Der Weltkrieg am 4. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Kämpfe im Westen

Großes Hauptquartier, 4. November, vormittags. (Amtlich.)
Unsere Angriffe auf Ypern, nördlich Roye und östlich Soissons schritten langsam, aber erfolgreich vorwärts.
Südlich Verdun und in den Vogesen wurden französische Angriffe abgewiesen.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz hat sich nichts Wesentliches ereignet.
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Die Bayern im Felde

Es war in der zweiten Hälfte des August. Glühend heiß brannte die Sonne hernieder auf die langen deutschen Kolonnen, die sich in östlicher Richtung zurückwälzten. "Zurück", welch bitteres Wort. In düsterem Schweigen ging die Armee des Kronprinzen von Bayern zurück. Vergebens versuchten die Offiziere ihre Leute aufzuheitern. Denn die Laune ist verdorben. Nur ab und zu nahm einer die Pfeife zu dem Mund und spuckte kräftig aus: "´s ist eine Schand´, so vor der Lumpenbagasch ohne einen Schuß davonlaufen zu müssen." Da, auf den Höhen von Mörchingen und östlich Saarburg, machten sie endlich Halt. "Gott sei Dank." Nun aber nicht weiter zurück. Und dann flog durch die Reihen der Befehl zum Angriff.
Ein Jubeln, ein Brausen ging durch die bayrischen Reihen.
Wie eine losgelassene Meute auf das Wild stürmten sie vorwärts. Mit donnerndem Hurra fliegt das Leibregiment nach Saarburg hinein. Was hilft dem Gegner seine Überlegenheit. Aus Fenstern, Kellern und von den Dächern her regnet es Kugeln. Die "Leiber" sind in Saarburg drin, und wo die einmal drin sind, da bringen sie nicht hunderttausend Teufel mehr heraus. Hageldicht fallen die Kolbenschläge auf die überraschten Franzosen. "Lumpenpack, elendiges." Mit dem bayrischen Hausschlüssel (dem Kolben) werden die Türen eingeschlagen. Niedergemacht, was drin steckt. Im wilden Handgemenge wird alles, was Französisch heißt durch diesen furchtbaren Anlauf hinausgefegt. Auf der Höhe von Alt-Köcking donnern die französischen Batterien, heiser bellen die Maschinengewehre. In langen Linien liegen die französischen Schützen. Ein wahres Glacis, unmöglich, hinaufzukommen. Unmöglich für viele, aber nicht für die Bayern. In langen Sprüngen schieben sich ihre Schützenlinien heran. Vergebens krönen die Batterien diese Linien mit zahllosen weisen Schrapnellwölkchen, rasseln unaufhörlich die Maschinengewehre, feuern rasend die Schützen. Was fällt, das fällt, aber wie eine Brandungswelle, der nichts widerstehen kann, fluten die Deutschen vorwärts. Noch einmal rasendes Feuer, und dann sind sie drin. In schleunigster Flucht müssen die Geschütze zurück, die Maschinengewehre, und was nicht mehr schleunigst flüchten kann, wird eingeholt und niedergemacht. Auf den Höhen von Alt-Köcking, dieser uneinnehmbaren Hochburg der französischen Stellung, flattern stolz die bayrischen Fahnen im Winde. Das war der erste Tatzenschlag des bayrischen Löwen in Lothringen.
Die Franzosen kennen die Bayern wohl. In jener Glanzperiode Frankreichs, als die Adler der Legionen Napoleons durch ganz Europa ihren Siegeszug antraten, da war diese Glanzepoche des Kriegerrums auch eine Glanzzeit der bayrischen Truppen, die jenem folgten. Napoleon lernte sie noch besser kennen, als sie bei Hanau und im Feldzuge 1814, vor gerade hundert Jahren, sich gegen ihn schlugen. Und wer denkt nicht an den Feldzug 1870, an die Rebenhügel von Weißenburg, wo die Bayern den Afrikanern, den berühmten Turkos, mit der gleichen Bravour zu Leibe gingen wie heute ihre Nachkommen all dem Gesindel, das Franzosen und Engländer zum Kampfe gegen uns heranschleppen. Wem sind nicht die Waffentaten der Bayern bei Wörth, der fürchterliche Straßenkampf in Bazeilles und die todesverachtende Tapferkeit der Bajuwaren im Loirefeldzug noch im Gedächtnis. Hart, zäh und tollkühn, das sind die Kennzeichen der Bayern. In ihnen steckt noch eine gute Portion der altgermanischen Rauflust, der Freude am Kampf um des Kampfes willen und jene alles verachtende Bravour, die rücksichtslos auch das Schwerste möglich macht.
"Ja, Exzellenz, jetzt macht´s Raufen auch Spaß, wo nicht der Landrichter danach kommt," antwortete ein bayrischer Unteroffizier einem Vorgesetzten, der ihn wegen seiner Tapferkeit lobte. Die Körperkraft der Bayern im Handgemenge haben die Franzosen in unliebsamer Weise kennen gelernt. Sie hat auch manchmal zu amüsanten Geschichten Anlaß gegeben. Wird da in den Schlachten in Lothringen ein gefangener Franzmann eingeliefert. Besondere Kennzeichen: schwerer Kolbenschlag ins Genick. Dem behandelnden Arzt kommt die Geschichte wunderbar vor. Er befragt den Verwundeten, und es kommt heraus, daß ihm im Hand-Gemenge ein Bayer mit der bloßen Faust derartig eins ins Genick gegeben hat, daß er bewußtlos umflog. - Der Bayer muß eine gute Handschrift geschrieben haben. Alle Achtung.
Als unserem Kaiser die Meldung von der Landung der indischen Truppen gemacht wurde, soll er gesagt haben: "Na denen wünsche ich mal, daß sie mit den Bayern zusammenkommen." In einem Tagesbefehl, den wohl wir alle voll und ganz unterschreiben können, hat Kronprinz Rupprecht seine Bayern, die mit Begeisterung an ihrem Führer hängen, darauf hingewiesen, daß sie jetzt die Engländer vor der Front haben und daß es heißt, hier Vergeltung zu üben. Bei dem Worte "wir kriegen die Engländer zu fassen" schlägt das Herz jedes Bayern höher, denn das sind seine besonderen Freunde. Aber ob Weiß, ob Braun, ob aus England stammend oder frisch aus Indien importiert, die Bayern werden sich diese Brüder schon langen, und wenn die Gurkhas im Handgemenge nach dem berühmten Kuhkri greifen, oder wie dieses von der französischen und englischen Presse so gefeierte Dolchschwert heißt, dann erinnert sich der Bayer auch des treuen Messers mit natürlich feststehender Klinge, das er im Stiefel oder der Hose stecken hat. Das ist auch nicht zu verachten, und die Geschichte mit dem Mann mit dem Kolbenschlag im Genick, die spricht allein Bände.
Darum haben wir alle das feste Vertrauen, daß, wie die bayrischen Fahnen auf den Höhen von Lothringen, auf dem Bergkegel des gestürmten Fort des Camps des Romains wehten, sich auch in diesem schweren Ringen der englische Leopard dem Wittelsbacher Löwen wird beugen müssen.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Kämpfe in Südpolen und Galizien

