Der Weltkrieg am 15. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Französische Vorstöße auf der ganzen Front abgewiesen

Großes Hauptquartier, 15. Dezember, vormittags.
Die Franzosen griffen gestern an mehreren Stellen vergeblich an.
Ein Angriff gegen unsere Stellungen südöstlich Ypern brach unter starken Verlusten für den Gegner zusammen.
Ein feindlicher Vorstoß aus der Gegend nordöstlich Suippes wurde ebenso wie ein feindlicher Angriff nordöstlich Ornes (nördlich Verdun) unter schweren feindlichen Verlusten abgewiesen.
In der Gegend von Vailly - Apremont (südlich St.-Mihiel) versuchten die Franzosen in viermaligem Ansturm unsere Stellungen zu nehmen; die Angriffe scheiterten. Ebenso mißlang ein erneuter feindlicher Vorstoß aus Richtung Flirey (nördlich Toul).
In den Vogesen sind die Kämpfe noch im Gange. Bei der Rückeroberung des Dorfes Steinbach (westlich Sennheim) machten wir 300 Gefangene.
Aus Ostpreußen nichts Neues. Die deutsche von Soldau über Mlawa in Richtung Ciechanow vorgedrungene Kolonne nimmt vor überlegenem Feind ihre alte Stellung wieder ein.
In Russisch-Polen hat sich nichts Wesentliches ereignet. Die ungünstige Witterung beeinflußt unsere Maßnahmen.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

31000 Russen in Westgalizien gefangengenommen

Wien, 15. Dezember.
Amtlich wird verlautbart:
Die Offensive unserer Armeen hat den Feind zum Rückzuge gezwungen und auch die russische Front in Südpolen zum Wanken gebracht. Unsere den Feind in Westgalizien von Süden her unermüdlich verfolgenden Truppen gelangten gestern in die Linie Jaslow-Rajbrot. Bei dieser Verfolgung und in der letzten Schlacht wurden nach den bisherigen Meldungen 31 000 Russen gefangengenommen. Heute liegen Nachrichten über rückgängige Bewegungen des Gegners an der gesamten Front Rajbrot - Niepolomice - Wolbrom - Nowo-Radomsk - Piotrkow vor.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
1)

 

Räumung von Belgrad

Wien, 15. Dezember.
Vom südlichen Kriegsschauplatz wird amtlich gemeldet:
Die durch das notwendig gewordene Zurücknehmen des eigenen rechten Flügels geschaffene operative Lage ließ es ratsam erscheinen, auch Belgrad zunächst aufzugeben. Die Stadt wurde kampflos geräumt. Die Truppen haben durch die überstandenen Strapazen und Kämpfe wohl gelitten, sind aber vom besten Geiste beseelt.
1)

 

Italienischer Senat

Rom, 15. Dezember. (Priv.-Tel.)
Die Debatte im Senat über die Erklärung der Regierung zur auswärtigen Politik ergab, wie nach dem politischen Charakter der Körperschaft zu erwarten, ein für die Bundesgenossen und namentlich Deutschland freundliches Bild. Die Senatoren Maragliano, Carafa, Dantria und Barzelotti zollten der deutsche Kraft bewundernden Beifall und erstatteten Dank für die wissenschaftliche Befruchtung. Auch in den Ausführungen zur Realpolitik waren diese Redner dem Dreibund freundlich, was sie in historischen Betrachtungen über die Zusammenhänge der deutschen und italienischen Einheitsbewegung, aber auch in Würdigung der Ursachen und Bedeutung des Weltkrieges darlegten. Das Ergebnis der Senatsberatung wird natürlich eine Billigung der Erklärung Salandras sein.

Rom, 15. Dezember. (Priv.-Tel.)
Der Senat nahm einstimmig eine Tagesordnung an, welche der Regierung das Vertrauen ausspricht und alle Vollmachten gibt. Die zweitägigen Senatsverhandlungen bestätigten lediglich, was man schon wußte, daß das Oberhaus als Vertretung konservativer Kreise mit überwiegender Sympathie für die Neutralität und für das Festhalten an der traditionellen Politik gesinnt ist.
2)

 

Die neue portugiesische Regierung

Lissabon, 15. Dezember. (W. B.)
Der bisherige Kammerpräsident Coutinho, dem nach dem Rücktritt des Kabinett Machado die Bildung des neuen Kabinetts übertragen worden ist, hat sich heute der Kammer mit der neuen Regierung vorgestellt. In seiner Regierungserklärung führte er aus: Um die Abwesenheit aller Parteiabsichten hervorzuheben, ist die Regierung jederzeit bereit, die Änderungen in ihrer Organisation vorzunehmen, deren Einführung unter den obwaltenden Umständen mit dem Zusammenwirken der anderen Parteien für gut befunden werden sollte. Das nationale Programm schließt die Ausführung der Maßregeln ein, die durch die Abstimmung des Parlaments am 23. November beschlossen worden sind, nämlich die Verteidigung des Landes und möglichst bald stattfindende Wahlen. Ohne die Verteidigung der Kolonien außer acht zu lassen, ist die Regierung entschlossen, zu kämpfen, um dem Vaterlande die Garantie der Unabhängigkeit zu erwerben, wenn sie überzeugt ist, daß die Zukunft des Vaterlandes auf dem Spiele steht.

