends besagt: "Am Hartmannsweilerkopf sind wir zur Offensive übergegangen Nachdem wir den Gipfel genommen hatten, sind wir 200 Meter auf dem Osthang vorgerückt." Tatsächlich ist der Hartmannsweilerkopf am Abend des 25. April von uns genommen worden und ist seitdem fest in unserer Hand. Die französischen Angriffe am 26. April abends wurden glatt abgewiesen. Kein einziger gelangte - auch nicht einmal mit Teilen - bis an unsere Stellungen. Gefangene konnten die Franzosen daher überhaupt nicht machen. Am 27. April haben die Franzosen gar nicht angegriffen.
Dasselbe Havas-Telegramm enthält den Satz: "Dem gestrigen Communique nichts hinzuzufügen, ausgenommen die Verstärkung und die Fortdauer unserer Fortschritte nördlich Ypern und auf den Maashöhen, dem am 27. April 11 Uhr abends hinzugefügt wurde: "Nördlich von Ypern dauern unsere Fortschritte an, ebenso diejenigen der britischen Armee. Wir haben zahlreiche Gefangene gemacht und Kriegsmaterial (Bombenwerfer, Maschinengewehre) erbeutet." In unserer Bekanntmachung vom 27. April ist die Linie klipp und klar angegeben, die wir gewonnen und ausgebaut haben. Vor dieser Linie sind alle französischen und britischen Gegenangriffe zusammengebrochen. Warum geben die Bekanntmachungen unserer Gegner nicht an, wie weit ihre Fortschritte reichen? Ausgenommen bei Aufgeben der zerschossenen Häuser von Lizerne ist kein deutscher Soldat auch nur einen Schritt gewichen. Bei der freiwilligen Räumung können allerdings drei zerschossene Maschinengewehre und einige nicht transportfähige Verwundete in Feindeshand gefallen sein, Bombenwerfer sind nicht verloren.
Wie es mit den Erfolgen auf den Maashöhen steht, läßt sich aus der französischen Berichterstattung erkennen, die von einem Schützengraben von Calonne spricht. Die Straße La Grande Tranchée-de la Calonne ist ein langer Waldweg, der die Linie der deutschen und französischen Schützengräben senkrecht schneidet. Von der französischen Stellung sind in einer Tiefe von 1250 Metern alle hintereinander liegenden Schützengräben einschließlich der in diesem Raume befindlichen Batteriestellungen genommen und gegen alle Angriffe behauptet worden. Hier ist also eine weitere Erläuterung unnötig.
Der englische Bericht sagt, die Franzosen hätten auf dem Linken Flügel der Engländer vorgebend Het Sas in Flandern zurückgewonnen, in Wirklichkeit ist auch dieser Ort gestern nicht angegriffen worden. Ferner behauptet er, der deutsche Bericht über die Fortnahme der vier englischen Geschütze sei nicht zutreffend. Es ist für die englische Heeresleitung bedauerlich, daß sie so schlecht von ihren Untergebenen unterrichtet wird, wenn es auch verständlich ist, daß die regelmäßige Berichterstattung durch die Eile, mit der die englischen Truppen am 25. April das Schlachtfeld verließen, etwas in Unordnung gekommen sein mag. Die genommenen Geschütze gehören nach der Bezeichnung, die sie tragen, der 2. London-Garrison-Artillery und der 2. London-Territorial-Division und sind 12,8 Zentimeter-Geschütze, die in allernächster Zeit ihre Anwesenheit auf unserer Seite den Gegnern deutlich erkennbar machen werden.
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Feindliche Flieger über Südbaden