Wien, 4. November.
Amtlich wird verlautbart:
Die Bewegungen unserer Truppen in Russisch-Polen wurden gestern vom Feinde nicht gestört. Eines unserer Korps nahm aus den Kämpfen an der Lysa Gora 20 Offiziere und 2200 Mann als Gefangene mit. An der galizischen Front ergaben sich heute bei Podbuz südlich von Sambor über 200, heute früh bei Jaroslau 300 Russen.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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S. M. S. "Yorck"

Der Kreuzer "Yorck" gesunken

Berlin, 4. November. (W. B. Amtlich.)
S. M. Großer Kreuzer "Yorck" ist am 4. November, vormittags, in der Jade auf eine Hafenminensperre geraten und gesunken. Nach den bisherigen Angaben sind 382 Mann - mehr als die Hälfte der Besatzung - gerettet. Die Rettungsarbeiten wurden durch dichten Nebel erschwert.

Der stellvertretende Chef des Admiralstabs.
Behncke.
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Das englische Unterseeboot "D 5"

Untergang eines englischen Unterseebootes

Amsterdam, 4. November. (Priv.-Tel.)
Aus London wird gemeldet: Heute früh ist das Kanonenboot "Halcyon" beim Patrouillendienst an der Küste von einer deutschen Flottille angegriffen worden. Dem "Halcyon" kamen bald britische Kreuzer zu Hilfe, worauf sich die deutsche Flottille zurückzog. Sie wurde verfolgt, konnte aber nicht zum Gefecht gezwungen werden. Ein deutscher Kreuzer, der den Rückzug deckte, streute Minen hinter sich aus. Das englische Unterseeboot "D 5", das über Wasser mitfuhr, lief auf eine solche Mine auf und sank. Zwei Offiziere und zwei Matrosen, die auf der Brücke standen, wurden gerettet, die übrige Mannschaft ging mit dem Boot in die Tiefe.
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Das Gefecht in der Nordsee

Amsterdam, 4. November. (Priv.-Tel.)
Aus London werden ausführliche Einzelheiten über das Gefecht in der Nordsee gemeldet. Die Bevölkerung von Yarmouth wurde am frühen Morgen durch heftiges Kanonenfeuer geweckt. Man sah vom Hafen aus, daß im Nebel etwa zehn Meilen von der Stadt sieben oder acht deutsche Schiffe auf ein britisches Schiff schossen. Die Geschosse fielen etwa 500 Meter von der Küste in das Meer. Das dort verankerte Leuchtschiff war in Gefahr. Während des Gefechts fürchteten die militärischen Behörden offenbar einen Landungsversuch, denn die britischen Truppen mußten unter die Waffen treten. Sie erhielten scharfe Patronen und besetzten alle Wege, die von dem Hafen nach der Stadt Yarmouth führten.

