Der Weltkrieg am 16. September 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Zurückgewiesene französische Angriffe

Großes Hauptquartier, 16. September.
Die Lage auf dem westlichen Kriegsschauplatz ist seit gestern unverändert. An einzelnen Stellen der Schlachtfront sind Angriffe französischer Truppen in der Nacht vom 15. zum 16. und im Laufe des 16. zurückgewiesen worden. Einzelne Gegenangriffe der Deutschen waren erfolgreich.

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Die Schlachten an der Marne

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb am 16. September:
Über die gegenwärtige Kriegslage an der Marne und vor allem über den Rückzug eines Teiles unserer rechten Flügelarmee sind in den ausländischen Blättern, wie wir schon wiederholt gesagt haben, außerordentlich viel völlig kritiklose und voreilige Urteile gefällt worden. Daneben zeigen sich aber doch neuerdings manche Versuche, der Wahrheit wenigstens einigermaßen gerecht zu werden. Einen wirklich ungefärbten Bericht wird kein Mensch von unsern Gegnern nach ihren bisherigen Erzählungen verlangen wollen. Ein Korrespondent der Turiner "Stampa" hatte eine Unterredung mit einem französischen Divisionsgeneral, der sich mit großer Anerkennung über das Verhalten der deutschen Soldaten in den Schlachten an der Marne äußerte. Der General führte aus, die französische Armee sei zwischen dem Ornain und Paris beinahe doppelt so stark als die deutsche. "Aber was für einen Feind. Beim Tagesanbruch ist es nur eine dünne Schützenlinie, aber schon mittags bildet diese Linie eine starke Verschanzung voller Soldaten. Wie lange wird diese Linie sich noch halten, wie lange werden diese zwei Armeen, die sich seit dem 23. August ununterbrochen schlagen noch Widerstand leisten? Was wir uns nicht erklären können, ist die wunderbare Widerstandskraft des Feindes. Die Deutschen ziehen sich in geradezu vorbildlicher Weise zurück, indem sie den Heldenmut haben, keinen Schuß abzugeben, um die Munition zu sparen. Ich frage mich, ob diese kleine Armee der Generäle von Kluck und von Bülow, die wir doch besiegen werden müssen, nicht zurückgeblieben seien, um sich aufzuopfern. Wir werden jedenfalls noch lange und große Mühe haben, sie zu überwinden."
Der "Figaro" schreibt in seiner Ausgabe von Bordeaux: "Die amtlichen Meldungen lassen hoffen, daß der Kampf, der sich seit einigen Tagen entwickelt hat, mit einem französischen Siege enden werde. Das deutsche Heer zieht sich zurück und zwar in einer geradezu klassischen Ordnung. Man kann daraus den Schluß ziehen, daß die Deutschen nicht mehr genügende Reserven besitzen, um die Lücken aufzufüllen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß ihr Rückzug sich bis zum Rhein erstrecken werde. Dort würden die großen verschanzten Lager den ermüdeten Truppen Gelegenheit bieten, sich auszuruhen, um nachher wieder die Offensive zu ergreifen. Jedenfalls werden die Operationen sehr lange dauern, wenn nicht unvorhergesehene Fälle, wie zum Beispiel Munitionsmangel, die Lage der Deutschen ändern sollten."
Wir sind natürlich in der Beurteilung der gesamten Lage weit entfernt von der Auffassung, die hier vertreten wird. Aber für ein Urteil über die Bedeutung der ganzen Unternehmung auf unserem rechten Flügel ist es außerordentlich wichtig, auch aus französischem Mund bestätigt zu hören, daß sich die Rückzugsbewegung mit einer ganz erstaunlichen Ordnung, wir möchten sagen: fast planmäßig vollzogen hat und daß die französische Presse - wir haben aus einer ganzen Reihe von Fällen nur zwei Beispiele ausgewählt - anscheinend Grund hat, die Lage bei ruhiger Besinnung weniger günstig zu beurteilen als auf den ersten Blick. Dieser Umschwung in der Stimmung der Franzosen bezieht sich aber nicht nur auf die Einschätzung der Ereignisse auf dem linken französischen Flügel, sondern die Auffassung von der gesamten Kriegslage beginnt, wie uns aus Frankreich gemeldet wird, merklich skeptischer zu werden. Man darf daraus wohl erfreuliche Schlüsse für die neuesten Erfolge unserer Waffen ziehen.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Kämpfe im Südosten