Von der Schweizer Grenze, 28 April. (Priv.-Tel )
Innerhalb vier Stunden überflogen feindliche Flieger achtmal die Stadt und Umgebung von Lörrach. Auf die Maschinenwerkstätte von Haltingen wurden morgens vor 9 Uhr und gegen 10 Uhr sowie um ½12 Uhr mehrere Bomben geworfen von denen jedoch nur eine das Gebäude selbst traf. Die anderen Bomben fielen sämtlich in die umliegenden Wiesen, ohne irgendwelchen Schaden anzurichten. Ein dort diensttuender Offizier zählte insgesamt 17 Bombenwürfe. In einer Wiese wurde ein englischer Blindgänger in Form einer Granate gefunden und nachträglich zur Explosion gebrach. Durch den Bombenwurf auf das Gebäude wurden wie durch Wunder nur zwei Arbeiter leicht verletzt, obgleich mehrere Männer in dem getroffenen Gebäude arbeiteten. Einer derselben wurde am Kopfe leicht verletzt, einem anderen drang ein Splitter durch die Taschenuhr leicht in den Unterleib ein. Die Uhr des Arbeiters war also sein Lebensretter. Die Bevölkerung verhielt sich trotz der häufigen Bombenwürfe ruhig.
Die Stadt Basel wurde heute morgen mehrmals durch ausgiebige Fliegerkanonaden alarmiert. An dem blauen Himmel in der Gegend rheinabwärts tauchten, wie die "Basler Nachrichten" erzählen, ganze Ketten von weißen Schrapnellwölkchen auf, und in den Lärm des lebhaften Verkehrs hinein und ihn sogar zeitweilig noch übertönend erklang der dumpfe Knall der explodierenden Geschosse. Zeitweilig wurde das Surren von Flugmaschinen gehört. Von den Rheinbrücken und den freier gelegenen Plätzen aus sah man auch die Flugmaschinen selbst. Es handelte sich, soweit man beobachten konnte, um französische Zweidecker, die von der Tüllinger Höhe und den weiter aufgestellten Abwehrgeschützen beschossen wurden Von den Straßen und von allen Dächern aus betrachteten Gruppen von Leuten das seltsame Schauspiel.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Zwei russische Munitionsdepots zerstört

Wien, 28. April, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die allgemeine Lage ist unverändert.
In den Karpathen sowie in Russisch-Polen vereinzelt heftiger Geschützkampf. Unsere Artillerie brachte zwei Munitionsdepots der Russen durch Volltreffer zur Explosion.
Wiederholte Nachtangriffe des Feindes im Abschnitt östlich der Höhe Ostry wurden abgewiesen.
In Südostgalizien und in der Bukowina keine besonderen Ereignisse.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der Sieg der Türken in den Dardanellen

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Die Alliierten, deren Kriegsschiffe vor den Dardanellen bisher nur Mißerfolge erzielt und auch gestern ein Torpedoboot verloren und ein anderes wenigstens für längere Zeit eingebüßt haben, versuchen nunmehr von der Landseite die sturmerprobten Festungen unserer Verbündeten zu bedrängen. Das Landungskorps, das aus englischen und französischen Truppen aller Hautschattierungen zusammengesetzt ist, hat seine ersten Staffeln unter dem Schutze der großen Schiffsgeschütze an Land gesetzt. Vier Punkte hat sich der Feind für diesen Angriff ausersehen, die alle aus der dem offenen Meere, der Bucht von Saros zugekehrten Seite der Halbinsel Gallipoli liegen. Überall ist der Angriff von türkischen Streitkräften, die an allen irgendwie bedrohbaren Stellen bereit stehen, aufgenommen worden. Schon haben die Türken erfreuliche Ergebnisse in diesem Kampfe zu verzeichnen. Wo der Feind über die Küste hinaus ins Innere der befestigten Halbinsel vorzudringen suchte, wurde er sofort zurückgeworfen, so daß kaum mehr als der Küstenstrich in seinen Händen sein kann. Die Höhe der feindlichen Verluste deutet auf die Erbitterung dieser Kämpfe hin. Daß eine Abteilung mohammedanischer Soldaten, die von der französischen Heeresleitung gegen die Türkei entsandt wurde, zu den Türken überging, ist nicht verwunderlich. Den Franzosen wird es aber eine ernste Warnung sein; sie scheinen sich über die Bedeutung des "Heiligen Kriege" immer noch nicht klar geworden zu sein, werden sich aber nun der Erkenntnis nicht länger verschließen können, daß ihre Kolonialtruppen sich nicht blindlings gegen jeden Feind treiben lassen.
Der Kampf um die Dardanellen tritt in eine neue Phase.
Die Landung feindlicher Truppen beweist, daß der Angriff zur See auch den Engländern und Franzosen als ein allzu kostspieliges Unternehmen erscheint. Die furchtbaren Befestigungen, deren Kanonen die feindlichen Schiffe bedrohten, sollen nunmehr vom Land aus angegriffen werden. Der Plan dieses Unternehmens, das als Überrumpelung vielleicht einige Aussicht gehabt hätte, war nicht geheim zu halten. Unsere Verbündeten hatten in den letzten Monaten Zeit genug, auch diese Möglichkeit ruhig ins Auge zu fassen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Ihre ersten Erfolge gegen das Landungskorps beweisen schon, daß ihre Abwehrmaßnahmen dem neuen Ansturm vollauf gewachsen sein werden.