London, 4. November. (W. B.)
Die "Times" berichtet über den Kampf: Ein Seekampf fand gestern bei Yarmouth, ganz dicht unter Englands Küste statt. Mehrere deutsche Kriegsschiffe kamen gestern früh auf der Höhe von Yarmouth in Sicht und eröffneten eine furchtbare Kanonade gegen die Küste. Von dem Kreuzer "Halcyon" der leicht beschädigt wurde, ist ein Mann schwer, vier oder fünf sind leicht verwundet. Außer dem Unterseeboot "D 5", das wenige Stunden später auf eine Mine lief, sind noch zwei Dampfbarkassen auf Minen gestoßen und im Laufe von zwanzig Minuten gesunken. Die starken Detonationen riefen eine ungeheure Aufregung in Yarmouth hervor, wo die Leute zum Strand stürmten, jedoch infolge des Nebels nichts sehen konnten. Nur die Umrisse der großen Schiffe mit vier Schornsteinen waren sichtbar. Einige Geschosse fielen auf das Ufer in die Nähe der drahtlosen Station, die meisten fielen jedoch ins Wasser.
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Der Krieg im Orient

Konstantinopel, 4. November.
Das türkische Admiralsschiff "Sultan Jawus Selim" ging zur Beschießung von Sewastopol erst über, als die russischen Batterien das Feuer gegen es eröffneten. Aus allen Batterien wurde gleichzeitig gefeuert. Es wurden über 1000 Schuß gegen das Schiff abgegeben. Wie durch ein Wunder ging das prächtige Schiff aus diesem Bombardement fast unversehrt hervor. Es wurde nur einer seiner Schornsteine und ein Kessel verletzt - leichte Schäden, die am nächsten Tag wieder gutgemacht waren und die Gefechtstüchtigkeit nicht einen Augenblick beeinträchtigten. "Sultan Selim" selbst bombardierte Sewastopol mit etwa 200 Schüssen. 50 Seemeilen vom russischen Kriegshafen entfernt, sah man später noch vom Turm des Schiffes die Feuersäulen der brennenden Hafenstadt. Der dort angerichtete Schaden wird schwerlich vorläufig bekannt werden. In Noworossisk wurden 50 volle Petroleumtanks, fünf große Getreidespeicher und 14 Handelsdampfer versenkt. Man schätzt den durch die verschiedenen Beschießungen angerichteten Schaden, Sewastopol nicht eingerechnet, auf rund 80000000 Mark.
Während die zahlreichen Konsuln von England und Frankreich in der Türkei gleichzeitig mit den betreffenden Botschaftern das Land verlassen konnten, werden sämtliche russische Konsuln zurückgehalten. Die italienische Botschaft die mit der Wahrnehmung der russischen Interessen betraut ist, sucht zu intervenieren. Die Hohe Pforte erklärt jedoch, mit Rücksicht auf die in Rußland eingetretenen Präzedenzfälle die russischen Konsuln erst dann abreisen lassen zu wolle, wenn sie die Gewähr besitze, daß die in Rußland stationierten ottomanischen Konsuln unversehrt das Zarenreich verlassen haben. Man wird den von der Türkei eingenommenen Standpunkt durchaus billigen müssen.
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Neue Beschießung der Dardanellen

Athen, 4. November. (Priv.-Tel.)
Nach Meldungen aus Lemnos näherte sich das englisch-französische Geschwader vergangene Nacht dem türkischen Fort Kumkale auf der asiatischen Seite der Dardanellen, zog sich aber auf einige blinde Schüsse der Forts hin zurück. Heute früh 7 Uhr eröffneten die Schiffe die Beschießung die mit kurzen Unterbrechungen bis Abend dauerte. Die englischen Schiffe gaben allein 70 Schüsse ab. Die hiesigen Blätter nehmen an, daß es sich um einen Versuch zur Forcierung der Meerengen handelt, vor welchen drei englische große Panzer, drei Kreuzer, vierzehn Torpedojäger und verschiedene kleine Schiffe liegen.
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Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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