Wien, 16. September. (W. B.) 
Aus dem Kriegspressequartier wird amtlich gemeldet:
Der Sieg an der Huczwa hatte eine Kriegslage geschaffen, die es ermöglichte, zu einem Angriffe gegen die in Ostgalizien eingebrochenen, sehr starken russischen Kräfte vorzugehen. In Erkenntnis der Notwendigkeit, unsere nach den Gefechten östlich Lemberg zurückgegangene Armee zu unterstützen, erhielt die in der Schlacht bei Komarow siegreich gewesene Armee den Befehl, gegen den geschlagenen Feind nach kurzer Verfolgung nur untergeordnete Kräfte zurückzulassen, ihr Gros aber in dem Raume Narol-Uhnow zur Vorrückung in der ihrer bisherigen Angriffsrichtung fast entgegengesetzten Direktion Lemberg zu gruppieren, was schon am 4. September durchgeführt war. Die Russen schienen nach dem Einzuge in die ihnen kampflos überlassene Hauptstadt Galiziens einen Flankenstoß in der Richtung Lublin vorzuhaben, wobei sie unsere hinter die Grodecker Teichlinie zurückgeführte Armee wohl vernachlässigen zu können glaubte. Indessen stand diese Armee bereit, in die zu erwartende Schlacht unserer nun von Norden gegen Lemberg anrückenden Armeen einzugreifen. Am 5. September war letztere Heeresgruppe bereits über die Bahnstrecke Rawaruska-Horynice hinausgelangt. Sich weiterhin mit dem linken Flügel im Raum von Rawaruska behauptend, schwenkte sie mit dem rechten Flügel am 6. September bis Kunriki, trat am 7. September in einen ernsten Kampf gegen starke nordwärts vorgeschobene feindliche Kräfte. Mit Tagesanbruch des 8. September begann auf der 70 Kilometer breiten Front Komarow-Rawaruska unser allgemeiner Angriff, der bis zum 11. September durchaus erfolgreich, namentlich am südlichen Flügel. nahe an Lemberg herangetragen worden ist. Trotz dieser Erfolge ist es notwendig geworden, eine neue Gruppierung unseres Heeres anzuordnen, weil sein Nordflügel bei Rawaruska bedroht war und frische, weit überlegene russische Kräfte sowohl gegen die vorwärts Krasnik kämpfende Armee als auch in dem Raume zwischen dieser und dem Schlachtfelde von Lemberg vorgingen. In den schweren Kämpfen östlich Grodek am 10. September waren die Erzherzöge Armeekommandant Friedrich und Karl Franz Josef bei der dort angreifenden Division. Wie in allen bisherigen Schlachten und Gefechten haben unsere braven, nun schon seit drei Wochen ununterbrochen kämpfenden Truppen auch vor Lemberg ihr Bestes geleistet und ihre Bravour und Tüchtigkeit abermals erwiesen. In der fünftägigen Schlacht hatten beide Teile schwere Verluste; namentlich bei Rawaruska wurden mehrere Nachtangriffe der Russen blutig abgeschlagen. Gefangene Russen, darunter viele Offiziere, wurden wieder in Massen eingebracht. Aus Ausweisen unserer leitenden Etappenbehörden geht hervor, dass bisher 41000 Russen und 8000 Serben in das Innere der Monarchie abgeschoben worden sind; bisher wurden über 300 Feldgeschütze im Kampfe erobert. - Resumierend kann hervorgehoben werden, daß unsere Armee bisher in aktivster Weise in heldenmütigstem Kampfe dem numerisch überlegenen, tapferen und hartnäckig kämpfenden Feinde erfolgreich entgegentreten konnte.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.

Wien 16. September. (W. B. Korr.-Bureau.) 
Die Petersburger Telegraphenagentur hat in den letzten Tagen die gewohnten phantastischen Siegesmeldungen anläßlich des Abbruches der Schlacht bei Lemberg gebracht. Als Beleg für diese wird von 30000 Kriegsgefangenen, die die Russen gemacht hätten, und vom Verluste von 90 Kanonen gesprochen. Es ist interessant, festzustellen, daß in dem offiziellen Communique des russischen Generalstabes vom 14. September über die Ereignisse um Lemberg nunmehr von 30 Kanonen und 8000 Gefangenen die Rede ist. Von der Armee des Generals Brussilow wird zugegeben, daß sie sich in kritischer Lage befand, und daß es ihr nur nach schweren Kämpfen gelungen ist, uns den Sieg zu entreißen. Es war zu erwarten, daß die russischen Communiques die aus strategischen Rücksichten trotz des Sieges unserer Heereskörper um Lemberg erfolgte Zurücknahme unserer Armee zum Anlaß nehmen würden, Siegesnachrichten in die Welt zu posaunen. Daß dies in so zahmer Weise geschieht, dürfte die Öffentlichkeit davon überzeugen, daß man unseren offiziellen Nachrichten, die nichts beschönigen und nichts verhehlen, volles Vertrauen entgegenbringen kann.
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Die Niederlage der Serben

Budapest, 16. September. (Priv.-Tel.)
Nach amtlicher Mitteilung sind die über die Save eingedrungenen Serben seit gestern Abend aus Syrmien und dem Banat vollständig vertrieben. Der Vertreibung vorangegangen ist, gleichfalls nach einer amtlichen Meldung, ein erbitterter Kampf bei Altpazua, wo etwa 12000 Serben verschanzt waren. Etwa 3000 von ihnen wurden getötet und verwundet, etwa tausend gefangen. Zahlreiche Geschütze und Munition der Serben wurden erbeutet. 8000 Mann flüchteten im Dunkel der Nacht über die Save nach Serbien zurück.
Der Einfall der Serben nach Syrmien hat diese in den letzten Woche insgesamt 8000 Tote und 7000 Verwundet. gekostet.
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Die Kämpfe in den Kolonien

Blantyre (Njassaland), 16. September. (W. B.)
Meldung des Reuterschen Bureaus: Die Deutschen ziehen sich in kleinen Gruppen über Land zurück und brechen die Brücke über den Songwe-Fluß ab. Die britischen Truppen nahmen gestern eine Erkundung jenseits der Grenze vor, ohne mit dem Feind in Berührung zu kommen.

London, 16. September. (W. B.)
Der "Daily Telegraph" meldet aus Johannesburg: Das Gefangenenlager in Roberts Hights wächst täglich. Deutsche und Österreicher im Alter von 19 bis 45 Jahren werden aus allen Teilen Südafrikas dort zusammengebracht; ihre Zahl soll jetzt 4500 betragen.
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Die Verluste des Kreuzers "Hela"

Berlin, 16. September. (W. B.)
Wie uns von amtlicher Stelle mitgeteilt wird, betragen die Verluste beim Untergang S. M. S. "Hela" ein Toter und drei Vermißte.
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Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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