Unsere
Kavallerie
Großes
Hauptquartier, 27. Oktober 1914:
Als der Krieg begann, wartete alles gespannt darauf, wie sich
die Tätigkeit der Reiterei entwickeln würde. Die französische
Kavallerie erfreute sich allgemein eines recht guten Rufes und war
auch hierzu auf Grund ihrer Taten in den vergangenen Kriegen
vollkommen berechtigt. An ihrer Spitze wirkten einst ein Murat, der
Meister in der Handhabung großer Reitermassen, und ihm standen
Hautpoul, Lassalle, Pajol, Marubaz und viele andere tüchtige
Reiterführer helfend zur Seite. Wer erinnert sich nicht der großen
Attacken von Aspern, wo französische Reiterei allein so lange den
Kampf hinhielt, an den großen Sturmritt der französischen
Reiterkorps bei Borodino, die verwegene Attacke der Gardepolen bei
Somosierra und so mancher anderen kühnen Reitertat aus jener glänzenden
Kriegerzeit. Auch im Feldzuge 1870 hielten die französischen
Reiterregimenter tapfer ihre Standarten hoch. Bei Wörth warf sich
die Division Bonnemains todesmutig auf den Feind, um ihrer bedrängten
Infanterie Luft zu machen, und bei Sedan unternahmen die französischen
leichten Reiter unter ihrem glänzenden Reiterführer Gallifet, der
nach dem Fall Marguerittes das Kommando der verwaisten Division übernahm,
trotz schwerster Verluste drei Attacken in die vorrückenden
hessischen Bataillone hinein.
Der Krieg begann. Deutsche Patrouillen stießen gegen den Feind vor.
Dabei zeigte es sich, daß die Franzosen in der Gegend nördlich von
Metz zur Verschleierung ihres Aufmarsches ganz eigenartige Maßnahmen
getroffen hatten. Sie hatten ihre gesamte Reiterei, mit Fußjägern
untermengt, in eine lange dünne Linie auseinandergezogen, um die
ganze Grenze abzusperren. Dabei verfolgten sie die eigenartige
Taktik, vielfach nicht die Übergangspunkte selbst zu decken,
sondern sie gingen hinter diese zurück. Wenn zum Beispiel eine Brücke
über einen Bach oder Fluß führte, so fanden unsere vorstoßenden
Reiter diese unbesetzt; sobald sie über diese vortrabten, schlug
ihnen aus einem an der Straße gelegenen Gebüsch Feuer entgegen.
Ebenso wurden Dörfer geräumt und hinter diesen an geeigneten
Punkten Schützen zur Straßensperrung ausgestellt. Dieses
Auseinanderziehen in eine lange dünne Linie konnte nun wohl, wie
sich bald herausstellte, die Aufklärungsarbeit der Patrouillen
erschweren, aber niemals verhindern. Außerdem hatte es den großen
Nachteil, daß stärkere Reiterkörper glatt diese dünne Kette
durchstießen und dann weit vorgingen, weil infolge der
langausgespannten Kette fast alle französische Reiterei zug- und
eskadronweise in erster Linie eingesetzt war, dagegen stärkere
Reserven dahinter fehlten, die diesem Durchbruch in Masse
erfolgreich entgegentreten konnten. Es stellte sich ferner heraus,
daß die Franzosen zu viel schossen und einem Zusammenstoß mit der
blanken Waffe gern aus dem Wege gingen. Da nun an die deutsche
Reiterei der Befehl ausgegeben war, rücksichtslos, ohne den Gegner
zu zählen, stets mit der blanken Waffe anzugreifen, so kam es oft
vor, daß selbst stärkere französische Patrouillen einfach
ausrissen, sobald die Deutschen mit eingelegter Lanze angefegt
kamen. Als Beispiel möge folgende kleine Geschichte dienen. Eine
deutsche Kavalleriepatrouille, bestehend aus einem Offizier und fünf
Jägern, kommt aus einer Straße vorgetrabt und sieht sich plötzlich
einer französischen Kürassierpatrouille von zwölf Mann und zwei
Offizieren gegenüber. Der deutsche Offizier läßt sofort seine fünf
Mann aus der Straße anreiten, er selbst setzt über den
Chausseegraben, um allein mit seiner Mauserpistole in der Faust dem
Gegner in die Flanke zu fallen. Der Zusammenstoß erfolgt. Sobald
aber die Jäger einige Franzosen über den Haufen gestochen hatten
und der deutsche Offizier den Franzosen in die Flanke fällt, werfen
diese ihre Pferde herum und jagen davon, obwohl sie mehr als doppelt
ihrem Gegner überlegen waren.
Auch sonst hat sich wiederholt der Fall ereignet, daß die französischen
Reiter ihren Offizieren nicht bei der Attacke gefolgt sind. So haben
französische Jäger bei einem Anritt gegen ein Dorf, aus dem eine
Kavalleriespitze heraustrat, ihren sehr braven Rittmeister, der
allen voran gegen den Feind sprengte, in dem Glauben, daß seine
Reiter ihm folgten, schmählich im Stich gelassen. Er attackierte
buchstäblich allein, durchbrach die Spitze und jagte bis in die
Teteneskadron des nachfolgenden Regiments hinein, wo er vom Pferde
gestochen wurde. Ehre solchem tapferem Feinde, aber auch Schande für
seine Reiter, die ihren Rittmeister in dieser feigen Weise im Stiche
ließen.
