Der Weltkrieg am 9. August 1914

 

Neue Erfolge an der Ostgrenze

Berlin, 9. Aug. (W. B.)
Die Grenzschutzabteilung in Biala, zehn Kilometer östlich von Johannisburg, hat den
Angriff einer russischen Kavallerie-Brigade zurückgewiesen. Acht russische Geschütze und mehrere Munitionswagen sind in unsere Hände gefallen.

Berlin, 9. Aug. (W. B.)
Gestern Abend sind drei Kompanien Landwehr in Schmalleningken, drei Meilen östlich von Tilsit, von zwei russischen Infanteriekompanien und einer Maschinengewehrkompanie angegriffen. Die Landwehr zwang die Russen zum Rückzug auf Jurborg.

 

Erfolge unserer Verbündeten gegen Rußland

Wien, 9. Aug. (W. B.)
Die bis Mjechow etwa dreißig Kilometer nördlich von Krakau vorgedrungenen österreichischen Truppen setzten die Offensive fort und besetzten bis zum Abend die Ortschaften ungefähr 40 Kilometer nordwärts. Die bisher an der Weichsel stehenden Grenztruppen überschritten den Fluß und setzten sich am jenseitigen Ufer fest. In Ostgalizien bemächtigten sich die Österreicher der auf feindlichem Gebiete gelegenen Ortschaften Radzivilow, eines Grenzbahnhofs im östlichen Galizien und Nowosieliza bei Czernowitz, der Bezirkshauptstadt der Bukowina. Sämtliche Versuche von feindlichen Reiterpatrouillen, in Ost- und Mittelgalizien einzufallen, werden abgewehrt. Bei Zalozce zwischen Brody und Tarnopol wurden bei der Zurückwerfung feindlicher Reiter vier Kosaken getötet und zwei verwundet.

 

Eine Ansprache des Zaren

Zar Nikolaus II.
Zar Nikolaus II.

Petersburg, 9. Aug. (Petersburger Telegraphen-Agentur.)
Heute Vormittag empfing der Kaiser im Winterpalais in Gegenwart des Generalissimus Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch und sämtlicher Minister die Mitglieder der Reichsduma und des Reichsrates in feierlicher Audienz und hielt folgende Ansprache:

"In diesen bedeutungsvollen Tagen der Aufregung und Unruhe, welche Rußland durchmacht, entbiete ich Euch meinen Gruß. Das Deutsche Reich und darauf auch Österreich-Ungarn haben Rußland den Krieg erklärt. Der ungeheure Aufschwung patriotischer Gefühle und der Liebe und Treue für den Thron, der wie ein Sturmwind durch unser ganzes Land ging, ist mir wie Euch eine Bürgschaft. Ich hoffe, daß das große Rußland den Krieg, den ihm der Herr schickt, zu einem glücklichen Ende führen wird. Aus tiefem einmütigen Sturm von Liebe und Eifer aller, selbst das Leben zu opfern, schöpfe ich meine Kraft, um der Zukunft mit Ruhe und Festigkeit entgegenzusehen. Wir verteidigen nicht nur die Würde und Ehre unseres Landes, sondern wir kämpfen auch für unsere slawischen Brüder, unsere Glaubensgenossen und Blutsverwandte. In diesem Augenblick sehe ich auch mit Freuden, wie die Einigung der Slawen mit Rußland stark und unauflöslich sich vollzieht. Ich bin überzeugt, daß Ihr jeder an seinem Platze stehen werdet, um mir bei der Prüfungsarbeit zu helfen, und daß alle, bei mir selbst angefangen, ihre Pflicht tun werden. Der Gott des russischen Landes ist groß."

Ein Hurra beantwortete die Rede des Kaisers.

 

Montenegros Kriegserklärung

Wien, 9. Aug.
Die Note der montenegrinischen Regierung, in der der Beginn des Kriegszustandes zwischen Österreich-Ungarn und Montenegro mitgeteilt wird, lautet dahin, daß sich Montenegro genötigt sehe, zur Verteidigung der serbischen Sache die Waffen zu ergreifen. Zugleich wird die Mission des österreichisch-ungarischen Gesandten in Cetinje als beendet erklärt.

