Repressalien
gegen England
Berlin,
6. November. (W. B. Amtlich.)
Seit langer Zeit schweben Verhandlungen zwischen Deutschland und England
wegen der Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen, die sich
bei Beginn des Krieges in dem Gebiete des anderen Teiles aufhielten. Dabei
stand die deutsche Regierung auf dem Standpunkt, daß nach völkerrechtlichen
Grundsätzen diese Personen, Soweit sie sich nicht verdächtig
gemacht hatten, auf freiem Fuße zu belassen seien, auch ungehindert
in ihre Heimat abreisen dürfen, daß jedoch den Engländern
in Deutschland selbstverständlich eine bessere Behandlung zuteil
werden könnte, wie den in England befindlichen Deutschen. Als daher
die britische Regierung so gut wie sämtlichen Deutschen die Erlaubnis
zur Abreise versagte, sind die in Deutschland befindlichen Engländer
in gleich Weise behandelt worden. Den deutschen Vorschlag, die beiderseitigen
unverdächtigen Staatsangehörigen sämtlich abreisen zu lassen,
lehnte die britische Regierung ab. Doch wurde eine Vereinbarung getroffen,
daß alle Frauen und alle männlichen Personen bis zu 17 Jahren
und über 55 Jahren, sowie ohne Rücksicht auf ihr Alter alle
Geistlichen und Ärzte ungehindert abreisen dürften. Die männlichen
Personen zwischen 17 und 55 Jahren wurden nicht in die Vereinbarung einbezogen,
weil die britische Regierung alle Wehrpflichtigen zurückhalten wollte,
und als solche auch die Männer zwischen 45 und 55 Jahren ansah. Inzwischen
wurden die in England zurückgehaltenen Deutschen in nicht unerheblicher
Anzahl festgenommen und als Kriegsgefangene behandelt. Nach zuverlässigen
Nachrichten ist diese Maßnahme in den letzten Tagen auf fast alle
wehrpflichtigen Deutschen ausgedehnt worden, während in Deutschland
bisher nur verdächtige Engländer festgenommen worden sind. Die
völkerrechtswidrige Behandlung unserer Angehörigen hat der deutschen
Regierung Anlaß gegeben, der britischen Regierung zu erklären,
daß auch alle wehrpflichtigen Engländer in Deutschland festgenommen
werden würden, wenn nicht unsere Angehörigen bis zum 5. November
aus der englischen Gefangenschaft entlassen werden sollten. Die britische
Regierung hat diese Erklärung unbeantwortet gelassen, sodaß
nunmehr die Festnahme der englischen Männer zwischen 17 und 55 Jahren
angeordnet worden ist. Die Anordnung erstreckt sich vorläufig nur
auf die Angehörigen von Großbritannien und Irland, würde
aber auch auf die Angehörigen der britischen Kolonien und Schutzgebiete
ausgedehnt werden, wenn die dort lebenden Deutschen nicht auf freiem Fuß
belassen werden sollten. Die von in militärischen Stellen unter dem
6. November erlassenen Befehle lauten:
1. Alle männlichen Engländer zwischen dem vollendeten 17. und
55. Lebensjahre, die sich innerhalb des Deichen Reiches befinden und denen
als Ärzten oder Geistlichen nicht das Ausreiserecht zusteht, sind
in Sicherheitshaft zu nehmen und nach Anordnung der stellvertretenden
Generalkommandos nach dem Lager Ruhleben bei Berlin zu überführen.
Das gleiche gilt für inaktive Offiziere auch über 55 Jahre hinaus.
Für die Altersberechnung ist der 6. November maßgebend. Die
Überführung der in Berlin verhafteten Engländer nach Ruhleben
erfolgt mit Rücksicht auf die besonderen örtlichen Verhältnisse
auf Anordnung und nach dem Ermessen des Oberkommandos in den Marken.
Ausnahmen von der in Nr. 1 genannten Anordnung können von den stellvertretenden
Generalkommandos und dem Oberkommando in den Marken nur dann gestattet
werden, wenn schwere Krankheit, die den Transport unmöglich macht,
von amtsärztlicher Seite bescheinigt wird. Sobald das Befinden den
Transport gestattet, ist die Überführung nachzuholen.
3. Alle erwachsenen Personen englischer Nationalität, die dann noch
frei in Deutschland leben dürfen, sind zu täglich zweimaliger
Anmeldung bei der Polizei verpflichtet und dürfen den Ortspolizeibezirk,
über dessen Grenze sie polizeilich zu unterrichten sind, nicht verlassen.
In einzelnen Fällen kann das für den Aufenthaltsort zuständige
stellvertretende Generalkommando (Oberkommando in den Marken) oder Marinestationskommando
Ausnahmen gestatten.
4. Die unter 1 und 2 genannten Maßregeln sollen zunächst nur
Anwendung finden auf Angehörige des "Vereinigten Königreichs
von Großbritannien und Irland"
5. Sofern für den Transport fahrplanmäßige Züge nicht
ausreichen, sind von den stellvertretenden Generalkommandos Sonderzüge
mit den Linienkommandanturen zu vereinbaren. 2)
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