Ein anderer Fall. Zwei deutsche Schwadronen gehen vor. Da sehen sie
plötzlich zwei französische Eskadrons vor sich austauchen. Ein
freudiges Murmeln geht durch die deutschen Reihen, da sind sie,
jetzt haben wir sie. Da machen die französischen Schwadronen Kehrt
und gehen über eine Brücke zurück, um sich jenseits derselben
auszustellen. Das ist verständlich, denn bekanntlich ist der
geeignetste Moment den Gegner anzufallen der, in dem er noch nicht
ganz das Defilee durchschritten hat und sich im Aufmarsch befindet.
Ganz egal, die Deutschen drängen nach. Die erste Schwadron passiert
die Brücke. Jetzt heben die Führer der beiden auf der jenseitigen
Höhe aufmarschierten französischen Schwadronen die Säbel als
Zeichen zur Attacke, aber ihre Reiter folgen ihnen nicht. Ich
glaube, angesichts dieses Anblicks muß sich der alte Reiterkönig
Murat scham- und zornerfüllt in seinem Grabe auf die andere Seite
gedreht haben.
Die Franzosen nahmen in dortiger Gegend keine Attacke mit blanker
Waffe an, sondern fochten nur als berittene Infanterie. Es kommt
noch dazu, daß die Lanze für einen großen Teil der französischen
Kavallerie eine ungewohnte und lästige Waffe ist, mit der sie nicht
umgehen können.
Bekanntlich führte früher nur bei den Dragonern das erste Glied
Lanzen, während die anderen Waffengattungen: Husaren, Jäger und Kürassiere
erst im vorigen Herbst mit dieser Waffe ausgerüstet wurden. Sie
wissen diese nicht zu handhaben, und es kommt sehr häufig vor, daß
sie sie verlieren oder einfach wegwerfen. So brachten denn besonders
im Anfang die deutschen Patrouillen fast stets erbeutete französische
Lanzen von ihren Erkundungsritten mit zurück.
Die englische Kavallerie ist tapfer, gut ausgebildet und gut
beritten. Sie ist aber einem nicht gewachsen, und das ist der Furor
teutonicus, der grimme Stoß, den alle Deutschen gegen diese
gewerbsmäßigen Friedensstörer hegen. In der Gegend von Sedan
versuchten sich die beiden englischen, seit Waterloo berühmten
Reiterregimenter Scotch Crev und Irish Royal einem deutschen
Reiterschwall entgegenzustemmen, der über sie hereinbrach. Aber es
bekam ihnen fürchterlich schlecht, und unter ganz gewaltigen
Verlusten mußten sie ihr Heil in schleunigster Flucht suchen. Die
deutsche Reiterei ist in jenem rücksichtslosen Drange nach vorwärts
erzogen, ohne zu fragen, was vor ihr steht, und attackiert, sobald
der Befehl erfolgt. Bei Lagarde drangen deutsche Reiter tief genug
in den Feind, in unerschütterte Infanterie, gewiß die gefährlichste
und verlustreichste Attacke, die es gibt. Was fiel, das fiel, aber
der Gefechtswert war erreicht.
Auch in der Handhabung der großen Reitermassen haben sich die
Deutschen als Meister erwiesen. Als in den Kämpfen bei Paris bei
Crepy en Valois-Meaux das Zurücknehmen des rechten deutschen Flügels
angeordnet wurde, legten sich die deutschen dort versammelten
Reitermassen mit starker Artillerie und Maschinengewehren dem Gegner
vor und hielten ihn, von Höhe zu Höhe weichend, so lange aus, bis
die rückwärtige Bewegung in vollster Ruhe ausgeführt und eroberte
Geschütze und Gefangene mitgenommen werden konnten. Abschnitt zu
Abschnitt weichend, hielten sie die französisch-englischen Streitkräfte
dauernd entwickelt in Atem und verhinderten jedes Nachdrängen. Hier
haben sich die mit so großer Sorgfalt bei allen großen Manövern
durchführten Übungen der großen Reiterverbände als eine
ausgezeichnete Schulung erwiesen und auch die Überlegenheit der
deutschen Reiterei aus diesem Kampfgebiet gezeigt.
Jedenfalls kann man angesichts der vorstehend angeführten Tatsachen
ohne jede Übertreibung zu dem Schluß kommen, daß die deutsche
Reiterei sich in allen bisherigen Kämpfen derjenigen der Verbündeten
gegenüber, was Führung und Schulung anbetrifft, vorzüglich bewährt
und überlegen erwiesen hat und daß der Geist der Truppe, jener
tollkühne, verwegene Reitergeist, dem auch das Unmöglichste noch
absolut erreichbar erscheint, gar nicht besser sein könnte. Für
unsere braven Reiter gilt auch heute noch das schöne Wort aus dem
Herrlichen Reiterlied:
"Und
setzet Ihr nicht das Leben ein, nie wird Euch das Leben gewonnen
sein."
Walter
Oertel,
Kriegsberichterstatter. 2)
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