 

Eine montenegrinische Aktion

Wien, 9. Aug. (W. B.)
Die Montenegriner beschossen Cattaro und stellten das Feuer, das von den Österreichern erwidert wurde, um 6 Uhr abends wieder ein. Die Österreicher hatten keine Verluste. Das Feuer der Montenegriner war völlig wirkungslos. Die Stellungen der Österreicher wurden nicht beschädigt.

 

Beschießung von Antivari

Mailand, 9. Aug. (Priv.-Tel.)
Die montenegrinische Hafenstadt Antivari wurde gestern beschossen. Zerstört sind die Industriewerke der von Italienern finanzierten Compagnia di Antivari, die Hafenstation, das Hafenkommando, die Lagerhäuser, die Funksprechstation. Die Österreicher verschonten das italienische Konsulat und das italienische Hotel "Marina". Obwohl der Kommandant der "Szitgetvar" den Italienern Sicherheit versprach, zogen es die in Antivari befindlichen 30 Italiener vor, sich nach Italien einzuschiffen. Nur Konsul Niceolini verblieb in Antivari.

 

Aufruf des österreichischen Ober-Kommandos an die Polen Rußlands

Wien 9. Aug.
Das Oberkommando der österreichisch-ungarischen Armee richtete einen Aufruf an die russischen Polen, worin es heißt:

Die verbündeten österreichisch-ungarischen und deutschen Armeen überschreiten die Grenze. Hiermit bringen wir Euch Polen die Befreiung vom moskowitischen Joch. Begrüßt unsere Fahnen mit Vertrauen. Sie bringen Euch Gerechtigkeit. Die Schranken zu sprengen, die Euren Verkehr mit den Errungenschaften der westlichen Kultur behindern, und Euch alle Schätze des geistigen und wirtschaftlichen Aufschwunges zu erschließen, ist die wichtige Aufgabe, die uns aus diesem Feldzug erwächst. 2)

 

Lüttich

Berlin, 9. Aug. (W. B.)
Lüttich ist fest in unserer Hand. Die Verluste des Feindes sind groß. Unsere Verluste werden sofort mitgeteilt, sobald sie zuverlässig bekannt sind. Der Abtransport von 3000 bis 4000 Kriegsgefangenen aus Belgien hat bereits begonnen. Nach vorliegenden Nachrichten hatten wir in Lüttich ein Viertel der gesamten belgischen Armee gegen uns.
2)

 

Die Bekanntgabe unserer Verluste

Berlin, 9. Aug. (W. B.)
Mit dem Einsetzen der Kriegshandlung wird natürlich in dem ganzen Volke der Wunsch laut, stets schleunige Kenntnis von unseren Verlusten zu erhalten. Dieser Wunsch ist durchaus begreiflich, es wird ihm in offenster, weitestgehender Weise Rechnung getragen werden. Jeder, der mit den militärischen Verhältnissen vertraut ist, wird aber auch verstehen, daß es einer gewissen Zeit bedarf, bis man nach dem Gefecht die Zahl der Verluste übersehen kann. Es ist sogar für die am Kampfe beteiligten Regimenter unmöglich, bevor die von der Truppe Abgekommenen sich wieder eingefunden haben, ein einigermaßen zuverlässiges Bild zu geben. Es ist Vorsorge dahin getroffen worden, daß die Truppen durch die Militärbehörden in der Heimat die Angehörigen so schnell wie möglich benachrichtigen. Außerdem werden regimenterweise zusammengestellte Verlustlisten veröffentlicht werden. Die Heeresleitung rechnet auch hier auf das Vertrauen des tapferen und zu jedem Opfer bereiten Volkes, in dem sie die festeste Stütze findet bei dem uns aufgezwungenen Kampf.
2)

 

Englische Truppen in Togo

Berlin, 9. Aug. (W. B.)
Wie wir hören, ist vor der Hauptstadt von Togo, Lome, eine starke englische Truppenexpedition von der benachbarten englischen Goldküste erschienen. In Abwesenheit der kleinen Polizeitruppe und sämtlicher wehrfähiger Weißer, die sich mit dem stellvertretenden Gouverneur zum Schutze wichtiger Stationen in das Hinterland begeben hatten, nahmen die Engländer von der Hauptstadt Besitz unter feierlicher Zusage, die Ordnung aufrechtzuerhalten und das Eigentum zu schützen.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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