Der
Heilige Krieg
Konstantinopel,
25. November. (W. B.)
Die Proklamation des Scheichs-ül-Islam ist ein längeres
Schriftstück, in dem es heißt:
"Rußland, das sich bemüht, die Unabhängigkeit zu vernichten,
die ein Geschenk der Vorsehung für die Nationen und Völker ist,
und das, indem es die ganze Menschheit zu unterjochen sucht, seit
Jahrhunderten der grausame Feind der menschlichen Wohlfahrt ist, war
bis jetzt die Ursache des Unglücks im nahen und fernen Osten. Es
vereinigte sich im gegenwärtigen europäischen Krieg mit England
und Frankreich, die Millionen von Muselmanen unter ihrem Joch halten
und die, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen, es darauf abgesehen
haben, soviel wie möglich das Kalifat, den Stützpunkt des Islam
und das einzige Zentrum der Beständigkeit des Islamismus, zu erschüttern
und zu schwächen. Diese Gruppe von Usurpatoren, die sich
Tripel-Entente nennt, hat während des letzten Jahrhunderts alle
islamitischen Völker Indiens, Zentralasiens und des größten
Teiles von Afrika ihrer Unabhängigkeit und Freiheit beraubt. Diese
Länder waren seit einem Jahrhundert die Ursache des Verlustes sehr
wertvoller Teile der Türkei und haben, indem sie unsere Nachbarn
aufwiegelten, den Balkankrieg hervorgerufen. Sie verschuldeten so
den Verlust von Hunderttausenden unschuldiger Muselmanen, die
Vergewaltigung von Frauen und die Schändung islamitischer Tempel.
Sie haben den gegenwärtigen Krieg hervorgerufen, dessen glühendste
Funken sie gegen das Herz der mohammedanischen Nation schleudern,
indem sie sich bemühen, mit ihren verruchten Plänen das erhabene göttliche
Licht zu verlöschen."
Die Proklamation legt sodann dar, daß diejenigen, die eine
Feindschaft gegen die Religion des Islam bekunden, früher oder später
den Zorn Gottes erfahren werden und daß der Kalif, der Diener der
heiligen Stätten Mekka und Medina, um mit Hilfe des Allmächtigen
diese heiligen Stätten des Islam sowie die heiligen Orte Jerusalem,
Nedschef und Kerbela, das Zentrum des Kalifats, kurz alle Orte, wo
die Propheten und die heiligen Märtyrer begraben liegen, vor jedem
Angriff zu schützen, es für seine Pflicht erachtet hat, gemäß
den Geboten der genannten Fatwa die Muselmanen zum Heiligen Kriege
aufzufordern. Das Kalifat rief alle ottomanischen Untertanen von 20
bis 40 Jahren zu den Waffen. Heer und Flotte, die auf diese Art
vorbereitet wurden, sowie die islamitischen Glaubenslehrer, alle
Studierenden der Theologie, kurz alle Kinder des Vaterlandes werden
nach und nach auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen
konzentriert, auf denen der Heilige Krieg geführt wird. Alle Gläubigen
des Islam erhalten den Befehl, an dem großen Heiligen Krieg
teilzunehmen, sei es, indem sie selbst dienen, sei es durch
finanzielle Beihilfe. Daher müssen Muselmanen, die unter der
tyrannischen Herrschaft der genannten Regierungen in der Krim, Kasan,
Turkestan, Buchara, Chiwa, Indien, China, Afghanistan, Persien,
Afrika und den anderen Kontinenten sich befinden, nach Maßgabe
ihrer Kräfte mit den Osmanen am Heiligen Kriege teilnehmen.
Der Aufruf hebt weiter hervor, daß, um insbesondere der Tragödie
ein Ende zu setzen, wie sie die Entsendung muselmanischer Untertanen
der feindlichen Mächte auf die blutigen Kriegsschauplätze
darstelle, auf denen sie gegen den Kalifen und dessen Verbündete
Krieg führen sollen, die Muselmanen alle Opfer auf sich nehmen und
Geduld haben müssen. Der Aufruf schließt mit einem glühenden
Appell an alle Muselmanen, ihre Pflicht zu tun, wobei an die
heiligen Worte erinnert wird, die den Überlebenden ein glückseliges
Leben und denjenigen, die als Märtyrer auf dem Felde der Ehre
fallen, die Wonnen des Paradieses versprechen. Der Aufruf drückt
die Überzeugung aus, daß mit Gottes Hilfe die Feinde der Religion
besiegt werden. 2) |