 

Die Vernichtung des "Léon Gambetta"

Paris, 28. April. (Priv.-Tel.)
Das Marineministerium teilt mit:
Summarische Telegramme meldeten uns, daß der Kreuzer "Léon Gambetta" in der Nacht vom 26. zum 27. April in der Adria auf der Höhe von Otranto torpediert worden sei.

Rom, 28. April. (W. B.)
Nach einer Meldung der Agenzia Stefani aus Brindisi kamen beim Untergange des "Léon Gambetta" Admiral Senet und sämtliche Offiziere des Panzerkreuzers um. Es war ein schauerlicher Anblick, sagt die Meldung weiter, für die italienischen Matrosen, die zur Hilfe eilten. Die Trümmer gekenterter Boote und Leichen treiben im Meere umher.

Mailand, 28. April. (Priv.-Tel.)
Über den Untergang des "Léon Gambetta" wird folgendes Nähere gemeldet:
Das Schiff sank in 15 Minuten, da es dem Kapitän nicht gelang, es schnell genug auf die Küste auflaufen zu lassen. Seit mehreren Tagen waren in der unteren Adria Unterseeboote bemerkt worden, die von schnellen Kreuzern begleitet waren. Der "Gambetta" war mit "Waldeck-Rousseau" und anderen Schiffen der französischen Flotte, die gegenüber Cattaro operierten, losgelöst und zu Streifzügen nach der unteren Adria gesandt worden. Die Besatzung schlief ruhig, als Dienstag morgens 1.15 Uhr das Schiff torpediert wurde. Der Kommandant ließ darauf das Schiff gegen Santa Maria di Leuca steuern. Der erste Torpedoschuß traf die Dynamokammer, so daß das Licht sofort auf dem ganzen Schiff verlöschte. Sofort strömten die Matrosen auf Deck zusammen und machten alle Anstrengungen zur Rettung des Schiffes, doch traf bald darauf ein zweiter Torpedoschuß den Rumpf des Schiffes, so daß es mit äußerster Schnelligkeit sank. Der Leuchtturmwächter von Santa Maria di Leuca, der gerade auf einer Streiffahrt war, eilte mit seinem Boote herbei und fand eine Schaluppe mit Schiffbrüchigen so gefüllt, daß sie unterzugeben drohte. Als die beiden von Brindisi entsandten Torpedoboote zwölf Stunden nach dem Untergang eintrafen, fanden sie noch eine Anzahl Schiffbrüchiger, durch den zwölfstündigen Kampf mit den Wogen erschöpft, auf dem Meere treiben. Durch diese Rettung ist die Gesamtzahl der Überlebenden auf 133 gestiegen, darunter ein einziger Offizier. Der Kommandant Kontreadmiral Senet soll Selbstmord begangen haben. Das österreichische Unterseeboot soll die ganze Nacht an Ort und Stelle verblieben und erst nach Ankunft der italienischen Torpedoboote untergetaucht und abgefahren sein.
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Der 1. Weltkrieg im April 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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