London, 15 Dezember. (W. B.)
Das Reutersche Bureau meldet aus Lissabon: Ein Vertrauensvotum für die Regierung ist in der Abgeordnetenkammer mit 63 gegen 39 Stimmen, dagegen ein Mißtrauensvotum im Senat mit 27 gegen 26 Stimmen angenommen worden.
2)

 

Zusammenkunft der nordischen Könige

Stockholm, 15. Dezember. (W. B.)
Meldung des "Svenska Telegram Byran". Auf Einladung des Königs von Schweden findet am Freitag, den 18. Dezember, eine Zusammenkunft zwischen den Königen von Schweden, Dänemark und Norwegen in Malmö statt. Die Könige werden von ihren Ministern des Äußern begleitet sein. Die Zusammenkunft ist ein Ausdruck für das gute Verhältnis zwischen den drei nordischen Reichen und für die zwischen ihnen bestehende vollständige Einigkeit, die bis jetzt beobachtete Neutralitätspolitik aufrechtzuerhalten. Das Zusammentreffen bezweckt insbesondere, Gelegenheit zu geben, sich über die Mittel zu beraten, die in Frage kommen könnten, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die der Kriegszustand für die drei Länder mit sich bringt, zu begrenzen und zu hemmen.
2)

 

Aus dem türkischen Parlament

Konstantinopel, 14. Dezember. (W. B.)
Halil Bey erinnerte in seiner Eröffnungsrede daran, wie die Türkei zum Kriege gezwungen worden sei. Er hob hervor, daß der Unterschied mit dem vorherigen Kriege darin bestehe, daß sehr starke Gründe die Überzeugung der Osmanen, daß sie siegreich sein würden, stützten. Die Balkanstaaten hätten die Türkei mitten in der Revolution und in einer Umwandlung aller politischen Verhältnisse angetroffen und deshalb von ihnen selbst nicht erträumte Siege erringen können. Diesmal wurde die Mobilmachung im rechten Augenblick angeordnet und in Ordnung vollendet. "Unsere Armeen", fuhr er fort, "die den Feind aus furchtbar starken Stellungen mit dem Bajonett verjagen, sehen heute die ruhmreichsten Traditionen der Geschichte wieder aufleben, und selbst unsere Feinde sind gezwungen, dieses anzuerkennen. Der Krieg von heute gilt nicht der Lösung einer einzelnen Frage, nicht der Wiederherstellung der angegriffenen nationalen Ehre, es ist kein vorübergehender Krieg zur Verteidigung einer Provinz, sondern ein Kampf um die Existenz. Daher müssen wir uns denn auch in Treue und Vaterlandsliebe um unseren Herrscher scharen und mit Einsetzung alles dessen, was wir haben und was wir sind, den Krieg durchhalten, bis wir uns einen dauerhaften Frieden gesichert haben, der noch unseren Enkeln erlaubt, ihre zivilisatorischen Pflichten ungestört zu erfüllen. Früher haben wir den Moskowitern, die seit 250 Jahren in dem tyrannischen Verlangen, den Okzident zu beherrschen, mit dem einen Fuß gegen die Meerenge und Konstantinopel, mit dem anderen gegen das Baltische Meer fortschreitend uns angriffen, nur unsere Brust und unsere Waffen entgegenzusetzen gehabt, künftig aber werden wir die Zivilisation und die Freiheit des Okzidents und des Orients mit den Deutschen verteidigen, die nicht nur auf dem Schlachtfelde, sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiete und dem der Verwaltungsorganisation die Überlegenheit ihres Geistes bewiesen haben, und mit ihnen die großen und siegreichen Verbündeten, die Österreicher und unsere Brüder, die Magyaren. Ich bin sicher, daß nach dem Kriege auch die Franzosen und Engländer, die mit Bitterkeit erkennen werden, daß die Fortschritte der Deutschen nicht mit Gewalt vernichtet werden können, eine Einigung mit uns suchen werden." Halil Bey schloß mit einer ergreifenden Anrede an die türkische Armee und Marine und die tapferen Armeen der Verbündeten der Türkei, indem er den Siegern Heil wünschte und allen im Heiligen Kriege Gefallenen die Gnade Gottes.

Konstantinopel, 15. Dezember (W. B.) 
Die Kammer wählte Halil Bey mit 126 gegen eine Stimme von neuem zum Präsidenten. Zum Vizepräsidenten wurden gewählt der Emir Ali Pascha, Bruder des Führers der Aufständischen in Marokko, und Hussein Dschahid.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

© 2005 stahlgewitter.com