Panik
in Brüssel vor dem Einzug der Deutschen
Amsterdam,
21. Aug. (Priv.-Tel.)
Fast bis zum letzten Augenblick wußte man in Brüssel, wo man nicht
an den Fall Lüttichs glaubte, das Heranrücken der Deutschen zu
verheimlichen, was die Konsternation um so größer machte, als vorgestern
Nacht drei Uhr Bürgermeister Max die bereits telegraphierte Proklamation
anschlagen ließ, in der die Bürger noch aufgefordert werden, sich jeder
Feindseligkeit und jeden Waffengebrauchs zu enthalten. Auch werden die Bürger
aufgefordert, jede Auskunft über belgische Truppen zu verweigern und sich
vor Spionen und Agenten zu hüten. Das Privateigentum und Leben der Bürger,
die religiöse und philosophische Überzeugung müsse der Feind gemäß
den Gesetzen in Ehren halten. So lange er (der Bürgermeister) lebe, werde
er mit aller Kraft die Bürger beschützen. Diese Proklamation wirkte wie
ein Donnerschlag, und die Flucht zahlreicher Bürger nach Gent und den
umliegenden Orten begann.
Um 11 Uhr gestern früh zogen die ersten deutschen Kavallerieabteilungen
an der Porte de Louvain ein. Bürgermeister Max war den deutschen Truppen
entgegen gegangen und ließ bei ihrer Ankunft die weiße Flagge
hochziehen. Der kommandierende deutsche Offizier trat vor, unterhielt sich
einige Augenblicke freundlich mit dem Bürgermeister und gab die absolute
Versicherung ab, daß der Stadt keinerlei Leids geschehe, so lange sie
sich still halte und von jeder Feindseligkeit absehe.
Beim Näherrücken auf Brüssel bemächtigte sich der Einwohner der
benachbarten Orte ein furchtbarer Schreck. Die Landstraßen waren voll
Wagen, bepackt mit Menschen und Hausgerät, die Brüssel zustrebten. Die
Panik war derart, daß ein englischer Kinophotograph Entsetzen und Geheul
hervorrief, als er seinen Apparat auf die Flüchtenden richtete, da sie
annahmen, es sei eine Mitrailleuse.
Der Korrespondent des "Nieuwe Rotterdamsche Courant", dem es
geglückt ist, Nachrichten hierher zu bringen, sagt, daß in Brüssel eine
große Zahl englischer Korrespondenten weilt, die seit Tagen keine einzige
Nachricht befördern konnten. Die englischen Journalisten streben Ostende
zu. Brüssel ist wie ausgestorben, die sonst gedrängt volle Geschäftsader,
der Boulevard Anspach, still wie ein Friedhof. Große Angst herrschte, daß
für die Zerstörung einiger deutscher Restaurants und Geschäftshäuser
Strafmaßregeln genommen würden. Die Barrikaden, die von der Bürgergarde
in den letzten Tagen erstellt wurden und die Stacheldrahtsperren wurden
von den Bürgern in aller Eile entfernt, da der verständige Befehl
gekommen war, eine zwecklose Verteidigung der offenen Stadt aufzugeben.
Berlin,
21. Aug. (Priv.-Tel.)
Gestern der Einzug in Brüssel, die Ostsee frei von Feinden, unsere
Nordseeküsten sind frei, unser gegen Belgien vorgehendes Heer in
unaufhaltsamem Vordringen! Und heute kam die Nachricht, auf die wir
gehofft, nein, die wir erwartet haben, die Nachricht, die bekräftigt, was
wir in den ereignisschwangeren ersten Tagen dieses Monats immer wieder
geschrieben haben: Wir werden siegen und wir müssen siegen! Heute heißt
es, wir haben gesiegt, denn wer die knappe und ehrliche Sprache der
Berichterstattung unserer Heeresleitung kennt, der ist frei von dem
Zweifel über die große Tragweite der siegreichen Nachricht, die von dem
Schlachtfeld oder richtiger den Schlachtfeldern kommt, auf denen unter der
Führung des bayerischen Kronprinzen Truppen aller deutschen Staaten
zwischen Metz und den Vogesen siegreich gegen die Franzosen gekämpft,
ihnen schwere Verluste zugefügt, viele tausend Gefangene und zahlreiche
Geschütze abgenommen haben. Noch fehlen einzelne Schilderungen, noch
kennt man nicht die Namen dieser Schlachtfelder, sondern nur das große
Gebiet, auf dem sich der Kampf abspielte. Aber kein Zweifel, das war die
erste große moderne Schlacht, die Schlacht von Bedeutung für den
weiteren Fortgang der Ereignisse auf dem westlichen Kriegsschauplatz, die
Schlacht, wenn man schon vergleichen will, die wahrscheinlich zu
vergleichen sein wird mit dem, was sich vor 44 Jahren und wenigen Tagen
nicht weit von dem heutigen Schlachtfeld von Metz abgespielt hat.
Wahrscheinlich dauern diese Kämpfe, wie es in modernen Schlachten in den
letzten Jahren ist, fort, aber der Generalstab würde nicht so berichtet
haben, wie er berichtet hat, wenn er nicht sicher wäre, daß der Sieg
bereits endgültig in unseren Händen ist und daß es sich jetzt nur noch
um die Verfolgung des Feindes und um die Ausnutzung des Sieges handelt,
und so wird es weiter gehen. Der Geist, in dem das deutsche Volk diesen
Krieg begonnen hat und führt, und die Tüchtigkeit unserer Armee und
unseres Volkes in Waffen sind die besten Grundlagen des Vertrauens auf den
endgültigen Erfolg. 2)
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